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Zurechnungszusammenhang zwischen Erst- und Zweitunfall

1. Ein Zurechnungszusammenhang entfällt, wenn der Verantwortliche eine von ihm geschaffene Gefahrenquelle ordnungsgemäß abgesichert hat und erst aufgrund des Hinzutretens dritter Personen dann ein Schaden eintritt.

2. Dies ist zu bejahen, wenn der Verursacher eines Erstunfalls die Unfallstelle ausreichend abgesichert hat und erst durch das Umfahren eines Warndreiecks und weitere Handlungen eine dritte Person zu Schaden kommt. (Leitsatz des Verfassers)

LG Düsseldorf, Urt. v. 10.8.202223 O 261/21

I. Sachverhalt

Der Versicherungsnehmer der beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung hat schuldhaft durch sein eigenes Auffahren einen Verkehrsunfall verursacht, aufgrund dessen ein Teilbereich einer Straße blockiert gewesen ist. Er sicherte diesen Unfall durch Aufstellen eines Warndreiecks ordnungsgemäß ab. In der Folgezeit fuhr ein anderer Verkehrsteilnehmer das Warndreieck um und eine dritte Person überquerte den Straßenbereich, um das Warndreieck wieder ordnungsgemäß aufzustellen und wurde dabei von einem Fahrzeug erfasst, welches bei der Klägerin als Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung versichert gewesen ist. In einem Vorprozess wurde eine überwiegende Haftung mit 2/3 zu Lasten der Klägerin im Verhältnis zu der drittgeschädigten Person festgestellt, die ihrerseits unachtsam die Fahrbahn überquert hatte, um das Warndreieck aufzustellen. Die Klägerin war nun der Auffassung, dass Sie die beklagte Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung als Versicherer des Verursachers des Erstunfalls in Regress nehmen könnte. Diese verteidigte sich unter anderem mit dem Argument, dass ein ausreichender Zurechnungszusammenhang zwischen dem Erst- und Zweitunfall nicht gegeben wäre.

II. Entscheidung

Das LG Düsseldorf ist der Argumentation der Beklagtenseite gefolgt und hat die Klage abgewiesen. Zwar wäre der Erstunfall adäquat kausal für den Zweitunfall gewesen und könnte nicht hinweg gedacht werden, ohne dass dieser entfallen würde. Bei der vorzunehmenden wertenden Betrachtung wäre aber ein Zurechnungszusammenhang abzulehnen. Aufgrund der ordnungsgemäßen Absicherung wäre der Zurechnungszusammenhang zum Erstunfall unterbrochen worden und würde auch durch das Umfahren des Warndreiecks durch einen unbekannten Dritten nicht wieder aufleben, zumal das Umfahren des Warndreiecks nicht der Beklagtenseite zugerechnet werden könnte.

III. Bedeutung für die Praxis

Das LG Düsseldorf setzt eine ältere Rechtsprechung des BGH konsequent fort, die für die Beendigung eines Zurechnungszusammenhangs auf die ordnungsgemäße Absicherung einer Unfallstelle abstellt. Denn wenn der Verantwortliche alles Notwendige getan hat, kann ihm die zunächst geschaffene Gefahrenlage nicht mehr zu seinen Lasten zugerechnet werden, wenn jemand wegen der Nichtbeachtung der Sicherungsvorkehrungen dennoch zu Schaden kommt und in diesem Fall ist die ursprüngliche Gefahrenquelle nicht mehr adäquat ursächlich für den eingetretenen Schaden (BGH, Urt. v. 20.6.1969 – VI ZR 32/68, VersR 1969, 895). Wenn in der Tat auf die ordnungsgemäße Absicherung der Unfallstelle abgestellt wird, ist vorliegend durch das Hinzutreten weiterer Umstände dritter Personen ein Zurechnungszusammenhang durchbrochen und ihm Rahmen einer wertenden Betrachtung hat sich beim zweiten Verkehrsunfall nicht nur das Schadensrisiko des ersten Unfalls verwirklicht. Wenn hier auf die ordnungsgemäße Absicherung abgestellt wird, stellt der Verkehrsunfall nur den äußeren Anlass für das Verhalten eines Dritten dar und ein Zurechnungszusammenhang ist durchbrochen (vgl. hierzu auch BGH, Urt. v. 10.2.2004 – VI ZR 218/03, NJW 2004, 1375).

RA und FA für Verkehrs und VersR Dr. Michael Nugel, Essen

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