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Das Vermögensverzeichnis – Teil 3 2024_04

Besonderheiten verschiedener Verwertungsmöglichkeiten

I.

Die allgemeine Verwertung

Nach einer erfolgreichen Pfändung durch den Gerichtsvollzieher müssen die gepfändeten Gegenstände in Geld umgesetzt werden.

Grundsätzlich muss der Gerichtsvollzieher das Pfandstück nach §§ 816–819 ZPO auch ohne einen besonderen Auftrag öffentlich in Form einer Präsenzversteigerung verwerten (§§ 92 ff GVGA).

Hierbei gilt folgendes zu beachten:

Zwischen dem Tag der Pfändung und dem Tag der Versteigerung muss grundsätzlich eine Wartefrist von einer Woche liegen (§ 816 Abs. 1 ZPO).

Der Schuldner soll dadurch die Möglichkeit haben, durch Zahlung die Verwertung abzuwenden. Die Verwertung kann jedoch auch früher erfolgen, wenn

a) sich Gläubiger und Schuldner auf eine frühere Verwertung geeinigt haben (§ 92 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 GVGA)

oder

b) eine erhebliche Wertverringerung droht (§ 92 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 GVGA).

Anmerkung:

Verstößt der Gerichtsvollzieher gegen die Einhaltung der einwöchigen Wartefrist, ist die weitere Zwangsvollstreckung zwar wirksam, allerdings liegt dann eine Amtspflichtverletzung des Gerichtsvollziehers vor.

Ist der Versteigerungstermin öffentlich bekannt zu machen?

Ja.

Vor jeder Versteigerung vor Ort nach § 814 Abs. 2 Nr. 1 ZPO muss eine öffentliche Bekanntmachung erfolgen (§ 93 Abs. 1 Satz 1 GVGA). Bieter können sowohl Gläubiger als auch Eigentümer sein (§ 1239 Abs. 1 S. 1 BGB).

Wann erfolgt der Zuschlag?

Nur wenn mindestens die Hälfte des gewöhnlichen Verkaufswertes (Mindestgebot) erreicht ist, darf der Zuschlag erteilt werden (§ 817a Abs. 1 ZPO).

Wird der Zuschlag wegen Nichterreichens des Mindestgebotes versagt, bleibt das Pfandrecht des Gläubigers bestehen. Es kann jederzeit die Anberaumung eines neuen Versteigerungstermins oder die Anordnung der Verwertung der gepfändeten Sache gemäß § 825 ZPO beantragt werden.

II.

Verwertung durch das Internet

Seit einigen Jahren ist auch eine Versteigerung per Internet möglich (§ 814 Abs. 3 ZPO) und zwar unter

www.justiz-­auktion.de

Dieser Verwertungsplattform bedienen sich insbesondere die Gerichtsvollzieher, die Staatsanwaltschaft und der Zoll.

Interessenten wird hier die Möglichkeit geboten, für teilweise geringen finanziellen Aufwand alle möglichen Gegenstände, von Schmuck über Fahrzeuge jeglicher Art bis hin zum Röntgengerät, zu ersteigern.

III.

Besondere Art der Verwertung

Eine weitere Möglichkeit räumt § 825 ZPO ein, nämlich die besondere Art der Verwertung.

Ist nach Auffassung des Gerichtsvollziehers wegen der Art der gepfändeten Sachen bei einer Verwertung durch eine öffentliche Versteigerung kein angemessener Erlös zu erwarten, so soll er den Schuldner und den Gläubiger sofort auf die Möglichkeit der anderweitigen Verwertung (§ 825 Abs. 1 ZPO) aufmerksam machen.

Beispiel:

Der Schuldner ist Eigentümer und Halter eines Fahrzeugs vom Typ Lancia Musa, Baujahr 2008 mit einer Kilometerleistung von 59.000 km. Der Durchschnittspreis eines solchen Fahrzeugs liegt bei etwa 6.000,00 EUR. Der Gerichtsvollzieher hat dieses Fahrzeug gepfändet und stellt fest, dass sich eine Verwertung als außergewöhnlich schwierig gestaltet. Der Gerichtsvollzieher hat nun auf die Möglichkeit der anderweitigen Verwertung hinzuweisen.

Die Vorschrift des § 825 ZPO beinhaltet folgendes:

§ 825 ZPO Andere Verwertungsart

(1) Auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners kann der Gerichtsvollzieher eine gepfändete Sache in anderer Weise oder an einem anderen Ort verwerten, als in den vorstehenden Paragraphen bestimmt ist. Über die beabsichtigte Verwertung hat der Gerichtsvollzieher den Antragsgegner zu unterrichten. Ohne Zustimmung des Antragsgegners darf er die Sache nicht vor Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung der Unterrichtung verwerten.

