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Heil durch den Jahresendspurt

Vor vielen Jahren bin ich einmal am 23. Dezember gegen 23 Uhr auf dem Fahrrad von der Kanzlei nach Hause geradelt. Das Programm, das danach zu Hause noch zu absolvieren war mit kleinen Kindern, meinem Hang zur letzten Minute und der ganzen Familie am Heiligabend bei uns, können Sie sich vielleicht vorstellen. Als ich über den Rathausplatz gefahren bin, sah ich von weitem eine Kollegin, ebenfalls auf dem Fahrrad, sicher auch auf dem Weg nach Hause, was mir gleichzeitig eine Erleichterung war – ich war also nicht die Einzige um diese Zeit – und mir mehr als absurd vorkam. Warum dachten wir, noch irgendetwas auf den Weg gebracht haben zu müssen am Tag vor Heiligabend, wenn die Diktate doch ohnehin erst nach den Feiertagen geschrieben werden und zu später Stunde versendete Faxe (ja, es ist lange her!) nicht mehr gelesen werden würden?

Der Dezember ist nicht nur aufgrund des Ablaufens irgendwelcher Verjährungsfristen stressig in der Juristerei. Auf Trab gehalten werden wir auch von all den Menschen, die unabhängig von diesen gesetzlichen Vorgaben ihre Sache sehr dringend noch beendet haben wollen. Nicht wenige dieser Menschen fangen allerdings auch gerade jetzt erst damit an, ihre Angelegenheit auf den Weg zu bringen und finden: Wenn sie sich mal entschieden haben, muss es aber auch jetzt echt ganz schnell gehen. Weil das Ende des Jahres mit seinen Feiertagen und der ruhigen Zeit dazwischen so eine Zäsur darstellt. Und weil im neuen Jahr natürlich wieder einmal alles frisch und irgendwie schöner beginnen soll, befreit von dem, was in diesem Jahr ausgebremst, beunruhigt oder einfach genervt hat. Hier gilt es also, besonders gut aufzupassen, um mit Erreichen der Feiertage nicht völlig am Ende zu sein.

 

3 Impulse für den Jahresendspurt

1. Machen Sie einen Zeitsprung

Es mag manchmal den Anschein machen, als würde die Welt sich gar nicht weiterdrehen im neuen Jahr, so dringend scheinen die Sachen zu sein. Termine werden gewünscht oder anberaumt, Eilanträge sollen gestellt werden, alle möglichen Schriftsätze sollen noch raus. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass es auch dieses Mal nach den Feiertagen weitergeht – und wenn nicht, was sollte dann überhaupt dringend sein? Erinnern Sie sich selbst und Ihre Mandanten daran! Denn wahrscheinlich werden Sie am Ende Ihres hoffentlich langen und frohen Lebens nicht dasitzen und denken: „Ach, das war alles sehr schön, was für ein erfülltes Leben! Aber, dass ich Weihnachten 2022 die Sache Müller gegen Meyer nicht abgeschlossen hatte, das hätte echt nicht sein dürfen, das hat mir das Ganze doch ganz schön vermiest.“ Selbst in drei Jahren werden Sie nicht so denken und vielleicht noch nicht einmal im nächsten Februar. Deshalb sortieren Sie, besonders im Vorweihnachtswahnsinn: Was ist jetzt wirklich noch wichtig und was im nächsten Jahr genauso gut?

 

2. Schwierige Fälle sind oft auf allen Seiten schwierig

Und wenn etwas doch noch wegsoll, weil es aus Fristgründen wirklich erledigt werden muss oder es Ihnen einfach eine Riesenerleichterung wäre, denken Sie daran: Diese eher gruseligen Sachen sind meist auch bei der Gegenseite die Fälle, die Energie kosten – die, die alle Beteiligten gern vom Tisch haben würden. Egal, was schon geschrieben wurde: Rufen Sie doch mal an. Vielleicht ist die Person am anderen Ende der Leitung erleichtert, wenn jemand mal die Unsäglichkeit der ganzen Sache anspricht, und Sie denken im Gespräch noch einmal aus ganz anderer Ecke. Vielleicht kommen Sie gemeinsam auf eine Lösungsmöglichkeit, an die bisher nicht gedacht wurde.

 

3. Das wirklich Wichtige verteidigen

Die Weihnachtszeit ist für viele auch mit hohen persönlichen Ansprüchen an frohe Feiertage in perfekter Harmonie verbunden und so kommen zu einer trubeligen Zeit in der Kanzlei noch die familiären Erwartungen, seien sie echt oder nur fälschlich vermutet. Letztere zu erkennen, kann Ihnen schon einmal viel Energie sparen. Und bei den echten Erwartungen, den eigenen und denen der Familie, dürfen wir auch gern zweimal hinschauen: Was ist Ihnen persönlich wirklich wichtig? Welche gemeinsamen Erlebnisse möchten Sie haben und das möglichst, ohne dabei an unerledigte Akten zu denken? Blocken Sie für diese Momente rechtzeitig Zeit und verteidigen Sie sie hartnäckig. Und erinnern Sie sich für ein bisschen weniger Perfektionismus mal an die Feiertage und den Advent der letzten Jahre, an die schönen Momente: Was war so schön an ihnen? Häufig sind es nicht die Augenblicke, in denen irgendwelche äußeren Umstände perfekt gestaltet waren. Sondern die, in denen wir uns sehr verbunden fühlten mit den Menschen, mit denen wir zusammen waren.

 

Schöner Nebeneffekt

Ganz nebenbei können wir in den letzten Wochen des Jahres so einiges über uns und unsere Arbeit lernen. Was macht sogar jetzt noch Spaß, mitten im größten Trubel? Mit wem und für wen arbeiten Sie gern? Das sind offenbar Sachen, die gut funktionieren, auf die können Sie den Fokus auch im neuen Jahr legen. Aber erstmal: Kommen Sie gut durch den Dezember! Und fahren Sie am 23. möglichst vor 23 h nach Hause, alles andere macht gar keinen Sinn – ich habe es getestet.

 

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