In der anwaltlichen Praxis kann es vorkommen, dass eine Mandantenbeziehung nicht nur nach dem Abschluss eines Verfahrens, sondern auch während eines laufenden Falls endet. Gründe für das vorzeitige Ende einer Mandantenbeziehung können vielfältig sein: Unstimmigkeiten im Vertrauensverhältnis, eine Änderung der rechtlichen Strategie oder persönliche und berufliche Veränderungen aufseiten des Mandanten/der Mandantin oder des Anwalts/der Anwältin.
Das vorzeitige Ende eines Mandats während eines laufenden Falls stellt sowohl für den Anwalt/die Anwältin als auch für den Mandanten/die Mandantin eine besondere Herausforderung dar. Es ist wichtig, die rechtlichen und organisatorischen Konsequenzen sorgfältig zu berücksichtigen, um sicherzustellen, dass alle Parteien ordnungsgemäß informiert werden und der Übergang zu einem/r neuen Vertreter/in reibungslos verläuft.
In diesem Artikel beleuchten wir die wesentlichen Aspekte, die bei der Beendigung der Mandantenbeziehung im laufenden Fall zu beachten sind. Dazu gehören die korrekte Abwicklung des Mandats, die Rückgabe und Übertragung von Unterlagen sowie die rechtlichen Verpflichtungen, die für eine transparente und faire Beendigung sorgen.
Gründe für das vorzeitige Ende der Mandantenbeziehung
Das vorzeitige Ende eines Mandats kann verschiedene Ursachen haben:
Vertrauensverlust
Der Mandant/die Mandantin verliert möglicherweise das Vertrauen in die Kompetenz oder Integrität des Anwalts, sei es aufgrund von Kommunikationsproblemen, unterschiedlichen Vorstellungen über die Vorgehensweise oder persönliche Differenzen.
Änderungen der rechtlichen Strategie
Im Verlauf eines Verfahrens kann sich herausstellen, dass eine andere rechtliche Strategie sinnvoller ist. Der Mandant könnte daher einen Anwalt/eine Anwältin suchen, der/die besser auf die neue Strategie ausgerichtet ist.
Persönliche oder berufliche Veränderungen
Sowohl der Mandant/die Mandantin als auch der Anwalt/die Anwältin können persönliche oder berufliche Veränderungen durchleben, die das Fortführen der Mandatsbeziehung unmöglich machen, wie z.B. ein Umzug oder eine berufliche Neuorientierung.
Welche rechtlichen und organisatorischen Schritte gilt es zu beachten?
Das vorzeitige Ende eines Mandats erfordert eine sorgfältige Beachtung verschiedener rechtlicher und organisatorischer Aspekte:
Formelle Kündigung des Mandats
Die Beendigung der Mandantenbeziehung sollte schriftlich und formell erfolgen. Sie sollten dem Mandanten/der Mandantin ein Kündigungsschreiben zukommen lassen, in dem Sie den Grund für die Beendigung erläutern und das Datum angeben, an dem die Beendigung wirksam wird. Die ordnungsgemäße Kündigungspflicht ist rechtlich verankert und in der Berufsordnung für Rechtsanwälte (BORA) geregelt, die für die anwaltliche Tätigkeit in Deutschland maßgeblich ist. Ein Beispiel für ein solches Schreiben könnte wie folgt aussehen:
Betreff: Beendigung des Mandats – [Bezeichnung des Falls]
Mandant/in: [Name des Mandanten/der Mandantin]
Aktenzeichen: [Aktenzeichen des Anwalts/der Anwältin]
Datum: [Datum des Schreibens]Sehr geehrte(r) Frau/Herr [Name des Mandanten/der Mandantin],
hiermit informiere ich Sie darüber, dass ich das Mandat in der Angelegenheit [Bezeichnung des Falls] mit Wirkung zum [Datum] beende. Diese Entscheidung wurde aus [Grund der Beendigung, z.B. „aufgrund von Differenzen bezüglich der rechtlichen Strategie“] getroffen.
Bitte setzen Sie sich mit mir in Verbindung, um die Rückgabe Ihrer Unterlagen und die Regelung aller offenen Fragen zu besprechen. Ich werde sicherstellen, dass Ihnen alle relevanten Dokumente zeitnah übergeben werden und die Übergabe an eine/n neuen Anwalt/Anwältin reibungslos verläuft.
