Klassischer Zankapfel zwischen Anwalt und Gericht: Wann muss ein Gericht einen Termin verlegen? Nicht umsonst greift die Rechtsprechung zahlreiche Einzelfälle auf. Nun gesellt sich eine Entscheidung des VGH Baden-Württemberg hinzu – anwaltsfreundlich ist sie erfreulicherweise auch noch (Beschl. v. 28.02.2025, Az. A 13 S 959/24). Sie betrifft speziell die Einzelkämpfer in Roben. Hat ein Einzelanwalt einen Urlaub gebucht, und rauscht später eine Ladung in sein elektronisches Anwaltspostfach, die genau in die Urlaubszeit fällt, darf er die Verlegung des Termins verlangen. Parallel zeigen jüngere Entscheidungen: Bei Verlegungen wegen Krankheit pochen die Gerichte weiterhin auf aussagekräftige Atteste.
Zeitverlust ist Gift für das Verfahren. Beschleunigungs- und Konzentrationsgebot im Verwaltungsrecht. Wirkt Anwalt ausreichend mit?
Der Anwalt des Klägers hatte bereits Ende Januar 2024 seinen Auslandsurlaub in den Pfingstferien gebucht. Genau in diese Urlaubszeit fiel nun eine Terminierung des VG Karlsruhe. Noch am selben Tag, als er die Ladung erhalten hatte (26.04.2024), bat der Anwalt schriftsätzlich, den Termin zu verlegen und legte eine Buchungsbestätigung vor. Das VG lehnte den Antrag ab. Der Anwalt machte sodann einen Verfahrensmangel geltend (Verletzung rechtlichen Gehörs; Art. 103 Abs. 1 GG) und hatte damit vor dem VGH Baden-Württemberg Erfolg (Beschl. v. 28.02.2025, Az. A 13 S 959/24).
Das Gericht muss zwar einen möglichst zügigen Verfahrensgang im Blick haben, da im Verwaltungsprozess eine Beschleunigung des Verfahrens gilt. Es soll möglichst nach einer einzigen mündlichen Verhandlung entschieden werden (Konzentrationsgebot; § 87 Abs. 1 VwGO). Aber direkte Vorwürfe einer Prozessverschleppung sind dann doch ein schweres Geschütz. Anhaltspunkte für eine solche Verschleppungsabsicht konnte der VGH hier nicht erkennen, zumal der Bevollmächtigte die Verlegung unverzüglich beantragt und damit seine Mitwirkungspflicht erfüllt hatte.
Hinweis
Selbst mehrere Anträge auf Terminsverlegung rechtfertigen nicht gleich den Verdacht, dass ein Anwalt eine auf Prozessverschleppung ausgerichtete Verteidigungsstrategie verfolgt, sofern sachliche Gründe für die Verlegungen glaubhaft gemacht sind (OLG Brandenburg, Beschl. v. 15.09.2022, Az. 1 OLG 53 Ss-OWi 322/22).
Ebenso gilt: Solche besonderen Umstände muss das Gericht dann auch im Einzelnen feststellen, wenn diese darauf hindeuten, dass Verlegungsanträge nur den Zweck haben, den Rechtsstreit zu behindern bzw. zu verzögern.
Einzelanwalt nicht in der Pflicht, eine Vertretung zu organisieren. Höhere Kosten und Vertrauensverhältnis sind zentrale Punkte
Anwälte müssen sich darum kümmern, dass Kollegen vertretungsweise Gerichtstermine wahrnehmen, wenn sie selbst abwesend sind. Allerdings findet diese grundsätzliche Zumutbarkeit ihre Grenze bei Einzelanwälten, die ihre Kanzleien ohne Kollegen am Laufen halten. Daher liegt bei einem Einzelanwalt, der aufgrund eines zum Zeitpunkt der Ladung bereits gebuchten Urlaubs verhindert ist, regelmäßig ein erheblicher Verlegungsgrund im Sinne des § 173 S. 1 VwGO, § 227 Abs. 1 S. 1 ZPO vor. Abgesehen von den entstehenden zusätzlichen Kosten einer Unterbevollmächtigung treten noch das bedeutende Vertrauensverhältnis zwischen Mandant und Rechtsanwalt und im weiteren Sinne das Recht auf freie Wahl des Anwalts hinzu, sodass eine Terminsverlegung zu gewähren ist.
