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Einstweilige Verfügung

I.

Einstweilige Verfügung bezüglich eines Streitgegenstandes (§§ 935 ff. ZPO)

Geht es nicht um Geld und muss etwas sehr schnell geregelt werden, ist meist die einstweilige Verfügung die zu treffende Maßnahme. Neben dem Arrest (§§ 916-934 ZPO) ist die einstweilige Verfügung die zweite Sicherungsform im sogenannten einstweiligen Rechtsschutzverfahren.

Im Gegensatz zum Arrest, der stets auf eine Geldforderung gerichtet ist (§ 916 ZPO), zielt die einstweilige Verfügung der Sicherung des Anspruchs

  • auf eine gegenständliche Leistung, die sogenannten Sicherungsverfügung, und zum anderen

  • auf die Regelung eines einstweiligen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis, der Regelungsverfügung.

Für die Anordnung der einstweiligen Verfügungen und das weitere Verfahren gelten gemäß § 936 ZPO die Arrestvorschriften, sofern die §§ 935 ZPO nicht abweichende Vorschriften beinhalten.

Die einstweilige Verfügung ist systematisch bewusst nach dem Arrest geregelt, da sie nur greift, wenn Arrestgründe nicht in Betracht kommen.

Zum Anspruch muss ein Verfügungsgrund hinzutreten. Begründet ist der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung, wenn Verfügungsanspruch und Verfügungsgrund glaubhaft gemacht sind.

Anmerkung:

Im Gegensatz zum Beweis, bei dem das Gericht von der Richtigkeit überzeugt werden muss, reicht bei einer Glaubhaftmachung überwiegende Wahrscheinlichkeit (§ 294 ZPO)

Ein Verfügungsanspruch ist jeder zivilrechtliche Individualanspruch, der im Hauptverfahren durchgesetzt werden kann. Es darf sich aber nicht um eine Geldforderung handeln, da hierfür der Arrest vorgesehen ist.

Verfügungsansprüche zielen demgemäß auf

  • handeln,

  • dulden,

  • unterlassen

ab. Der Rechtsgrund kann sich aus schuld-, sachen-, familien- oder erbrechtlichen Ansprüchen ergeben (ZPO-Kommentar Anders/Gehle, 80. Auflage 2022, § 935 Rn 3).

Beispiele für Verfügungsansprüche:

  • das Begehren des Gläubigers auf Bewilligung einer Vormerkung oder einer Bauhandwerkersicherungshypothek,

  • Duldungsanspruch,

  • Rückgabe eines geleasten Kraftfahrzeugs nach Vertragsende,

  • Geltendmachung des Vermieterpfandrechts,

  • Herausgabeanspruch aufgrund einer Sicherungsübereignung,

  • Zulassung eines Sportvereins zur Bundesliga,

  • Unterlassung einer Wettbewerbsverletzung.

Auch muss der Verfügungsgrund vorhanden sein. Es handelt sich hierbei um eine von Amts wegen zu prüfende Prozessvoraussetzung.

Achtung:

Der Erlass einer einstweiligen Verfügung muss für den Gläubiger so eilbedürftig sein, dass ohne eine Sofortmaßnahme die Durchsetzung des Verfügungsanspruchs vereitelt oder wesentlich erschwert würde.

Der Verfügungsgrund liegt also nur dann vor, wenn dem Antragsteller ohne die beantragte einstweilige Regelung eine konkrete, schwerwiegende Beeinträchtigung seiner rechtlichen Interessen droht (Hamm NZG 2020, 986; LG Karlsruhe NJW-RR 2021, 882 Rn 36).

Außerdem spielt die Gefährdung eine große Rolle. Die den Verfügungsgrund prägende Gefährdung setzt voraus, dass eine bestehende Zustandsveränderung droht.

