1. Bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten ist jedenfalls dann die Umsatzsteuer aus der vom Sachverständigen steuerneutral ermittelten Wertminderung heraus zu rechnen, wenn bei der Veräußerung des klägerischen Fahrzeuges ohne der Unfall Umsatzsteuer angefallen wäre.
2. Dies ist nur dann anders zu sehen, wenn der Geschädigte das Fahrzeug ausnahmsweise ohne Vorsteuerabzug erworben hat. (Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
Streitpunkt: Abzug 19 % vom Minderwert bei Vorsteuerabzugsberechtigung
Die zum Vorsteuerabzug berechtigte Geschädigtenseite hatte unter anderem als Schadensersatzanspruch aus einem Verkehrsunfall einen merkantilen Minderwert geltend gemacht, der auch bei einer vollständigen und fachgerechten Reparatur des Fahrzeuges verbleiben würde. Die Parteien stritten sodann darüber, ob aufgrund der Vorsteuerabzugsberechtigung der Klägerseite der Minderwert nur mit einem rechnerischen Abzug in Höhe von 19 % zu erstatten wäre. In der ersten Instanz war das Landgericht noch davon ausgegangen, dass ein solcher Anzug dem bei rein steuerrechtlich mehrwertsteuerneutral bewerteten Minderwert ausscheidet.
II. Entscheidung
19 % Abzug als Vorteilsausgleich, um Bereicherung zu vermeiden
Dies hat das Oberlandesgericht München in dem Hinweisbeschluss zur mündlichen Verhandlung anders gesehen: Bei einem vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten wäre hier jedenfalls dann Umsatzsteuer aus einer vom Sachverständigen ermittelten Wertminderung heraus zu rechnen, wenn bei der Veräußerung des Fahrzeuges ohne diesen Unfall eine solche Umsatzsteuer angefallen wäre. Wenn nun die Klägerin bei einem Verkauf des Fahrzeuges Umsatzsteuer erhalten würde, die sie aufgrund ihrer Vorsteuerabzugsberechtigung mit 19 % in Abzug bringt, wäre sie ungerechtfertigt bereichert, wenn sie die ungeschmälerte vollständige Wertminderung, wie durch den Sachverständigen errechnet, erhalten würde. Insoweit geht es aus Sicht des Senats nicht um eine Beschränkung für den steuerneutral ermittelten merkantilen Minderwert, sondern das Eingreifen eines schadensersatzrechtlichen Bereicherungsverbotes. Denn wenn bei einem Verkauf Umsatzsteuer anfällt, entsteht beim vorsteuerabzugsberechtigten Geschädigten ein Schaden nur in Höhe der merkantilen Wertminderung ohne diesen Umsatzsteueranteil, sodass zur Vermeidung einer Bereicherung 19 % abzuziehen sind.
Ausnahme: Umsatzsteuerfreie Überführung in Privatvermögen
Dies wäre nur dann ausnahmsweise anders zu beurteilen, wenn der Pkw unter bestimmten Voraussetzungen vorher umsatzsteuerfrei ins Privatvermögen überführt worden wäre und bei der Klägerseite ein Erwerb ohne Vorsteuerabzug erfolgt wäre. Lediglich in diesem Fall würde das schadenersatzrechtliche Bereicherungsverbot nicht eingreifen und dazu hatte sich die Klägerseite in den laufenden Verfahren noch zu erklären.
III. Bedeutung für die Praxis
Das OLG München hatte über einen für die Praxis gewichtigen Gesichtspunkt bei der Bestimmung der Schadenshöhe eines sogenannten merkantilen Minderwertes zu entscheiden, der häufig gar nicht mit der gebotenen Genauigkeit beachtet wird. Zwar wird ein merkantiler Minderwert steuerrechtlich erst einmal zutreffend als steuerneutral ausgewiesen. Soweit dieser allerdings als Schadensersatzanspruch geltend gemacht wird, greift naturgemäß auch das schadensersatzrechtliche Bereicherungsverbot ein. Wenn der Geschädigte nun auf den erzielten Kaufpreis einen Umsatzsteueranteil ausweist, den er gegenüber dem Finanzamt aber nur als Durchlaufposten ansetzt, geht es für ihn lediglich um einen Veräußerungserlös auf Netto-Basis. Der Umsatzsteueranteil ist dann rechnerisch abzuziehen und der Wert des Fahrzeuges kann nur insoweit eine Wertminderung erfahren, wie der Wert nach Abzug der rechnerischen Größe von 19 % Umsatzsteuer im Unternehmen der Klägerseite verbleibt. Ansonsten wäre der Geschädigte bei einer Vorsteuerabzugsberechtigung unzulässig bereichert, wie bereits eine Vielzahl an Gerichten entschieden haben (LG Essen, Urt. v. 7.4.2021 – 17 O 329/18; LG Schweinfurt, Beschl. v. 15.3.2023 – 33 S 4/23; LG Dortmund, Urt. v. 8.11.2022 – 21 O 363/21).