(2) Die Versteigerung einer gepfändeten Sache durch eine andere Person als den Gerichtsvollzieher kann das Vollstreckungsgericht auf Antrag des Gläubigers oder des Schuldners anordnen.

Der Zweck dieser Vorschrift liegt darin, ausnahmsweise dann eine Verwertung der Pfandsache zu ermöglichen, wenn eine grundsätzlich erforderliche Versteigerung keinen dem wahren Sachwert entsprechenden Erlös erwarten lässt (BGHZ 119, 77; LG Freiburg DGVZ 1982, 186).

Der Gerichtsvollzieher darf in diesem Fall das Pfandstück ohne jegliche Anordnung des Vollstreckungsgerichtes nach §§ 764, 802 ZPO ausnahmsweise anderweitig verwerten, wenn

a) eine Einigung zwischen Gläubiger und Schuldner über die besondere Art der Verwertung stattgefunden hat,

b) ein Antrag des Gläubigers oder auch des Schuldners über die besondere Art der Verwertung nach § 97 Nr. 3 GVGA erfolgt.

Besteht eine Hinweispflicht des Gerichtsvollziehers?

Ja.

Der Gerichtsvollzieher darf und muss gemäß § 91 Abs. 1 S. 3 GVGA einen solchen Antrag anregen (Anders/Gehle, ZPO-Kommentar, 82. Aufl. 2024, § 825 Rd. Nr. 8).

Wer ist für diesen Antrag zuständig?

Zuständig ist der Gerichtsvollzieher, in dessen Bezirk sich das Pfandstück befindet.

Muss eine Anhörung des Schuldners zur beabsichtigten Verwertung erfolgen?

Ja.

Beantragt eine der Parteien nach § 825 Abs. 1 ZPO eine Verwertung der Sache in anderer Weise oder an einem anderen Ort, hat der Gerichtsvollzieher den Schuldner über alle Einzelheiten der beabsichtigten anderweitigen Verwertung, insbesondere den Mindestpreis, zu unterrichten und belehrt ihn, dass er die Sache ohne Zustimmung des Schuldners nicht vor Ablauf von zwei Wochen nach Zustellung der Unterrichtung verwerten wird (§ 91 Abs. 1 S. 4 GVGA).

Nach der Zustimmung des Schuldners oder spätestens nach Ablauf der vorgenannten Frist führt der Gerichtsvollzieher die anderweitige Verwertung durch – es sei denn, der Schuldner hat eine Einstellungsanordnung des Vollstreckungsgerichtes erwirkt.

Der Antrag kann

  • schriftlich,

  • mündlich,

  • zu Protokoll des Gerichtsvollziehers,

  • elektronisch gemäß §§ 130a-d ZPO

gestellt werden.

Welche Bedeutung hat die besondere Verwertung für den Gläubiger?

Die Praxis zeigt, dass Schuldner häufig vermögenslos oder nur Eigentümer dieses einen pfändbaren Gegenstandes sind.

Das Interesse an einer Übereignung könnte z.B. bestehen bei

  • Kfz.-Betrieben am Fahrzeug des Schuldners, weil die kostenintensiven Arbeiten an dem Fahrzeug durch den Schuldner nicht bezahlt wurden oder

  • dem Gläubiger, der Jäger ist, an dem Jagdgewehr des Schuldners oder

  • einem Reiterhof an dem Reitpferd der Schuldnerin, weil sie die erheblichen Einstellkosten für mehrere Monate nicht bezahlt hat oder

  • einem Abschleppunternehmen an dem Fahrzeug des Schuldners, weil die Abschleppkosten und Standgebühren nicht beglichen wurden oder

  • dem Gläubiger, weil er Interesse an dem Fahrzeug des Schuldners hat.

In diesem Fall hat der Vollstreckungs- und Übereignungsantrag wie folgt zu lauten:

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Beispiel: Anlage zu Modul L

Es ist das Fahrzeug des Schuldners vom Typ Lancia Musa, Kennzeichen …, abgestellt in …. zu pfänden. Der Gläubiger wird nach der Pfändung einen Antrag auf besondere Art der Verwertung gemäß § 825 ZPO stellen.

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Beispiel: Anlage zu Modul O

Nach erfolgter Pfändung ist das Fahrzeug vom Typ Lancia Musa gemäß § 825 ZPO unter Anrechnung auf die Forderung dem Gläubiger zu übereignen, da die Übereignung den höchsten Verkaufswert darstellt (LG Koblenz MDR 1981, 256).

Kann der Gerichtsvollzieher den Verkehrswert nicht schätzen, muss er eine Bewertung durch einen Sachverständigen erwägen. Die Kosten für das Sachverständigengutachten sind gemäß § 788 ZPO notwendige Kosten der Zwangsvollstreckung.

Nach der Übereignung ist der Gläubiger in Höhe des angerechneten Wertes befriedigt.

