1. Steht nach einem eingeholten Sachverständigengutachten aus technischer Sicht zumindest ein abgrenzbarer Teil von Schäden fest, die auf das behauptete Unfallereignis zurückgeführt werden, können diese grundsätzlich als Ersatz verlangt werden.
2. Allerdings ist ein solcher Teilschadensersatzanspruch dem Geschädigten verwehrt, wenn zum einen bewiesen ist, dass ein anderer erheblicher Teil der geltend gemachten Schäden nicht auf der Kollision beruht und der Geschädigte zum anderen weiterhin keine Angaben zu dem Vorliegen irgendwelcher unreparierter Altschäden tätig, sondern weiterhin wahrheitswidrig behauptet, dass alle Schäden auf dem Unfallereignis beruhen.
I. Sachverhalt
Schaden nur teilweise kompatibel
Die Parteien stritten über die Folgen eines Unfallereignisses, bei dem das Fahrzeug der Beklagtenseite in die Seite des klägerischen Fahrzeuges hineingefahren war. Streitig war der Umfang der dadurch verursachten Schäden und die Beklagtenseite ging von erheblichen Vorschäden aus. Die Klägerseite behauptet dagegen, es hätte keine unreparierten Altschäden gegeben. Ein vom Gericht beauftragter Sachverständige stellte allerdings fest, dass lediglich die Schäden im Bereich des hinteren Radlaufs und Stoßfängers auf dem behaupteten Unfallereignis beruhen können, die weiter geltend gemachten Schäden, insbesondere der Schaden im Bereich der daneben gelegenen Tür jedoch nicht.
II. Entscheidung
Ohne genaue Angaben zum verschwiegenen Vorschaden keine rechtliche Trennung
Vor diesem Hintergrund hat das Landgericht dargelegt, dass bei einer derartigen Abgrenzbarkeit in technischer Hinsicht grundsätzlich davon auszugehen wäre, dass der abgrenzbare Teil dem Geschädigten als Ersatz zugesprochen werden kann. Dies wäre allerdings dann anders, wenn wie hier bewiesen wäre, sein Teil der geltend gemachten Schäden am Unfallfahrzeug nicht auf der Kollision beruhen und der Geschädigte zu diesen nicht kompatiblen Schäden überhaupt keine Angaben macht, sondern weiterhin wahrheitswidrig vorliegend unreparierte Altschäden bestreitet. Diese Unsicherheit führt dann aus Sicht des Gerichts zwingend zu einer vollständigen Klageabweisung, denn vom Kläger konnte verlangt werden, dass er auch bei dem Alltagsbetrieb gut erkennbaren Vorschäden in Abgrenzung zu den anderen Schäden offenbart und auch das Schadensereignis, welches dahintersteht, im Einzelnen dargelegt. Da dies nicht erfolgt wäre, wäre die Kläger insgesamt abzuweisen.
III. Bedeutung für die Praxis
Geschädigte sollte weiter zum Vorschaden vortragen
Das LG hatte über eine Konstellation zu entscheiden, die in der Praxis häufig vorkommt. In vielen Fällen wird eine Abgrenzung zwischen unreparierten Altschäden und neu hinzugetretenen Schäden aus technischer Sicht möglich sein und auch von Rechtsprechung gestattet werden (vgl. hierzu den Überblick bei Böhm/Nugel, VRR 2017, 4 ff.). Dies ist aber im Einzelfall immer genau zu prüfen. Ist es beispielweise auch möglich, dass sogar der kompatible Schaden durch ein ähnlich gelagertes Unfallereignis hervorgerufen werden kann und leugnet der Geschädigte auch weiterhin hartnäckig und wieder besseren Wissens, dass es ein unreparierten Altschaden gegeben hat, kann ihm unter Umständen auch der Schadensersatzanspruch insgesamt verwehrt werden. Dies zum einen, wenn mangels konkreter Angaben des Geschädigten zu einem Vorschaden eine entsprechende Abgrenzung gar nicht so frei von Zweifeln und möglich ist (OLG Celle, Urt. v. 8.2.2017 – 14 U 119/16 = 14 U 119/16) oder aber wenn zum anderen die Grundsätze der Verwirkung zu sein Lasten eingreifen. Bei dieser Bewertung wird eine gezielte arglistige Täuschung bejaht und deshalb eine schwerwiegende Treuepflichtverletzung im Rahmen eines gesetzlichen Schuldverhältnisses hervorgehoben (LG Essen, Urt. v. 31.5.2019 – 1 O 251/17; LG Münster, Urt. v. 8.8.2014 – 11 U 279/11 – juris). In einer solchen Situation ist der Geschädigte daher gut beraten, auf das Vorhandensein dieser nachgewiesenen unreparierten Vorschäden einzugehen und soweit ihm möglich eine gebotene Abgrenzung vorzunehmen.