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„Verwirrende“ Beschilderung und Geschwindigkeitsüberschreitung

Wer „Verkehrsschilder“ nicht versteht oder verstehen will, auf denen Verhaltensregeln angezeigt werden, die einen Regelungseingriff in den Verkehrsfluss vorgeben und statt der gebotenen Rücksicht genau das Gegenteil tut, indem er statt der vorgegebenen Geschwindigkeit mehr als doppelt so schnell fährt, entscheidet sich bewusst und gewollt dazu, Regelungen und Verkehrssituation zu ignorieren. (Leitsatz des Verfassers)

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 20.1.20252 ORbs 4/25

I. Sachverhalt

Geschwindigkeitsbeschränkung wegen LKW-Kontrolle durch „Klappschild“

Das AG hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung außerhalb geschlossener Ortschaften um 86 km/h zu einer Geldbuße von 900,00 EUR verurteilt und ein Fahrverbot von drei Monaten angeordnet. Der Betroffene hatte eine BAB befahren. Aufgrund einer Lkw-Kontrolle war dort an der Vorfallsstelle zur Sicherung der Kontrolle und der damit betroffenen Personen die Höchstgeschwindigkeit auf 60 km/h reduziert und ein Überholverbot für Lkw und Busse angeordnet worden. Zu diesem Zweck waren sog. „Klappschilder“ verwendet worden. Diese sind vorbereitet an der Autobahn angebracht und können „ausgeklappt“ werden, so dass damit für den Sicherungszweck – hier die Lkw-Kontrolle – situationsbezogen die Geschwindigkeit reduziert wird.

Einwand „verwirrende Beschilderung“

Dagegen hat der Betroffene Rechtsbeschwerde eingelegt, mit der er einwendet, das Schild, das die Geschwindigkeit reduziert hat, nicht verstanden, bzw. nicht auf sich bezogen zu haben, da es sich um „eine völlig verwirrende Beschilderung“ gehandelt habe. Die Rechtsbeschwerde hatte keinen Erfolg

II. Entscheidung

OLG stellt auf Vorsatz um

Das OLG hat die Schuldform des Urteils aufgrund der rechtsfehlerfreien Feststellungen des AG auf „vorsätzliche“ Begehung umzustellen. An der gebotenen Erhöhung des Bußgeldes sei man aber wegen des Verschlechterungsverbots rechtlich gehindert.

Warum „verwirrende“ Beschilderung ist nicht ersichtlich

Die Verteidigung habe ihren Vortrag „einer völlig verwirrenden Beschilderung“ durch Vorlage der Lichtbilder der Beschilderung begründet. Darauf sei die Geschwindigkeitsreduktion auf 60 km/h und darunter ein Überholverbot für Lkw und Busse angeordnet. Was an dieser einfach zu verstehenden Beschilderung „verwirrend“ sein solle, werde – so das OLG – nicht ausgeführt und sei auch sonst nicht ersichtlich. Dass der Betroffene bereits diese einfache und klar verständliche Anordnung nicht verstehe, begründe keinen Verbotsirrtum, wie die Verteidigung vortrage, sondern lediglich die Notwendigkeit der Überprüfung, ob der Betroffene nach eigenem Bekunden noch kognitiv in der Lage sei, weiter am Straßenverkehr teilzunehmen. Das ergebe sich im Übrigen auch schon daraus, dass derjenige, der „etwas nicht versteht“ und sich damit in einer „unsicheren oder ungewissen“ Verkehrssituation befindet, bereits nach § 1 StVO zu „ständigen Vorsicht und gegenseitige Rücksicht verpflichtet sei und sich so zu verhalten hat, dass kein anderer geschädigt, gefährdet oder mehr, als nach den Umständen unvermeidbar, behindert oder belästigt wird“. Wer wie der Betroffene „Verkehrsschilder“ nicht verstehe oder verstehen wolle, auf denen Verhaltensregeln angezeigt werden, die einen Regelungseingriff in den Verkehrsfluss vorgeben und statt der gebotenen Rücksicht, genau das Gegenteil tue, indem er statt 60 km/h 146 km/h fahre, entscheide sich bewusst und gewollt dazu, Regelungen und Verkehrssituation zu ignorieren. Er stelle sich mit Absicht gegen die Rechtsordnung, gefährde bewusst und gewollt andere und dies alleine um des eigenen schnelleren Fortkommens willen.

