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Keine Haftung aus Betriebsgefahr bei Hindernisbereiten mit einem „Unterlegkeil“

1. Werden aus einem geparkten Fahrzeug Gegenstände auf die Fahrbahn gelegt mit der Absicht, ein Hindernis für andere Verkehrsteilnehmer zu errichten, sind hieraus resultierende Schäden weder „bei dem Betrieb“ noch „durch den Gebrauch“ des Kraftfahrzeugs entstanden.

2. Dies gilt auch dann, wenn es sich hierbei um Gegenstände handelt, deren Mitführung in dem Fahrzeug gesetzlich vorgeschrieben sind.

LG Rottweil, Urt. v. 17.6.20222 O 33/22

I. Sachverhalt

Unterlegkeile auf der Fahrbahn als Hindernis

Der Kläger befuhr die Autobahn, als er auf einmal den auf der Beklagtenseite versicherten Transporter auf der Standspur rechts stehen sah. Der Kläger wechselte daraufhin auf die linke Fahrspur und überfuhr einen dort befindlichen Unterlegkeil, den die auf der Beklagtenseite versicherte Fahrzeugführerin dort hingelegt hatte – offenkundig, weil sie ein Hindernis für einen Fahrzeugführer bereiten wollte, von dem sie sich verfolgt gefühlt hat. Nach den Angaben des Klägers habe sie insoweit unter „Verfolgungswahn“ gelitten und ein „psychisches Problem“ gehabt.

Der Kläger begehrte Schadensersatz von der auf der Beklagtenseite beteiligten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung, die eine Eintrittspflicht sowohl unter dem Gesichtspunkt des Betriebes als auch des Gebrauchs des Fahrzeuges abgelehnt hat.

II. Entscheidung

Keine Haftung aus der Betriebsgefahr

Das LG hat die Auffassung der beklagten Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung bestätigt und die Klage insoweit abgewiesen. Zwar wäre der Begriff der Haftung beim Betrieb eines Kraftfahrzeuges weit zu verstehen und würde grundsätzlich von dem Fahrzeug ausgehend die Gefahr erfassen, wenn dieses am Straßenrand abgestellt wird. Vorliegend wäre allerdings kein Zurechnungszusammenhang gegeben. Eine Zurechnung der Betriebsgefahr könnte nur bejaht werden, wenn der Unfall im nahen örtlichen und zeitlichen Kausalzusammenhang mit einem bestimmten Betriebsvorgang oder einer bestimmten Betriebseinrichtung des Kraftfahrzeuges steht und der Schaden auf eine typische Gefahrenquelle des Fahrzeuges zurückzuführen wäre. Dies hat das Landgericht verneint, da hier gezielt Gegenstände aus dem Fahrzeug herausgenommen worden wären, um ein Hindernis zu bereiten. Der Schaden wäre dabei nicht durch den Ladevorgang an sich, sondern durch den Einsatz des Gegenstandes zum absichtlichen Blockieren der Fahrspur eingetreten und die damit verbundene Gefahr würde nicht nur den Betrieb oder Nutzung des Fahrzeuges als Fahr- und Transportmittel im Zusammenhang stehen.

Keine Haftung aus Gebrauch als typische Fahrerhandlung

Auch eine Haftung unter dem Gesichtspunkt des Gebrauchs des Kfzs, die grundsätzlich weiter als der Betrieb des Kfz gefasst ist, und ein Direktanspruch gegenüber der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung nach § 115 VVG im Rahmen der erteilten Deckung begründen würde, wäre zu verneinen. Denn das Blockieren der Straße mit Gegenständen aus einem Fahrzeug wäre keine typische Fahrerhandlung, die zu den Aufgaben des Kraftfahrers gehören würde und auch würde bei einem weiten Verständnis immer noch der innere Zusammenhang zwischen der Nutzung des Fahrzeuges als Fahr- und Transportmittel und dem absichtlichen Blockieren der Straße mit einem Transportgut fehlen.

III. Bedeutung für die Praxis

Auch bei weitem Verständnis nicht von Betriebsgefahr erfasst

Die Entscheidung zeigt anschaulich die Grenzen einer entsprechenden Haftung der Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung beim Betrieb und auch beim weitergehenden Begriff des Gebrauchs des Kfz auf. Erforderlich für eine Haftung aus der Betriebsgefahr ist, dass das Kfz durch seine Fahrweise, sonstige Beeinflussung des Verkehrs, einen nachvollziehbaren Betriebsvorgang oder aber die Betriebseinrichtung zur Entstehung eines Unfallgeschehens beigetragen hat, wenn die bloße Anwesenheit des Kfz an der Unfallstelle nicht genügt (BGH, VRR 2017, Nr. 4, Seite 8; BGH, VRR 2008, 181). Auch vom Begriff des Gebrauchs werden nur die Gefahren erfasst, die typischerweise mit dem Fahrzeug verbunden sind und dazu kann neben dem Führen des Kfz auch die Gefahr aus einem Be- oder Entladevorgang bzw. des Ein- oder Aussteigen gehören – nicht aber das Ausladen von Gegenständen, um sodann im Rahmen einer bewussten Schädigungsabsicht ein Hindernis zu bereiten.

Auch keine Haftung bei Vorsatztat i.S.d. § 103 VVG

Wenn die auf der Beklagtenseite betroffene Fahrzeugführerin zugleich auch Halterin des Fahrzeuges gewesen ist, greift im Übrigen auch ein Risikoausschluss nach § 103 VVG zugunsten der betroffenen Kraftfahrzeughaftpflichtversicherung – diese deckt nämlich nicht eine vorsätzlichen Schadensherbeiführung und bei diesem Sachverhalt liegt es nahe, dass die Fahrzeugführerin dazu es billigend in Kauf genommen hat, bei einem Hindernisbereiten auf der Autobahn auch das über das Hindernis fahrende Fahrzeug erheblich zu beschädigen.

RA und FA für VerkehrsR und VersR Dr. Michael Nugel, Essen

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