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Streitwert für Eilverfahren betreffend eine Fahrtenbuchauflage

In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes betreffend Fahrtenbuchauflagen ist regelmäßig die Hälfte des im Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Betrags anzusetzen. (Leitsatz des Verfassers)

OVG Münster, Beschl. v. 15.8.20228 E 561/22

I. Sachverhalt

Beim VG war ein Eilverfahren (§ 80 Abs. 5 VwGO) betreffend eine Fahrtenbuchauflage nach § 30a StVZO anhängig. Das VG hate für das Eilverfahren den Streitwert auf 2.400 EUR festgesetzt. Der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin erstrebt eine Verdoppelung. Er ist damit beim OVG Münster gescheitert:

II. Entscheidung

Die von den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin aus eigenem Recht (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG) erhobene Beschwerde mit dem Ziel, den vom VG für das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf 2.400,– EUR festgesetzten Streitwert auf 4.800,– EUR heraufzusetzen, war nach Auffassung des OVG bereits unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 200,– EUR (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG) nicht übersteige. Ausgehend von dem im erstinstanzlichen Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auf 2.400,– EUR festgesetzten Streitwert betragen die streitwertabhängigen Anwaltsgebühren 288,60 EUR (1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV RVG). Hinzu kommen die Postentgeltpauschale Nr. 7002 VV RVG) mit max. 20,– EUR und die Umsatzsteuer i.H.v. 19 %. Daraus ergebe sich ein Betrag von 367,23 EUR. Bei Ansatz eines Streitwerts von 4.800,– EUR erhöht sich die (einfache) Gebühr nach der Gebührentabelle auf 334,– EUR. Daraus ergibt sich ein Gesamtbetrag von 540,50 EUR (1,3 x 334 EUR, zzgl. 20 EUR Telekommunikationspauschale und USt.) Der sich aus der Differenz dieser Beträge ergebende Beschwerdewert übersteige damit 200,– EUR nicht.

Unabhängig davon wäre die Streitwertbeschwerde nach Auffassung des OVG aber auch unbegründet gewesen. Das Beschwerdevorbringen hat dem Senat keinen Anlass gegeben, die Streitwertpraxis des Senats, wonach in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes betreffend Fahrtenbuchauflagen die Hälfte des im Hauptsacheverfahren zugrunde zu legenden Betrags (400,– EUR für jeden Monat der Geltungsdauer der Fahrtenbuchauflage) anzusetzen ist (vgl. Nr. 1.5 Satz 1 und Nr. 46.11 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013), zu ändern (ebenso vgl. BayVGH, Beschl. v. 25.2.2022 – 11 CS 22.549; OVG Hamburg, Beschl. v. 23.9.2021 – 4 Bs 140/21; OVG Lüneburg Beschl. v. 14.4.2021 – 12 ME 39/21; OVG Saarland, Beschl. v. 18.7.2016 – 1 B 131/16; OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 23.3.2021 – 3 M 19/21; OVG Sachsen, Beschl. v. 10.1.2020 – 6 B 297/19) zu ändern. Gemäß §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG sei der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Antragstellers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Dabei ei grundsätzlich auch zu berücksichtigen, ob der begehrte vorläufige Rechtsschutz nach seinen Wirkungen der Bedeutung der Hauptsache gleichkomme. Dem entspreche, dass die Anhebung des Streitwerts im Falle einer Vorwegnahme der Hauptsache auch nach den ohnehin nicht bindenden Empfehlungen des Streitwertkatalogs nicht zwingend, sondern lediglich fakultativ sei (vgl. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs 2013).

Zwar möge es zutreffen, dass in Fällen, in denen die sofortige Vollziehung angeordnet ist und die Pflicht zur Führung des Fahrtenbuchs mit der Zustellung der Anordnung wirksam werde, wegen der begrenzten Dauer der Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuchs, hinsichtlich eines Teils dieses Zeitraums bis zur Entscheidung im Klageverfahren eine Vorwegnahme der Hauptsache eintrete, worauf die vom Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin angeführte, abweichende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg abstelle (vgl. VGH Baden-Württemberg, AGS 2009, 403;ebenso: VGH Baden-Württemberg, Beschl. v. 10.8.2015 – 10 S 278/15; vgl. auch OVG Jena, Beschl. v. 20.9.2018 – 2 EO 378/18). In welchem Umfang dies der Fall sein werde, lasse sich jedoch bei Eingang des Verfahrens und damit zu dem für die Streitwertberechnung nach den §§ 53 Abs. 2 Nr. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt nicht absehen. Gerade bei Fahrtenbuchanordnungen für die Dauer von – wie hier – 12 Monaten sei nach den Erfahrungen des Senats nicht regelmäßig anzunehmen, dass sich die Fahrtenbuchanordnung vor einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren insgesamt erledigen werde.

III. Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung des OVG, mit der sich das OVG in der entschiedenen Frage der h.M. in der Rechtsprechung der Oberverwaltungsgerichte anschließt, ist zutreffend. Das OVG hält aus nach vollziehbaren Gründen an seiner Streitwertpraxis fest und schreibt sie fest. Die abweichende Auffassung – insbesondere des VGH Baden-Württemberg führt zu Abgrenzungsschwierigkeiten. Denn wann soll mehr als die Hälfte des für das Hauptsacheverfahren maßgeblichen Streitwertes festgesetzt werden. Bei einer Fahrtenbauchauflage von z.B. sechs Monaten oder schon bei neun Monaten? Diese Schwierigkeiten vermeidet die h.M., die das OVG Münster für seine Streitwertpraxis bestätigt hat.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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