Verhängung des Fahrverbotes zutreffend

In der Folge seien auch im Rechtsfolgenausspruch keine Rechtsfehler zum Nachteil des Betroffenen ersichtlich. Insbesondere haben nach Ansicht des OLG die getroffenen Feststellungen auch die Anordnung des dreimonatigen Regelfahrverbots nach § 25 Abs. 1 S. 1 StVG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. BKatV Anlage Nr. 11.3.10 getragen. Die grobe Pflichtverletzung ergebe sich vorliegend aus der Geschwindigkeitsüberschreitung von 86 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften, für die in Lfd. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1 c) BKatV ein Regelfahrverbot von drei Monaten vorgesehen sei. Das Fahrverbot sei zu verhängen, da die gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen und keine außergewöhnlichen Umstände gegeben sind (st. Rspr. des OLG Frankfurt am Main, vgl. z.B. Beschl. v. 26.4.2023 – 3 ORbs 69/23). Insbesondere könne der Umstand, dass der Betroffene aus beruflichen Gründen auf seine Fahrerlaubnis angewiesen sei, aus Gründen der Verhältnismäßigkeit ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbots nur dann zu rechtfertigen, wenn die Maßnahme in Bezug auf den Grad des Verstoßes zu einer Härte ganz außergewöhnlicher Art führen würde. Eine derartige Härte könne gegeben sein, wenn die Maßnahme zum belastbar nachgewiesenen Verlust des Arbeitsplatzes oder zur Existenzgefährdung führen würde und diese Folgen nicht durch zumutbare eigene Kompensationshandlungen vermieden werden können. Dazu gehören neben der Verwendung öffentlicher Verkehrsmittel auch unbezahlter Urlaub, die Einstellung eines Fahrers oder die Kreditaufnahme zur Finanzierung derartiger Kompensationen. Sonstige berufliche Nachteile auch schwerwiegender Art sind grundsätzlich als Folge der Tat hinzunehmen (OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 20.2.2023 – 1 Ss-OWi 12/23). Derartige durchgreifende Härten seien weder vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich.

III. Bedeutung für die Praxis

Kein naheliegender Irrtum

1. Die Einlassung des Betroffenen geht in Richtung: Fehlender Handlungsunwert und damit ein Wegfall des Fahrverbots aufgrund unübersichtlichen Schilderlage (vgl. dazu u.a. Burhoff/Deutscher, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 7. Aufl., 2024, Rn 1684). Allerdings sind dies bisher Fälle gewesen, in denen der Irrtum nicht fernlag (vgl. BayObLG NJW 2003, 2253; NZV 2000, 300; OLG Bamberg DAR 2012, 475; Beschl. v. 27.1.2017 – 3 Ss OWi 50/17, NZV 2017, 391; NZV 2007, 633 = VRR 2007, 432; StraFo 2016, 116 = VRR 4/2016, 13; VA 2017, 122). Das war hier wohl angesichts der mitgeteilten Situation eher nicht der Fall, so dass die Entscheidung des OLG im Ergebnis zutreffend ist.

„Bemerkenswerte“ Diktion des OLG

2. Man fragt sich also, was das OLG mit seiner – in meinen Augen – bemerkenswerten Diktion bezweckt. Man hat den Eindruck, dass der Senat wegen der eindeutigen „Schilderlage“ ein wenig durch den Vortrag des Betroffenen „genervt“ war. Aber muss man darauf dann nicht so reagieren und die Keule, das begründe „lediglich die Notwendigkeit der Überprüfung, ob der Betroffene nach eigenem Bekunden noch kognitiv in der Lage sei, weiter am Straßenverkehr teilzunehmen“ herausholen. Das führt in der Sache nicht weiter und ist im Übrigen auch nicht richtig, weil es weit über „das Ziel hinausschießt“.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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