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Strategische Titulierung als Grundstein einer erfolgreichen Zwangsvollstreckung

Oftmals wird verkannt, dass die tragenden Säulen einer erfolgreichen Zwangsvollstreckung und damit die Durchsetzung der Ansprüche des Gläubigers in der klugen und strategischen Titulierung liegen. Ehrlicherweise muss man sagen, dass bereits zu Beginn des Mandats mit dem Worst-Case-Fall Zwangsvollstreckung oder sogar in der Steigerung mit der Insolvenz des Schuldners gerechnet werden muss. Unter dieser Prämisse hat nach dem Verständnis des Verfassers sowohl die außergerichtliche, aber auch in der Folge die prozessuale Mandatsbearbeitung zu erfolgen. Letztlich stellen zwei tragende Säulen den Kernpunkt der Mandatsbearbeitung, gerichtet auf eine erfolgreiche Realisierung des Anspruchs des Gläubigers, dar:

Säule 1 – Minimierung des Ausfallrisikos

1. Schuldnermehrheit

Das Ausfallrisiko des Gläubigers kann dadurch minimiert werden, dass die Haftung für die Forderung auf mehreren Schultern, also mehreren Schuldnern, verteilt wird. Dabei ist es gar nicht so selten, dass gesamtschuldnerische Haftungstatbestände bestehen. Jedoch wird gleichwohl in der Praxis verabsäumt, auch sämtliche mögliche Schuldner mit in Anspruch zu nehmen. Nachfolgende Praxisbeispiele sollen gesamtschuldnerische Haftungstatbestände auszugsweise verdeutlichen:

Beispiel GbR:

Nach der Entscheidung des BGH (Urt. v. 29.1.2001 – II ZR 331/00) ist die GbR rechtsfähig und damit parteifähig. Somit kann und soll die GbR selbst in Anspruch genommen werden, vertreten durch die jeweiligen Gesellschafter.

Dies hat den Vorteil, dass in das Gesellschaftsvermögen vollstreckt werden kann, ohne Gefahr zu laufen, dass sich im Rahmen der Vollstreckung herausstellt, dass nicht gegen sämtliche Gesellschafter tituliert wurde und somit eine Vollstreckung in das Gesellschaftsvermögen scheitern würde.

Umgekehrt reicht allerdings der Titel gegen die GbR allein nicht aus, um in das Privatvermögen der jeweiligen Gesellschafter zu vollstrecken, welche ebenfalls als Gesamtschuldner haften. Daher kann und sollte die GbR selbst, als auch sämtliche bekannte Gesellschafter als Gesamtschuldner mit in Anspruch genommen werden.

Beispiel OHG:

Die OHG besteht ebenfalls aus mindestens zwei persönlich haftenden Gesellschaftern, sodass für die OHG die gleichen Ausführungen wie zur GbR gelten. Auch hier ist die OHG selbst, als auch sämtliche persönlich haftenden Gesellschafter als Gesamtschuldner mit in Anspruch zu nehmen.

Beispiel KG:

Die Kommanditgesellschaft besteht aus einem Komplementär (Vollhafter) und einem Kommanditisten (Teilhafter). Neben der KG selbst haftet also auch der Vollhafter und ist dieser ebenfalls als Gesamtschuldner mit in Anspruch zu nehmen.

Beispiel GmbH & Co. KG:

Bei einer GmbH & Co. KG handelt es sich in der Rechtsform um eine Kommanditgesellschaft und als Vollhafter agiert eine GmbH. Auch hier haftet also neben der KG auch die GmbH als Gesamtschuldner. Somit besteht bei richtiger Titulierung sowohl ein Titel gegen die GmbH & Co. KG, als auch gegen die GmbH.

Beispiel Eheleute:

Bei Geschäften des täglichen Lebens, also z.B. Reparaturen im Rahmen der Haushaltsführung, Reparaturen des Familienfahrzeuges, Buchung des Familienurlaub, notwendige ärztliche Behandlungen ohne Sonderleistungen etc. haftet gem. § 1357 BGB auch der andere Ehegatte und zwar unabhängig davon, ob er selbst den Vertrag mitabgeschlossen hat. In der Praxis bedeutet dies oftmals Ermittlungsaufwand, um den Namen des Ehegatten in Erfahrung zu bringen oder aber die Mandantschaft zu schulen, dass immer beide Ehegatten in den Auftrag mitaufgenommen werden.

Praxisrelevanz:

Die Risikominimierung durch Schuldnermehrheit entfaltet dann ihre Wirkung, wenn sich beispielsweise in der Zwangsvollstreckung herausstellt, dass die Ehefrau als Schuldnerin über kein eigenes Einkommen verfügt, währenddessen der Ehegatte pfändbares Arbeitseinkommen erwirtschaftet. Es mag durchaus sein, dass die Reparaturrechnung des Mandanten für den defekten Geschirrspüler nur auf die Ehefrau ausgestellt wurde, gleichwohl ergibt sich ein Haftungstatbestand des Ehemannes nach § 1357 Abs. 1 BGB. Tituliert der Gläubiger nur gegen die Ehefrau – so wie die Rechnung ausgesellt wurde –, so wird die Vollstreckung auf lange Sicht erfolglos verlaufen und der Gläubiger letztlich unbefriedigt bleiben. Tituliert jedoch der Gläubiger strategisch klug und erkennt die gesamtschuldnerische Haftung, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit die Forderung aufgrund des pfändbaren Arbeitseinkommens des Ehemannes beitreibbar sein.