Der Übereignungsbeschluss sieht wie folgt aus:

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Darf der Gerichtsvollzieher auch persönlich ersteigern?

Nein.

Bei der Verwertung dürfen der Gerichtsvollzieher und die von ihm zugezogenen Gehilfen weder für sich (persönlich oder durch einen anderen) noch als Vertreter eines anderen kaufen (§§ 450, 451 BGB). Der Gerichtsvollzieher darf auch seinen Angehörigen und den bei ihm beschäftigen Personen das Mitbieten nicht gestatten (§ 91 Abs. 6 GVGA).

Welche anderen Personen dürfen gegebenenfalls ersatzweise mit der Versteigerung beauftragt werden?

Das Vollstreckungsgericht kann die Versteigerung bei besserer Erfolgsaussicht unter Beachtung aller Interessen durch

  • Kunsthändler,

  • gewerbsmäßige Versteigerer,

  • Notare

anordnen.

Die vorgenannten Personen treten dann grundsätzlich an die Stelle des Gerichtsvollziehers, sind jedoch an die für den Gerichtsvollzieher geltenden Vorschriften gebunden, nicht jedoch an die GVGA.

Auswertung der Vermögensauskunft

Hier geht es nun weiter mit der Auswertung der Vermögensauskunft.

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Unter „weitere Sachen von Wert“ sind, wie in Ziffer 8 der Vermögensauskunft ausgeführt, z.B.

  • Gartenhäuser, die nicht der ständigen Unterkunft dienen,

  • Behelfsheime,

  • Verkaufsstände,

  • wertvolle Haustiere,

  • Viehbestände,

  • Zuchttiere,

  • Reitpferde.

Sicherlich sind die vorgenannten Sachen grundsätzlich pfändbar. Dazu später mehr.

Die Aufzählung in Ziffer 8 der Vermögensauskunft ist aber nur beispielhaft, mithin ergänzbar. Wertvolle Gegenstände können in der heutigen Zeit auch z.B. Photovoltaikanlagen sein.

Hierzu einige Ausführungen.

Die erste Frage, die sich stellt: Woher weiß der Gläubiger, dass der Schuldner eine Photovoltaikanlage hat? Da diese in Ziffer 8 der Vermögensauskunft nicht explizit aufgeführt ist, wird sich der Schuldner bei Abgabe der Vermögensauskunft hieran sicherlich nicht erinnern. Aus diesem Grunde bietet es sich an, bereits im Vollstreckungsauftrag an den Gerichtsvollzieher eine Zusatzfrage zu stellen:

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Beispiel: Anlage zu Modul Q

Sofern der Schuldner über eine Photovoltaikanlage verfügt, hat dieser anzugeben, an welchen Netzanbieter er den erzeugten Strom liefert (Begründung: etwaige Pfändung des Anspruchs gegenüber dem Energieversorger).

Ist der Gerichtsvollzieher verpflichtet, diese Frage zu beantworten?

Ja.

Die Vorschriften der §§ 58 Abs. 2, 136 Abs. 1 S. 3 GVGA dokumentieren, dass der Gerichtsvollzieher auf Wünsche des Gläubigers eingehen muss.

Da zusätzliche Fragen sachdienlich sein müssen (LG Essen, Beschl. v. 29.8.2008, 16 a T 69/08, JurBüro 12/2008, 666), sollte zur Vermeidung von Zwischenfragen des Gerichtsvollziehers sogleich eine kurze Begründung der Frage erfolgen.

Die fest auf dem Dach befindliche Anlage ist in der Regel nicht pfändbar wohl aber die Vergütung für die erzeugte Energie. Hierzu stellen sich mehrere Fragen:

Ist der Netzanbieter verpflichtet, den erzeugten Strom abzunehmen?

Ja.

Gemäß §§ 5, 8 und 16 EEG ist der Netzanbieter verpflichtet, die erzeugte Energie abzunehmen.

Wie erfolgt die Pfändung dieses Anspruchs?

Gemäß § 829 ZPO unterliegen Geldforderungen – wie hier der Anspruch gegen den Netzanbieter – nach den Vorschriften der §§ 828 ff. ZPO der Pfändung.

Der Antrag auf Erlass eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses könnte wie folgt aussehen:

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Beispiel: Anlage zu Modul K:

Gepfändet wird die derzeitige und künftige Vergütung für die Energieeinspeisung, insbesondere von Strom nach dem Erneuerbare-Energie-Gesetz (EEG).

Ausblick

Um die weiteren Pfändungsmöglichkeiten zu Ziffer 8 der Vermögensauskunft wird es im Infobrief 05/2024 gehen. Außerdem wird die Reihe der umfassenden Auswertung der Vermögensauskunft – stets unter Verwendung der neuen ZV-Formulare – kontinuierlich fortgesetzt.

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