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Quotenbildung bei einem Verkehrsunfall mit einem Leasingfahrzeug

1. Dem Leasinggeber kann eine Haftung aus der Betriebsgefahr seines Fahrzeuges aufgrund des Auseinanderfallens zwischen Sicherungseigentum und Haltereigenschaft nicht entgegengehalten werden.

2. Auch wenn der Leasingnehmer als Kläger mit Zustimmung des Leasinggebers eine Zahlung an sich verlangt, kann ihm im Wege der dolo-agit-Einrede die verschuldensunabhängige Betriebsgefahr des von ihm gesteuerten Fahrzeuges nicht entgegengehalten werden, da ein Regressanspruch unter Gesamtschuldnern mangels einer Gleichstufigkeit vertraglicher Schadensersatzansprüche aus dem Leasingverhältnis gegenüber der Haftung der Beklagten aus der Betriebsgefahr nicht besteht.

3. Dies wäre nur dann anders, wenn beide Parteien gleichermaßen ein Verschulden treffen würde und der Kläger als Leasingnehmer daher aus den §§ 280,823 BGB dem Leasinggeber auch wegen der Beschädigung des Fahrzeuges ebenfalls haftet.

AG Wuppertal, Urt. v. 8.7.202237 C 22/20

I. Sachverhalt

Abbiegender Lkw kollidiert mit Leasingfahrzeug bei streitigem Unfallablauf

Der Kläger verlangt Schadensersatz nach einem Verkehrsunfall, bei dem er mit einem abbiegenden Lkw kollidiert war. Nach der Unfallversion des Klägers stand der Lkw auf der linken Seite am linken Fahrbahnrand und der Kläger passierte diesen mit seinem Pkw, mit dem er zuvor angehalten hat, um seinerseits einen Lkw ausfahren zu lassen, der von einer Grundstücksausfahrt von rechts gekommen war. Der Lkw habe nicht geblinkt und auch den Motor nicht laufen lassen, sodass zum Zeitpunkt des Vorbeifahrens für den Kläger nach seinen Angaben kein Anhaltspunkt bestanden hat, dass der Lkw abbiegen würde. Die Beklagtenseite ging dagegen davon aus, dass der Ablagevorgang des Lkw rechtzeitig angezeigt und vom Kläger ohne weiteres zu erkennen gewesen wäre, sodass dieser in einer unklaren Verkehrslage überholt hätte. Durch ein Sachverständigengutachten und die Parteiangaben konnte der Sachverhalt nicht frei von Zweifeln aufgeklärt werden.

II. Entscheidung

Haftung aus der Betriebsgefahr zu jeweils 50 % nur für Folgeansprüche

Seitens des AG wurde auf beiden Seiten eine Betriebsgefahr von jeweils 50 % angesetzt, da weder ein Überholen in einer unklaren Verkehrslage zu Lasten der Klägerseite noch ein Verschulden des Lkw-Fahrers feststehen würde. Während die Folgeansprüche nach dem Fahrzeugschaden entsprechend zu quotieren gewesen wären, würde dem Kläger im vollen Umfang ein Schadensersatz wegen der Beschädigung seines Fahrzeuges zustehen. Denn insoweit würde es sich um ein Leasingfahrzeug handeln, bei dem der Kläger mit Zustimmung der Leasinggeberin ein Schadensersatzanspruch mit einer Auszahlung an sich selber verfolgt hätte und der Leasinggeberin könnte aufgrund des Auseinanderfallens von ihrer Eigentümerstellung mit der Haltereigenschaft, die beim Kläger verblieben war, die Betriebsgefahr ihres Fahrzeuges nicht entgegengehalten werden.

Dolo agit Einrede greift nicht

Die von der Beklagtenseite insoweit ins Spiel gebrachte dolo-agit-Einrede wegen einem Regressanspruch unter Gesamtschuldnern der Beklagtenseite gegenüber dem Kläger, wenn tatsächlich in voller Höhe im Außenverhältnis an den Leasinggeber gezahlt werden müsste geht nach Ansicht des Amtsgerichtes auch in Leere. Denn dafür wäre es erforderlich, dass eine solche Gesamtschuldnerschaft bejaht werden könnte, da auch der Kläger als Leasingnehmer gegenüber der Leasinggeberin haften würde. Mangels eines Verschuldens würden vertraglich Schadensersatzansprüche jedoch ausscheiden und eine verschuldensunabhängig in diesem Vertrag vorgesehen Garantiehaftung wäre nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH nicht als gleichstufig anzusehen, um eine gesamtschuldnerische Haftung mit der Beklagtenseite zu begründen. Folgerichtig wäre auch ein Regressanspruch abzulehnen und die dolo-agit-Einrede würde nicht eingreifen.

III. Bedeutung für die Praxis

Bei Haftung aus Betriebsgefahr erfolgt keine Zurechnung gegenüber dem Leasinggeber

Das AG hatte über eine bedeutsame Konstellation bei einem Unfall mit einem Leasingfahrzeug zu entscheiden, die in der Praxis häufiger vorkommt. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH muss die Leasinggeberin sich bei dem Ersatz des Fahrzeugschadens die Betriebsgefahr des Fahrzeuges nicht entgegenhalten lassen, da sie nicht die Halterin des Pkw ist (BGH VRR 6/2017, 2 [Ls.]). Auch scheidet in dieser Konstellation nach den Vorgaben des BGH ein Regressanspruch gegen den Leasingnehmer unter Gesamtschuldnern aus, da diesem kein nachweisbares Verschulden trifft und er daher ja auch gegenüber dem Leasinggeber nicht aus dem § 280,823 BGB auf Schadensersatz haftet. Zwar sehen die Leasingbedingungen mit dem üblicherweise eine verschuldensunabhängige Garantiehaftung vor. Diese ist nach der aktuellen Rechtsprechung des BGH allerdings nicht gleichstufig mit der Haftung aus der Betriebsgefahr nach dem StVG, die vorliegend die Beklagtenseite trifft. Wenn ein solcher Regressanspruch allerdings ausscheidet kommt die von der Beklagtenseite ins Spiel gebrachte „dolo-agit-Einrede“ nicht zum Tragen (vgl. zu dieser Konstellation auch Nugel VRR 12/2022, S. 6 [10]).

RA und FA für Verkehrs und VersR Dr. Michael Nugel, Essen

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