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Aktive Nutzungspflicht – elektronisches Dokument – ein Rechtsprechungsüberblick

Am 1.1.2022 sind in den verschiedenen Verfahrensordnungen die Regelungen in Kraft getreten, die die aktive Nutzungspflicht für die elektronische Form vorschreiben, also z.B. § 130d ZPO oder § 32d StPO. Dazu liegt inzwischen erste Rechtsprechung vor, die wir heute zusammen mit einigen anderen Entscheidungen zum elektronischen Dokument in einem Überblick vorstellen.

Allgemeines

BGH, Beschl. v. 8.3.2022 – VI ZB 78/21

Bei der Signierung eines ein Rechtsmittel oder eine Rechtsmittelbegründung enthaltenden fristwahrenden elektronischen Dokumentes gehört es zu den nicht auf das Büropersonal übertragbaren Pflichten eines Rechtsanwalts, das zu signierende Dokument zuvor selbst sorgfältig auf Richtigkeit und Vollständigkeit zu prüfen.

BGH, Urt. v. 11.2.2022 – V ZR 15/21

Bei Zustellung einer einfachen statt beglaubigten Abschrift eines Urteils wird der Zustellungsmangel geheilt, wenn die Übermittlung der Abschrift durch das Gericht an das besondere elektronische Anwaltspostfach des Parteivertreters erfolgt.

OLG Brandenburg, Beschl. v. 13.6.2022 – 1 OLG 53 Ss-OWi 149/22

OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.2.2022 – 1 Ss 28/22, StraFo 2022, 147 = StRR 4/2022, 24

OVG Sachsen, Beschl. v. 9. 7. 2019 – 5 A 327/19

Ein elektronisches Dokument ist ein Text, eine Zahlentabelle, ein Bild oder eine Folge oder Kombination von Texten, Tabellen oder Bildern, die durch Digitalisieren (Umwandlung in einen Binärcode) in Dateiform angelegt oder überführt wurden. Dokumente, die im Wege des Telefaxes, insbesondere auch des Computerfaxes, übermittelt werden, zählen deshalb zu den schriftlichen, nicht zu den elektronischen Dokumenten, auch wenn sie elektronisch über das Internet oder ein Web-Interface übertragen werden.

OLG Hamm, Beschl. v. 28.4.2022 – 30 U 32/22

Es ist nicht Aufgabe der Annahmestelle eines Berufungsgerichts, eine eingehende Berufungsschrift daraufhin zu überprüfen, ob sie eine ordnungsgemäße (einfache) Signatur enthält. Ein Rechtsanwalt hat selbst zu überprüfen, ob ein Schriftsatz im Sinne des § 130a Abs. 1 an seinem Ende die für eine einfache Signatur erforderlichen Angaben enthält. Er darf diese Aufgabe nicht an seine Angestellten übertragen. Für eine ordnungsgemäße einfache Signatur genügt die Angabe „Rechtsanwalt“ nicht; vielmehr muss sie auch den Namen des Rechtsanwalts enthalten.

OLG Frankfurt/Main, Beschl. v. 3.11.2021 – 6 U 131/21, NJW 2022, 250

Scheitert eine rechtzeitige Übermittlung der Berufungsbegründungsschrift per beA, weil der Prozessbevollmächtigte um 23.46 Uhr versucht, diese gemeinsam mit einer Prozessvollmacht in das System hochzuladen, das sodann um 23.50 Uhr eine Fehlermeldung wegen eines unzulässigen Dateinamens der Prozessvollmacht auswirft, ist der Prozessbevollmächtigte seinen Sorgfaltspflichten nicht hinreichend nachgekommen.

OLG Nürnberg, Beschl. v. 31.1.2022 – 3 W 149/22

Ein bei Gericht eingereichter Antrag kann nicht deshalb mangels Einhaltung der Vorgaben des § 130a Abs. 2 ZPO – wonach ein elektronisches Dokument für die Bearbeitung durch das Gericht geeignet sein muss – zurückgewiesen werden, weil trotz Verwendung eines zulässigen Formats (PDF) beim Kopieren von Textteilen in ein anderes elektronisches Dokument durch das Gericht eine unleserliche und sinnentstellte Buchstabenreihung entsteht.

ArbG Frankfurt a.M., Urt. v. 1.4.2022 – 24 Ca 7293/21

Eine vorübergehende Unmöglichkeit der Übermittlung aus technischen Gründen (im Sinn des § 46g Satz 3 ArbGG) liegt nicht vor, wenn ein Rechtsanwalt pauschal behauptet, er sei, obwohl rechtzeitig beantragt, nicht von der Zertifizierungsstelle freigeschaltet worden.

