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Mauern, Steine und Gesetze – Anwälte im Denkmalschutzrecht

Auch so entstehen ungewöhnliche Juristenbiografien: Zu Studienbeginn konnte sich Rechtsanwalt Dr. Till Kemper nicht zwischen Archäologie und Jura entscheiden – also schrieb er sich gleich für beide Studiengänge ein. Dies befördert ihn in die komfortable Lage, Denkmäler nicht nur aus dem Blickwinkel der Paragrafenzunft zu sehen. Er kann Bauten historisch einordnen und kennt typische Fundproblematiken. Im Gespräch gräbt sich Kemper durch das Aufgabenbild von Denkmalanwälten. Es geht um Herrenhöfe mit halsbrecherischen Geländern, verzweigte Behördendickichte und mit welchen Strafen man rechnen darf, wenn man etwas ausbuddelt und einfach behält.

 

Dr. Till Kemper M.A. ist seit 2003 als Rechtsanwalt zugelassen. Er ist Fachanwalt für Bau- und Architektenrecht, Vergaberecht und Verwaltungsrecht und Partner der HFK Rechtsanwälte PartGmbB mit Sitz in Frankfurt/Main. Er vertritt bundesweit Vorhabenträger, also Mandanten, die vorwiegend Flächen gewerblich oder privat bebauen oder Denkmalimmobilien umnutzen wollen.

 

Ist ein denkmalrechtliches Mandat häufig zeitintensiver als eine klassische zivilrechtliche Auseinandersetzung?

Das ist tatsächlich so, weil die Abstimmung zwischen den Behörden unterschiedlich ist. Wenn es um Denkmäler geht, hat man es als Anwalt nicht einfach mit der Stadt oder dem Land zu tun, auf dessen Gebiet das Denkmal liegt, so dass lediglich eine Stelle zuständig wäre. Man steht eigentlich immer auch mit Bau- und Planungsämtern oder Naturschutzbehörden in intensivem Austausch. Man muss eines verstehen: Denkmalschutz ist eine wichtige Sache, hat aber eine andere Lobby als zum Beispiel der Naturschutz. Das lässt sich an einem Gartendenkmal erklären: Entsteht hier ein juristischer Streit, dann hat es der Anwalt neben der Denkmalschutz- auch mit der Naturschutzbehörde zu tun.

 

Etwas genauer bitte

Nehmen wir eine für Wohnnutzung umzunutzende Kasernenanlage, eingebunden sind die Stadtplanungsbehörde und das Bauordnungsamt. Nun hat die Anlage einen Treppenaufgang im Eingang, mit eisernen Balustraden, die als Einzeldenkmal geschützt sind. Die müssen also in ihrem Urzustand verbleiben, müssen weiter genutzt und restauriert werden. Das Bauordnungsamt wiederum sagt: Nein, das gehe nicht, die aktuellen Vorschriften an eine Absturzsicherung seien nicht erfüllt. Der Bauträger darf sich dann den Kopf zerbrechen: Geht jetzt Sicherheit oder Denkmalschutz bzw. Substanzerhalt vor? Solche Spannungen zwischen Denkmalschutz und Bauordnungsrecht sind gar nicht so selten.

 

Wie fächern sich Ihre Aufgabenkreise weiter auf?

Das Aufgabenfeld eines Juristen in der Denkmalpflege reicht weit. Es geht um Verhandlungen, wer die Kosten trägt, wenn Bauland baureif gemacht wird und Denkmäler entfernt werden. Es geht aber auch um die Ausgestaltung von Verträgen für Grabungsfirmen, die Abarbeitung von Abbruchgenehmigungen. Da Bauvorhaben mit Denkmalbezug häufig auch gefördert werden, kommen zusätzlich beihilferechtliche sowie vergaberechtliche Regelungskonzepte hinzu, um die Gelder zu bekommen. Betreut man größere Bauprojekte, müssen Flächen freigemacht werden von Bodendenkmälern, also z.B. alten Verkehrswegen oder Siedlungsresten. Da gibt es die Varianten, dass es ausschließlich die behördliche Archäologie tun darf, oder eben private Grabungsfirmen.

 

Häufig müssen die Bagger gar nicht erst anrücken, wenn Bauten zu erhalten sind

Es geht dann darum, die denkmalgestalterische Restauration an Gebäuden zu erreichen. Insbesondere im Rahmen der Überprägung von geschützter Bausubstanz durch energetische Sanierungsmaßnahmen oder eben schlichte Modernisierungsmaßnahmen. In der Denkmalpflege ist ebenso wie in baurechtlichen Beratungen ein grundlegendes Verständnis für die materielle Baukultur sinnvoll und erforderlich, ebenso wie ein technisches Grundverständnis.