Beispiele:

  • wenn der Schuldner z.B. einen Doppelverkauf plant,

  • wenn einer schlecht verwahrten Sache ihre Vernichtung droht,

  • wenn der Schuldner Wohnungsinventar wegschaffen will, obwohl es dem Vermieterpfandrecht unterliegt,

  • bei geplanter Zerstörungsabsicht.

Welches Gericht ist für die einstweilige Verfügung zuständig?

Zuständig ist das Gericht der Hauptsache (§ 937 ZPO). Da es sich um ein Eilverfahren handelt, sieht das einstweilige Verfügungsverfahren eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss vor. Kommt es zu einem Termin, endet das Verfahren mit einem Urteil.

Inhalt und Auswirkung der einstweiligen Verfügung:

Dem Gegner kann auf schnellstem Wege etwas geboten oder verboten werden.

Beispiele:

  • Herausgabe einer geleasten Sache an den Leasinggeber,

  • Herausgabe des Reisepasses, den der Schuldner dem Gläubiger als Sicherheit gab,

  • Gebot, einen Vorgang zum Handelsregister anzumelden, etwa den Eintritt der Abwicklung einer Firma,

  • Verbot, den Gewerbebetrieb des Antragstellers zu stören,

  • Herausgabe von Buchhaltungsunterlagen an den Insolvenzverwalter.

Das Verfügungsgericht darf also tatsächliche oder rechtliche Handlungen jeder Art gebieten oder verbieten.

II.

Einstweilige Verfügung zur Regelung eines einstweiligen Zustandes (§§ 940 ff. ZPO)

Mit Abstand die häufigste Form der einstweiligen Verfügung ist die Regelung eines Zustandes. Hier dient die einstweilige Verfügung weniger der künftigen Verwirklichung eines Anspruchs, sondern vielmehr der Regelung zur Sicherung eines Rechtsfriedens. Deshalb wird diese Art der einstweiligen Verfügung auch als Regelungsverfügung bezeichnet.

Hier ist die Dringlichkeit der Verfügungsgrund. Für den Antrag genügt jedes ernstliche Bedürfnis des Gläubigers.

Die Dringlichkeitsfrist beginnt, wenn der Antragsteller Kenntnis von der Verletzungshandlung und dem hierfür Verantwortlichen hat und alle Informationen und Glaubhaftmachungsmittel besitzt, um mit Aussicht auf Erfolg den Erlass einer einstweiligen Verfügung beantragen zu können.

Es kann an der Dringlichkeit fehlen, wenn nicht innerhalb eines Monats nach Kenntnis der Gründe der Verfügungsantrag gestellt wird (Ffm NJOZ 2021, 59). Bei einem Unterlassungsanspruch hat der Antragsteller grundsätzlich auch die Wiederholungsgefahr glaubhaft zu machen.

Achtung:

Die Dringlichkeitsfrist beginnt nicht mit dem Kenntnisstand des Anwaltes, sondern derjenigen der Partei!

Beispiele für Gründe:

  • Zutrittsverbot (Düsseldorf FamRZ 1992, 663; Köln VersR 1997, 468),

  • Sicherung eines einsturzgefährdeten Hauses,

  • Unterlassung ehrverletzender Äußerungen (Ffm NJW-RR 2005, 54),

  • Ausübung verbotener Eigenmacht bzw. Aneignung (Saarbrücken MDR 2003, 1198),

  • Zugang des Energieversorgers zum Netz (LG Dortmund GRUR-RR 2001, 44),

  • Untersagung des Besuches eines Inkassobüros (AG Kamen NJW 2004, 3639),

  • Gebot, den Zutritt zum Heizungskeller zu verschaffen, auch im Sommer (AG Münster WoM 1987, 256),

  • Verbot, dem Mieter das Haustürschloss auszutauschen,

  • Gebot an den Vermieter, für störungsfreie Beheizung zu sorgen (AG Bochum, WoM 2013, 351),

  • Gebot der Unterlassung,

  • Verbot des Absperrens der Wasserversorgung,

  • nächtliche Tiergeräusche (Ffm NJW-RR 1987, 1166; AG Hamburg-Wandsbek ZMR 2002, 130).