Mit freundlichen Grüßen,
[Name des Anwalts/der Anwältin]
[Kanzleianschrift]
Rückgabe und Übertragung von Unterlagen
Sie müssen alle im Rahmen des Mandats erhaltenen Unterlagen vollständig und sicher zurückgeben. Dies umfasst sowohl die Originale als auch alle relevanten Kopien. Erstellen Sie eine detaillierte Liste der übergebenen Unterlagen, um mögliche spätere Streitigkeiten zu vermeiden. Es ist ratsam, den Empfang der Unterlagen vom Mandanten/der Mandantin bestätigen zu lassen. Diese Verpflichtung leitet sich aus der allgemeinen Pflicht zur Herausgabe von Mandantenunterlagen gemäß § 667 BGB ab.
Abschlussabrechnung
Erstellen Sie eine transparente Abschlussabrechnung, die alle bis zum Zeitpunkt der Beendigung des Mandats erbrachten Leistungen und angefallenen Kosten detailliert aufschlüsselt. Übermitteln Sie diese Abrechnung dem Mandanten/der Mandantin zeitnah, um sicherzustellen, dass alle finanziellen Fragen geklärt werden, bevor die Mandatsbeziehung offiziell endet. Gemäß § 10 RVG (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz) besteht die Pflicht, dem Mandanten eine solch ordnungsgemäße Abrechnung zur Verfügung zu stellen.
Übergabe an einen neuen Anwalt
Falls der Mandant/die Mandantin eine/n neue/n Anwalt/Anwältin beauftragt, gewährleisten Sie eine reibungslose Übergabe der Akten und Informationen. Stellen Sie sicher, dass der/die neue Vertreter/in alle notwendigen Unterlagen erhält und treffen Sie eine schriftliche Vereinbarung zur Übergabe. Dabei sollten Sie auch klären, ob und in welcher Form Sie noch als Zeuge oder Berater/in zur Verfügung stehen.
Welche Pflichten haben Sie sonst noch?
Bei der Beendigung der Mandantenbeziehung während eines laufenden Verfahrens müssen folgende rechtliche Aspekte beachtet werden:
Schweigepflicht
Sie als Anwalt/Anwältin bleiben auch nach der Beendigung des Mandats zur Verschwiegenheit verpflichtet. Dies umfasst alle Informationen, die im Rahmen der Mandatsbeziehung bekannt wurden. Die anwaltliche Verschwiegenheitspflicht ist in § 43a Abs. 2 BRAO (Bundesrechtsanwaltsordnung) festgeschrieben.
Haftung
Auch nach der Beendigung des Mandats können Sie als Anwalt/Anwältin für Pflichtverletzungen haftbar gemacht werden, die während der Mandatsbeziehung aufgetreten sind. Es ist wichtig, alle relevanten Unterlagen und Korrespondenzen aufzubewahren und im Falle von rechtlichen Auseinandersetzungen oder Nachfragen zur Verfügung zu stehen.
Rücknahme von Prozesserklärungen
Falls im Rahmen des Verfahrens bereits bestimmte Prozesserklärungen abgegeben wurden, müssen Sie klären, ob diese zurückgenommen oder angepasst werden müssen. Der/die neue Anwalt/Anwältin wird möglicherweise die Möglichkeit haben, Änderungen oder Ergänzungen vorzunehmen.
Praktische Tipps für einen reibungslosen Übergang
Um den Übergangsprozess so reibungslos wie möglich zu gestalten, sollten Sie als Anwalt/Anwältin folgende Tipps berücksichtigen:
- Klare Kommunikation: Halten Sie alle Beteiligten informiert und stellen Sie sicher, dass alle erforderlichen Schritte und Fristen eingehalten werden.
- Dokumentation: Dokumentieren Sie alle Schritte des Übergangsprozesses gründlich, einschließlich der Rückgabe von Unterlagen und der Regelung finanzieller Angelegenheiten.
- Zusammenarbeit: Arbeiten Sie eng mit dem/r neuen Anwalt/Anwältin zusammen, um sicherzustellen, dass diese/r alle notwendigen Informationen und Dokumente erhält.
Fazit
Das Ende einer Mandantenbeziehung während eines laufenden Falls erfordert ganz besonders sorgfältige Planung und Durchführung, um einen professionellen und reibungslosen Abschluss sicherzustellen. Durch präzise Kommunikation, detaillierte Dokumentation und die Einhaltung aller rechtlichen Verpflichtungen können Sie als Anwalt/Anwältin sicherstellen, dass der Übergang zu einem neuen Vertreter oder das Ende des Verfahrens ordnungsgemäß erfolgt. Ein respektvoller und transparenter Umgang während dieser Phase kann helfen, mögliche zukünftige rechtliche oder berufliche Beziehungen positiv zu beeinflussen und das Vertrauen zwischen allen Beteiligten zu wahren.