 

Passt also recht gut, wenn der Anwalt gleich auch zur Spatenzunft gehört

Insbesondere im Bereich der archäologischen Denkmalpflege unterstützt mich natürlich mein archäologisches Studium. Aber dass Juristen zusätzlich noch Geisteswissenschaften mitbringen, ist eher selten, nützt aber sehr. Für eine rechtliche Einordnung braucht man einen gewissen Sachbezug. Ebenso zwingend sind Sachverständige, wenn es darum geht, den Schadstoffbefall oder die wirtschaftliche Verwertbarkeit von Bauten zu analysieren. Wenn man bestimmte Baustile bzw. Bausubstanzen kennt, ahnt man mitunter schnell, worauf es ankommt oder was juristisch Probleme macht. Oder man weiß vielleicht gleich auch ohne Gutachten: Die Anlage muss bleiben, man wird gar nicht bauen können.

 

Mit welchen Aufgaben hatten Sie sich zuletzt auseinanderzusetzen?

Meine derzeitigen Mandate spiegeln die dargestellte Bandbreite wider. Es geht immer wieder um spezielle Genehmigungen wie Abbruchgenehmigungen im Rahmen städtebaulicher Verträge unter der gleichzeitigen Zusicherung, dass der Gesamtbestand denkmalgerecht saniert wird. Im Rahmen von Planfeststellungs- und Bebauungsplanverfahren haben wir sodann noch Verträge bezüglich der Beseitigung von Bodendenkmälern, alles sehr zeitintensiv.

 

Wird das schnell zu einer Geduldsprobe für Mandanten?

Wir hatten in einer ostdeutschen Großstadt einmal einen 18 Monate langen Streit zwischen Denkmalschutz- und kommunaler Planungsbehörde, weil beide sich nicht einigen konnten, ob zwei getrennte Bauten, dies sei denkmalverträglicher, oder ein durchgehender Bau ausgeführt werden soll, was für das Stadtbild attraktiver war. Solche unterschiedlichen Positionen machen es wirklich sehr schwierig, weil man als Bauherr immer versuchen muss, dazwischen eine Lösung zu erarbeiten. Also müssen wir da Abstimmungen treffen oder auch Abweichungen von den allgemeinen Verkehrssicherungspflichten.

 

Hängt das je nach Bundesland auch mit wechselnden Zuständigkeiten zusammen?

Tatsächlich sind die Unterschiedlichkeiten in den Bundesländern sehr hoch, die zuständigen Behörden unterschiedlich aufgebaut. In einem Land muss der Anwalt direkt zum Landesdenkmalamt, beim anderen zur Oberen Denkmalschutzbehörde.  Genehmigungen werden je nach Bezug diesen Behörden zugeordnet. Ist man als Anwalt auf der Privatentwicklerseite tätig, so ist es selbstverständlich hilfreich, wenn man auf einen positiven persönlichen Kontakt in den jeweiligen Ämtern zurückgreifen kann. Vor diesem Hintergrund ist ein kollegialer Austausch dienlich.

Dann wird auch mit Ehrenämtlern unterschiedlich umgegangen, Schleswig-Holstein beispielsweise hat einen sehr progressiven Ansatz, indem man versucht, viele Ehrenamtliche einzubeziehen. In Hessen steuert man eher dagegen. Das weicht also bisweilen stark voneinander ab.

 

Geht man das im Ausland anders an?

Aufgrund unseres Föderalismus und der Kulturhoheit der Länder ist das deutsche Recht oft komplizierter. Holland und Großbritannien zum Beispiel haben eine sehr bürgerfreundliche Gesetzgebung. In den Niederlanden ist die ehrenamtliche Archäologie Allgemeingut, die Leute können mitwirken, sich einbringen. In England ist es vollkommen normal, dass Schatzsucher den Strand absuchen und Schiffswracks inspizieren. Man achtet mehr auf Teilhabe, eben weil man erkannt hat, dass so eine Teilhabe die Voraussetzung ist, dass Denkmalschutz gelingt. Denn damit schaffen sie auch Akzeptanz bei Menschen, die bauen wollen und Denkmalschutz eben nicht als Belastung empfinden, der noch nur Geld koste.

 

Ohne Gutachter geht es nicht. Braucht es da ein gutes Netzwerk?