Welches Gericht ist zuständig?

Zuständig ist das Amtsgericht der belegenen Sache. In dringenden Fällen kann das Amtsgericht, in dessen Bezirk sich der Streitgegenstand befindet, eine einstweilige Verfügung erlassen (§ 942 ZPO).

Muster eines Antrages auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

An das Amtsgericht

26382 Wilhelmshaven

Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung

des Herrn Uwe Janssen, Gökerstraße 231 a, Wilhelmshaven

Antragsteller

Verfahrensbevollmächtigter: Rechtsanwalt Heinrich Advocatus, Bismarckallee 2, Wilhelmshaven,

gegen

Herrn Heinrich Müller, Graf-Ulrich-Weg 71, Wilhelmshaven

Namens und im Auftrag meines Mandanten beantrage ich,

auf dem Wege der einstweiligen Verfügung anzuordnen, dass der Antragsgegner dem Antragsteller den Zugang zu der im Keller des Antragsgegners befindlichen Heizungstherme, die die Wärmeversorgung des gesamten Hauses vornimmt, zu Wartungszwecken zuzulassen.

Begründung:

Der Antragsteller ist Eigentümer des Mehrfamilienhauses in Wilhelmshaven, Graf-Ulrich-Weg 71. Der Antragsgegner ist Mieter der sich links im Erdgeschoss des Hauses befindlichen Wohnung.

Beweis: der Mietvertrag vom …

Im Keller des Antragsgegners, der zur Wohnung des Antragsgegners gehört, befindet sich die Heizungstherme, die für die Wärmeversorgung des gesamten Hauses zuständig ist.

Es sind trotz permanenter Wartungen Abgasprobleme in der Form aufgetaucht, dass es verstärkt im gesamten Haus nach Abgasen riecht.

Der Antragsteller verlangte schriftlich vom Antragsgegner den Zugang zur Heizung.

Beweis: das Schreiben vom …

Der Antragsgegner verweigert durch mündliche Erklärung gegenüber dem Antragsteller und weiteren Mietern den Zugang grundlos.

Beweis: Zeugnis …

beigefügte Eidestattliche Versicherung des Antragstellers

Der etwaige vorhandene Schaden muss dringend behoben werden, so dass zur Abwehr weiteren Schadens die Eilbedürftigkeit gegeben ist, so dass antragsgemäß zu entscheiden ist.

Rechtsanwalt.

Genauso wie der Arrest erfolgt die Vollziehung (§§ 936, 928, 929 ZPO) der einstweiligen Verfügung durch Zustellung an den Gegner. Die Frist beträgt einen Monat. Die Frist beginnt mit der Zustellung an die Kanzlei oder Aushändigung an den Gläubiger.

In der Regel erhält die Kanzlei den Beschluss vom Gericht zugestellt, der sodann durch den Gerichtsvollzieher dem Gegner zugestellt werden muss. Nur die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher lässt den Vollzugswillen des Gläubigers eindeutig erkennen. Eine Zustellung von Amts wegen, also durch das Gericht würde nicht ausreichen!

Auch dem Gerichtsvollzieher ist klar, dass einstweilige Verfügungen sehr eilbedürftig sind, so dass in der Praxis der Erhalt durch das Gericht und die Zustellung durch den Gerichtsvollzieher noch am selben Tag erfolgen kann.

Die einstweilige Verfügung bedarf in der Regel keiner Vollstreckungsklausel. Diese wäre lediglich bei der Rechtsnachfolge erforderlich.

Zusammenfassung:

Da einstweilige Verfügungen oder Arreste, die in der Regel oder glücklicherweise nicht täglich vorkommen, absolute Eilverfahren sind, haben sie Vorrang vor allen anderen Bürotätigkeiten, es sei denn, die Chefin/der Chef wünschen eine andere Reihenfolge.

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