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Das Rechtsschutzbedürfnis für einen Durchsuchungsbeschluss trotz vom Schuldner geleistete eidesstattliche Versicherung/Vermögensauskunft

In der Praxis kommt es immer wieder zu der Fallgestaltung, dass der Schuldner im Rahmen der Sachpfändung einer Durchsuchung widerspricht, sodass der Gläubiger zur Durchführung der Sachpfändung auf eine richterliche Durchsuchungsanordnung gemäß § 758a ZPO angewiesen ist.

In einer aktuellen Entscheidung des LG München I vom 17.2.2023, 16 T 1114/23 musste sich dieses im Rahmen eines Beschwerdeverfahrens mit der Frage beschäftigen, ob womöglich ein Rechtschutzbedürfnis für eine Durchsuchungsanordnung entfallen sein könnte, wenn umgekehrt der Schuldner bereits die eidesstattliche Versicherung/Vermögensauskunft geleistet hat und dort keine nennenswerten pfändbaren körperlichen Sachen angegeben hat.

Ausgangsfall:

Im Vorfeld hatte sich das AG München mit Beschl. v. 14.12.2022, 1509 M 6294/22 auf den Standpunkt gestellt, dass es kein Rechtsschutzbedürfnis für einen Durchsuchungsbeschluss bestehe, weil der Schuldner bereits die Vermögensauskunft geleistet hat, dort keine nennenswerten pfändbaren körperlichen Sachen vom Schuldner offenbart wurden und die Richtigkeit dieser Angaben schließlich an Eidesstatt versichert wurde, was den Aussagen des Schuldners ein besonderes Gewicht verleihen würde. In diesem Fall müsste der Gläubiger darlegen und glaubhaft machen, dass sehr wohl pfändbare Gegenstände in der Wohnung wären und dafür die Durchsuchungsanordnung erforderlich wird. Da dies der Gläubiger nicht darlegen konnte, wurde der Antrag auf Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses zurückgewiesen.

Gegen diese in der Sache abwegige Entscheidung hatte der Gläubiger sofortige Beschwerde zum LG München I eingelegt. Daraufhin wurde der Beschluss des AG München aufgehoben und das AG angewiesen, den vom Gläubiger beantragten Durchsuchungsbeschluss zu erlassen.

Begründung:

Das Landgericht München I hat seine Entscheidung wie folgt begründet:

(Redaktionelle Anmerkung: Die Entscheidungsgründe wurden wörtlich so übernommen.)

I.

Die sofortige Beschwerde des Gläubigers vom 2.2.2023, bei Gericht eingegangen am 2.1.2023, gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 14.12.2022, dem Gläubiger zugestellt am 4.1.2023, ist zulässig und in der Sache auch begründet. Abzustellen ist bei der Prüfung der Begründetheit auf den Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung (vgl. § 571 I ZPO). Danach liegen die Voraussetzungen für den Erlass einer richterlichen Durchsuchungsanordnung gem. § 758a I Satz 1 ZPO aber nunmehr vor.

Insbesondere hat die Gläubigerseite am 14.2.2023 den Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung unter Verwendung des gem. § 758a VI ZPO vorgeschriebenen Formulars gem. §§ 130d Satz 1, 130a ZPO als elektronisches Dokument bei Gericht eingereicht. Diese ist gem. § 130a III ZPO, wie erforderlich, mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der Rechtsanwältin W. versehen.

Der Gläubiger verfügt mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts München I vom 16.12.2021, Az: 3 O 8205721 auch über einen gem. § 794 I Nr. 2 ZPO zur Zwangsvollstreckung geeigneten Titel. Die vollstreckbare Ausfertigung des Kostenfestsetzungsbeschlusses befindet sich im Original bei der hiesigen Akte. Auf ihr ist auch eine Bescheinigung der Geschäftsstelle gem. § 169 I ZPO angebracht, dass der Kostenfestsetzungsbeschluss dem hiesigen Schuldner am 17.12.2021 zugestellt wurde. Dies stellt einen ausreichenden Nachweis für die Zustellung dar (vgl. Seibel in Zöller, 34. Aufl., Rn 17 zu § 750 ZPO). Die allgemeinen Voraussetzungen des § 750 I ZPO für den Beginn der Zwangsvollstreckung sind damit gegeben.