Nichts anderes gilt im Falle der gesamtschuldnerischen Haftung bei der GbR. Es mag durchaus sein, dass das Geschäftskonto völlig überzogen ist, währenddessen ein Gesellschafter der GbR über unbelasteten Grundbesitz verfügt. Tituliert der Gläubiger nur auf die GbR, wird wiederum auf lange Sicht die Vollstreckung ergebnislos verlaufen, währenddessen bei gesamtschuldnerischer Haftung die Forderung über den Grundbesitz des Gesellschafters realisiert werden kann.

Und schließlich greifen all diese Beispiele auch im Falle der Insolvenz eines Schuldners, sodass auch hier das Ausfallrisiko minimiert werden kann. Selbst wenn also die im Beispiel genannte Ehefrau einen Antrag auf Eröffnung des Verbraucherinsolvenzverfahrens stellt und Restschuldbefreiung erhält, verbleibt trotzdem noch der titulierte Anspruch gegen den Ehemann, sodass sich auch insoweit das Ausfallrisiko minimiert.

Neben diesen beispielhaft erwähnten gesetzlichen gesamtschuldnerischen Haftungstatbeständen können diese auch vertraglich vereinbart sein/werden. So kommt es selbstverständlich bei der Mandatsbearbeitung wesentlich darauf an, wer tatsächlich Vertragspartner geworden ist, und ist in diesem Fall dafür Sorge zu tragen, dass auch gegen sämtliche Vertragspartner tituliert wird. Oftmals wird gerade in Darlehensverträgen eine gesamtschuldnerische Haftung vereinbart, aber auch Privatschulverträge, bei denen wiederum die Eltern als Gesamtschuldner auftreten.

Darüber hinaus sind in der Praxis Fälle denkbar, wo nach Vertragsabschluss und während der Bearbeitung des Mandates gesamtschuldnerische Haftung vereinbart werden kann. So ist der denkbarste Fall im Rahmen einer Ratenzahlungsvereinbarung einen Schuldbeitritt einer dritten Person zu vereinbaren. Dies könnte beispielsweise der Geschäftsführer einer GmbH sein, der zum Zwecke der Ratenzahlung den Schuldbeitritt zur Forderung der GmbH erklärt. Dies könnte aber auch ein Familienmitglied des Schuldners sein, dass beispielsweise ebenfalls im Rahmen der Ratenzahlungsvereinbarung einen Schuldbeitritt zur Forderung des Schuldners erklärt. In diesem Fall sollte es der Gläubiger natürlich nicht versäumen, auch gegen die Personen/Gesellschaften als Gesamtschuldner zu titulieren, die den Schuldbeitritt erklärt haben.

2. Ausfallminimierung bei Insolvenz des Schuldners und Vollstreckungsprivilegierung

Wie bereits ausgeführt, sollte man bereits zu Beginn des Mandates auch den schlimmsten Fall, nämlich die Insolvenz des Schuldners, im Auge haben.

So muss der Mandant spätestens bei Durchführung des Streitverfahrens darauf hingewiesen werden, dass womöglich die Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung (z.B. Eingehungsbetrug) herrührt und hier ein gesonderter Feststellungsantrag mit der Klage verbunden werden kann. Dies hat mit Blick auf eine nachfolgende Zwangsvollstreckung den Vorteil, dass der jeweilige Gläubiger als privilegierter Gläubiger zu sehen ist und unterhalb der Grenzen des § 850c gem. § 850f Abs. 2 ZPO vollstrecken kann.

Im Falle der Insolvenz des Schuldners hat der entsprechende Feststellungsantrag den Vorteil, dass die Forderung des Gläubigers von der Restschuldbefreiung gem. § 302 InsO ausgenommen ist, allerdings nur unter der Voraussetzung, dass im Rahmen der Insolvenzforderungsanmeldung auch erneut die vorsätzlich begangene unerlaubte Handlung gem. dem Feststellungsurteil auch angemeldet wird. Anderenfalls erlischt die Forderung trotz der Feststellung der vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung im Urteil, wie der BGH kürzlich entschieden hat (BGH, Urt. v. 19.12.2019 – IX ZR 53/18). Insoweit lohnt es sich vor Einleitung der gerichtlichen Schritte tatsächlich zu prüfen, inwieweit die Möglichkeit eines solchen Feststellungsantrages gegeben ist. Die Vorteile liegen auf der Hand.

Neben der Minimierung des Ausfallrisikos gibt es eine weitere Säule, die wir im nächsten Teil der Serie behandeln.

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