In der Tat und das haben wir auch. Gutachter klären dann die unterschiedlichsten Fragen: Wie hoch ist die Feuchtigkeit, wie sieht es mit Pilzbefall aus? Daran entscheidet sich oft, ob man das Bauwerk überhaupt erhalten kann oder der Substanzverlust so groß ist, dass wir vielleicht einen ganzen Balken austauschen müssen. Dann melden sich wiederum die Bauplaner und sagen: Ja gut, wenn wir den Balken rausnehmen, dann müssen wir statisch alles so ertüchtigen, dass es noch hält. Und dann natürlich die Ausgrabungen.

 

Kommt man sich hier schnell ins Gehege?

Angenommen, Sie wollen eine Windkraftanlage bauen. Dann haben sie plötzlich Fundamentdurchmesser von mehreren Hundert Metern. Liegen da archäologische Fundorte, ist das genau zu überprüfen. Die Archäologen hören ja nicht exakt dort auf, wo die Fundamentengrube endet, wenn der archäologische Befund weitergeht. Bau- und Gräberfeldpläne sind da genau abzugleichen.  Das gilt auch, wenn Bahnschienen verlegt werden oder bei Straßenbauvorhaben, das muss die regionale Archäologie stets wissen.

 

Sie betreuen auch ein Museum, warum braucht man hier Juristen?

Es ist ein privates Haus, man will dort sicher sein, wie man mit Zufallsfunden umgeht. Da arbeite ich auch eng mit Provenienzforschern zusammen, also Fachleuten, die feststellen können, woher ein Fundstück stammt. Der Museumsleiter hat öfters das Problem, dass plötzlich Leute auftauchen und ihm was auf den Tisch legen, eine Metallfibel, eine Tonscherbe, oder was auch immer. So ein Fund ist zu melden, das Museum kann die Sachen ja nicht einfach in die Vitrine stellen. Es folgt eine Fundmeldung an das Landesdenkmalamt, dann sind die Besitzverhältnisse zu klären. Gehört es dem Grundstückseigentümer, auf dem der Fund gefunden wurde? Dem Bundesland, vielleicht dem Museum, weil es ihm geschenkt wurde? Da gibt es verschiedene Diskussionen und Ansätze, wie das juristisch zu lösen ist.

 

Zum Beispiel?

Es gab einen Fund in Hessen, wo man unter anderem Pferdegeschirre gefunden hat. Über ein Konstrukt, das mit der Schenkung von Grundeigentümerrechten und dem Schenken von Finderrechten einherging, wurde erreicht, dass die Exponate dann ausgestellt werden konnten. Solche Vereinbarungen sind auszuhandeln und rechtssicher zu gestalten.

 

Welche Bundes- oder Landesvorschriften spielen eigentlich eine Rolle?

Wichtige Grundlage sind die jeweiligen Landesdenkmalschutzgesetze. Darüber hinaus gibt es noch einige Vergleichsnormen im Baugesetzbuch, die beispielsweise besonderem Städtebaurecht entstammen. Schließlich haben wir diverse Bestrebungen aus europäischen Richtlinien bzw. Europaratsabkommen sowie der bekannten Weltkulturerbe-Konvention.

Begibt man sich in die Nische des illegalen Kulturgüterhandels, kommen noch weitere Richtlinien aus dem Völkerrecht hinzu. Auch die Valletta-Konvention mit wichtigen Anhaltspunkten für die Kostentragungspflicht bei archäologischen Ausgrabungen ist von wesentlicher Bedeutung. Bei der Baudenkmalpflege kommen schließlich auch noch DIN- und ISO-Normen hinzu, beispielsweise wenn Einzelfundstücke restauriert oder Originalsubstanzen heranzuziehen sind.

 

Welche Strafen erwarten einen eigentlich, wenn man Funde einfach behält oder sie gar zu Geld macht?

Natürlich muss man unterscheiden zwischen Zufallsfunden und solchen Personen, die gezielt auf der Suche sind, um mit Funden illegal zu handeln, also Geld damit zu verdienen. Verhängte Geldstrafen sind aber häufig nicht besonders hoch. Die können im vierstelligen Bereich liegen, mir ist aber auch ein Fall bekannt, wo der Schädiger bis zu 50.000 EUR zahlen musste.

 

Wie informieren sich Juristen in Ihrer Nische und pflegen fachlichen Austausch?

Man baut sich eigene Netzwerke vor allem zu Gutachtern und verschiedenen Architekturbüros auf, manche von denen spezialisieren sich auch auf den Umgang mit Denkmalbauten. Ferner existieren das Denkmalnetz Bayern, das Deutsche Nationalkomitee für Denkmalschutz (DNK) und die ICOMOS, eine internationale Nichtregierungsorganisation für Denkmalpflege, die verschiedene Facharbeitsgruppen hat.

 

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