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Zwangsvollstreckung in der Corona-Krise

Die allgemeine Krisensituation im Land oder besser auf der Welt macht auch vor den Gerichten und damit auch nicht vor der Zwangsvollstreckung halt. So teilte beispielsweise das Amtsgericht Berlin-Wedding bereits Mitte März 2020 mit, dass es aufgrund der Corona-Problematik nicht mehr in der Lage sein wird, Schriftsätze an die Gegenpartei weiterzuleiten, und ersuchte Vergleichsverhandlungen direkt zwischen den Parteivertretern abzustimmen. Ob gleichwohl eine Vergleichsprotokollierung im Sinne des § 278 Abs. 6 ZPO sodann möglich wäre, ließ das Amtsgericht Berlin-Wedding offen. Nun stellt sich die Frage, ob man aus dem womöglich noch gerichtlich protokollierten Vergleich überhaupt aufgrund der aktuellen Situation die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Die Antwort muss vage ausfallen und wird ähnlich wie die sonstigen persönlichen und beruflichen Lebensumstände von Tag zu Tag neu zu beantworten sein, zumal praktisch jedes Bundesland eigene Regelungen aufstellt. Im Moment fällt auf, dass die Bearbeitungszeiten beim Vollstreckungsgericht deutlich länger dauern, wohl auch, weil Personal knapp ist bzw. im Schichtensystem gearbeitet wird. Erfreulich ist jedoch, dass noch gearbeitet wird!

Besonders problematisch und vor allem für die Kanzlei haftungsträchtig sind die verzögerten Bearbeitungszeiten in den Fällen, in denen noch ein vorläufiges Zahlungsverbot in Auslauf gebracht wurde und es wohl eher aussichtslos erscheint, binnen der Monatsfrist des § 845 ZPO, die wirksame Pfändung platzieren zu können. Anders als beispielsweise in Spanien, wo die spanische Regierung den nationalen Alarmzustand für das gesamte spanische Hoheitsgebiet bis vorerst zum 11.4.2020 ausgesprochen hat und damit für sämtliche Verfahrensfristen eine Aussetzung gilt, laufen nach derzeitigem Stand in Deutschland sämtliche gesetzlichen Fristen weiter. Dies bedeutet in der Praxis, dass auf Seiten des Rechtsdienstleisters erhebliches Haftungspotential besteht, da er hier für die Einhaltung der Frist Sorge zu tragen hat, auch wenn auf Gerichtsseite erhebliche Verzögerungen bestehen oder gar der Geschäftsbetrieb zum Erliegen kommt.

Das gleiche gilt letztlich auch im Bereich der Gerichtsvollziehervollstreckung. Im Moment werden kaum Termine zur Abgabe der Vermögensauskunft abgehalten und hat nach Auskunft eines Münchner Gerichtsvollziehers das OLG München angeordnet, dass derzeit keine Zwangsvollstreckungen durchzuführen sind. Es bleibt zu hoffen, dass dieses nur tatsächlich reine Zwangsvollstreckungshandlungen betreffen soll und nicht auf die Zustellungen ausgedehnt wird. Denn würde auch das Zustellungsrecht durch die Gerichtsvollzieher ohne gleichzeitige Anordnung der Aussetzung von gerichtlichen Fristen derart eingeschränkt werden, wäre es praktisch dem Gläubiger unmöglich, Vollziehungsfristen einzuhalten oder eben auch die Bewerkstelligung der fristgerechten Zustellung der Pfändung an den Drittschuldner zu bewirken. Auch die alternative Zustellung per Postzustellungsurkunde wäre für den Gläubiger keine vollends befriedigende Lösung, da gerade die Aufforderung zur Abgabe der Drittschuldnererklärung postalisch nicht möglich ist. Auch sollte dem Ansinnen einzelner Gerichtsvollzieher/innen dahingehend, Aufträge unerledigt aufgrund der Corona-Problematik einfach an den Gläubiger zurückzusenden, notfalls mit dem Erinnerungsverfahren entgegengewirkt werden. Es wäre nicht einzusehen, weshalb der Gläubiger den Vollstreckungsauftrag mehrfach in gewissen Zeitabständen erteilen sollte, wenn doch der Gerichtsvollzieher „an der Quelle“ hinsichtlich des Fortschreitens der Zwangsvollstreckung sitzt. Völlig unberücksichtigt bliebe bei einer derartigen Vorgehensweise auch die Schaffung der Voraussetzungen des Neubeginns der Verjährung im Sinne des § 212 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Schon aus Haftungsgründen sollte der Gläubiger auf eine Annahme und Verbleib des Vollstreckungsauftrages beim Gerichtsvollzieher bestehen. Bereits jetzt kann man aber im Ergebnis festhalten, dass man die Mandanten auf erhebliche Bearbeitungszeiten einstellen muss und wohl auch die Vollstreckungsergebnisse etwas nachlassen werden.

Aber bedenken Sie, jede Krise geht einmal zu Ende und deshalb: Bleiben Sie gesund und trotz aller Widrigkeiten wissbegierig!

Haben Sie auch bereits „Corona-Erfahrungen“ im Bereich der Zwangsvollstreckung gesammelt? Dann schreiben Sie uns gerne.

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