§ 53 BRAO kein Stolperstein für Verlegung. Anwaltsvertretung muss grundsätzlich keine Gerichtstermine wahrnehmen.
Das VG vertrat die Ansicht, dass außerdem die Anwaltspflicht greife, sich um eine Vertretung gem. § 53 BRAO zu kümmern. Zwar verpflichtet das Berufsrecht einen Anwalt, sich eine Vertretung u.a. dann zu organisieren, wenn er sich länger als zwei Wochen von seiner Kanzlei entfernt. Das tat hier aber nichts zur Sache, denn angesichts eines zeitlich überschaubaren Pfingsturlaubs ist eine Verlegung nicht zu verweigern. Eine Urlaubsvertretung gem. § 53 BRAO ist nicht verpflichtet, Verhandlungstermine für den vertretenen Kollegen zu übernehmen, sofern sie nicht eilbedürftig sind.
Hinweis
Neben Urlaub gehören Erkrankungen oder Unfälle zu den häufigen Gründen von „Last-Minute-Verlegungen“. Hier entzündet sich der Streit häufig daran, wie gesundheitlich angeschlagen der Bevollmächtigte tatsächlich war. Selbst wenn Krankheiten der eigenen Kinder Grund für eine Terminsverlegung sind, stellt das Gericht hohe Anforderungen und will ärztliche Atteste sehen. So entschied jüngst der BFH: Leidet ein sechsjähriges Kind des Anwalts an Brechdurchfall, muss Art und Schwere der Erkrankung aus einem Attest hervorgehen, damit das Gericht erkennen kann, ob die Erkrankung derart schwer war, dass der Anwalt selbst an einem Videotermin nicht teilnehmen bzw. keine Betreuung des Kindes organisieren konnte (Beschl. v. 07.03.2025, XI B 11/24).
Gerichte verlangen bei Krankheit aussagekräftige Angaben. Achten Ärzte und Kliniken auf notwendige Kernsätze in Attesten?
Wird in Attesten eine Verhandlungsunfähigkeit des Anwalts nicht eindeutig und nachvollziehbar beschrieben, kann sich das Gericht schnell unzufrieden zeigen. Wer zudem direkt am Terminstag zum Arzt oder in die Klinik muss, sieht sich noch strengeren Anforderungen gegenüber, seinen Ausfall glaubhaft zu machen (OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 27.06.2024, 2 L 125/23.Z). Ohne ein detailliertes Attest geht dann nichts und Ärzte sollten auf eine darin dokumentierte Verhandlungsunfähigkeit hingewiesen werden, soweit es denn möglich ist.
Fazit
In „Urlaubsfällen“ wie hier kommt es darauf an, ob ein Einzelanwalt oder ein Anwalt mit Kollegen in einer Kanzlei betroffen ist. Ein Einzelanwalt hat regelmäßig Anspruch auf Verlegung. Ansonsten müssen direkt mit dem Verlegungsantrag die Gründe auf den Richtertisch, warum auch vorhandene Kollegen verhindert sind (Terminskollisionen) bzw. keine ausreichende Einarbeitungszeit haben, um den Termin vertretungsweise übernehmen zu können (BGH, Urt. v. 21.01.2025, Az. II ZR 52/24). Was krankheitsbedingte Terminsverlegungen – insbesondere am Terminstag – betrifft: Jüngere Entscheidungen bestätigen, dass Anwälte ohne hieb- und stichfeste Atteste mit Aussagen zur Verhandlungsunfähigkeit weiterhin schlechte Karten haben. Zudem besteht bei sehr kurzfristigen Anträgen eine Rückfragepflicht bei Gericht, ob der Antrag vorliegt und wie über ihn entschieden wird (Antrag bei Gericht eine Stunde vor Terminsbeginn; OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 24.01.2025, Az. 4 LA 83/24).