Es besteht auch ein Rechtsschutzbedürfnis für die beantragte Durchsuchungsanordnung, da der Schuldner, wie sich aus den glaubhaften Angaben des Obergerichtsvollziehers S. ergibt und der Schuldner auch nicht bestritten hat, am 10.6.2022 einer Durchsuchung seiner Wohnung durch den Obergerichtsvollzieher zum Zwecke der Auffindung pfändbarer Gegenstände widersprochen hat. –

Die Durchsuchung ist entgegen der Auffassung des Amtsgerichts zudem verhältnismäßig. Zwar entspricht eine Durchsuchung dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz dann nicht, wenn sie überflüssig ist, weil ohnehin keine verwertbaren Gegenstände vorhanden sind (vgl. Seibel in Zöller, 34. Aufl., Rn 17 zu § 758a ZPO). Die Annahme, dass keine verwertbaren Gegenstände vorhanden sind ist aber nur gerechtfertigt, wenn hierfür konkrete Anhaltspunkte vorliegen (vgl. Seibel in Zöller, 34. Aufl., Rn 17 zu § 758a ZPO). Dafür reicht aber der Umstand, dass sich nach der von Schuldner abgegebenen Vermögensauskunft in seinem Eigentum keine der Pfändung unterliegenden Sachen bzw. nur Sachen ohne oder von nur geringem Wert befinden, ebenso wenig aus wie der Umstand, dass sich aus den vom Gerichtsvollzieher gem. § 802f I ZPO erholten Drittauskünfte keine Hinweise auf Vermögenswerte des Schuldners ergeben haben. Denn auch wenn im Hinblick auf die mit einer falschen Vermögensauskunft verbundene Strafandrohung eine gewisse Wahrscheinlichkeit für die Richtigkeit und Vollständigkeit der darin enthaltenen Angaben des Schuldners spricht, muss sich der Gläubiger hierauf nicht verlassen und ist daher nicht an der Durchführung weiterer Vollstreckungsmaßnahmen gehindert.

II.

1. Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 91 I ZPO.

2. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 574 I Satz 1 Nr. 2, II ZPO nicht zuzulassen, da die vorliegende Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts nicht erforderlich ist. Es ging um eine reine Einzelfallentscheidung.

Auswirkungen der Entscheidung für die Praxis:

Die ursprüngliche Entscheidung des AG München und die dort vertretenen Rechtsansichten zum Rechtsschutzbedürfnis wären für die künftige Beantragung von Durchsuchungsbeschlüssen fatal gewesen.

Im Ergebnis hätte dies dazu geführt, dass letztlich eine Beantragung eines Durchsuchungsbeschlusses nicht mehr möglich gewesen wäre, wenn der Schuldner im Rahmen der Vermögensauskunft an Eidesstatt versichert, dass keine wertvollen körperlichen Sachen vorhanden sind. Auch hätte das AG München es indirekt dem Schuldner überlassen zu entscheiden, welche Gegenstände dieser als werthaltig einstuft und deshalb im Vermögensverzeichnis benennt oder eben auch nicht.

Völlig außer Acht gelassen hat das AG München auch, dass ein Einwand des Schuldners zur Durchsuchungsverweigerung sicherlich nicht sein kann, dass seiner Meinung nach keine pfändbaren Gegenstände in der Wohnung sind. Diese Frage ist vom Gerichtsvollzieher im Wege der Sachpfändung zu beurteilen.

Insoweit ist die Entscheidung des LG München I vom 17.2.2023 völlig korrekt, der Sichtweise des AG München eine klare Absage erteilt und aus Gläubigersicht zu begrüßen.

Mit dieser Frage hat sich bereits auch umfangreich das LG Schwerin mit Beschl. v. 6.10.2008, 5 T 288/08 auseinandergesetzt und kam zu dem Ergebnis, dass bei dem Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses eine Interessenabwägung stattzufinden hat und diese beim Gläubiger größeres Gewicht hat. Denn es bleibt nach Auffassung des LG Schwerin dem Schuldner unbenommen, freiwillig dem Gerichtsvollzieher Zutritt zu seiner Wohnung zu gestatten.

In dem vom LG München I entschiedenen Fall hat der Schuldner geradezu grundlos und ohne Angabe von konkreten Gründen dem Gerichtsvollzieher den Zutritt zur Wohnung nicht gestattet.

Fazit:

Das LG München I hat sich also klar positioniert: Die Abgabe der Vermögensauskunft und die grundlose Durchsuchungsverweigerung durch den Schuldner lässt das Rechtsschutzbedürfnis für einen Antrag auf Erlass einer Durchsuchungsanordnung nicht entfallen.

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