AG Karlsruhe, Beschl. v. 22.6.2022 – 1 M 604/22

§ 130d ZPO gilt für alle vorbereitenden Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen und damit im Zivilprozess umfassend für die gesamte schriftliche Kommunikation mit dem Gericht. Die Vorschrift umfasst nach der Begründung des Gesetzgebers nicht nur das Erkenntnisverfahren im ersten Rechtszug, sondern umfasst alle anwaltlichen schriftlichen Anträge und Erklärungen nach der ZPO, also auch Zustellungsaufträge.

Zivilverfahren

KG, Beschl. v. 25.2.2022 – 6 U 218/21

1. Eine Ausnahme von der seit dem 1.1.2022 bestehenden Verpflichtung der Rechtsanwälte, vorbereitende Schriftsätze nur noch als elektronisches Dokument bei Gericht einzureichen (§§ 130a, 130d ZPO), besteht gemäß § 130d Satz 2 ZPO nur dann, wenn dies aus technischen Gründen nicht möglich ist, weil entweder das Gericht auf diesem Wege nicht erreichbar ist oder bei dem Rechtsanwalt ein vorübergehendes technisches Problem aufgetreten ist.

2. Sieht sich der Rechtsanwalt aus gesundheitlichen Gründen (hier: ausstehendes Ergebnis eines PCR-Testes zum Ausschluss eines Coronaleidens) nicht in der Lage, seine Kanzleiräume aufzusuchen und den Schriftsatz dort elektronisch zu übermitteln, stellt dies keine vorübergehende Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung aus technischen Gründen dar.

3. Die technische Störung ist gemäß § 130d Satz 3 ZPO unmittelbar bei der Ersatzeinreichung auf herkömmlichem Wege oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen; die Mitteilung von Gründen erst 20 Tage nach Einreichung des Originalschriftsatzes genügt diesen Anforderungen nicht.

4. Ein Grund für die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 233 Satz 1 ZPO wegen der Versäumung der Berufungsbegründungsfrist (§ 520 Abs. 2 ZPO) liegt nicht vor, wenn der Rechtsanwalt vor dem Fristablauf nicht alle ihm noch möglichen und zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, wie etwa die Suche nach einem vertretungsbereiten Kollegen zur formwirksamen Einreichung der fertigen Berufungsbegründungsschrift.

OLG Hamburg, Beschl. v. 6.5.2022 – 12 UF 208/21

Ein mittels beA gestellter Antrag zur Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist in einer Familienstreitsache muss von dem Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten verantwortet und mit seinem Wissen und Wollen eingereicht werden. §§ 130a Abs. 3, 4 Nr. 2, 130d ZPO erfordert, dass ein elektronisches Dokument eigenhändig vom Verfahrensbevollmächtigten versandt wird.

OLG München, Beschl. v. 23.3.2022 – 5 U 8161/21

Den Rechtsmittelführer trifft die Beweislast für die Einhaltung der Berufungsbegründungsfrist. Der Verweis darauf, dass das Prüfprotokoll nicht beweise, dass die Berufungsbegründung „nicht auf dem Gerichtsserver eingegangen“ sei, reicht bei einem elektronischen Dokument nicht.

LG Köln, Urt. v. 22.2.2022 – 14 O 395/21

Seit dem 1.1. 2022 ist die Erhebung eines Einspruchs gegen ein Versäumnisurteil nur per Fax nicht mehr wirksam. Ein auf diese Weise eingereichter Einspruch ist nach § 341 ZPO zu verwerfen.

LG Frankfurt am Main, Urt. v. 19.1.2022 – 2-13 O 60/21, DAR 2022, 152 = MDR 2022, 393

Ein bei Gericht nach dem 1.1.2022 nicht in der Form des § 130d ZPO als elektronisches Dokument eingereichter Schriftsatz ist formunwirksam und damit unbeachtlich. Eine per Fax eingereichte Verteidigungsanzeige kann daher ein Versäumnisurteil im schriftlichen Vorverfahren nicht verhindern.

AG Hamburg, Beschl. v. 21.2.2022 – 67h IN 29/22, ZInsO 2022, 95

1. Die Vorschrift des § 130d ZPO ist auch im Insolvenzantragsverfahren anzuwenden. Ein „Dispens“ oder ein „Moratorium“ hinsichtlich der Nichtanwendung ist seitens der Insolvenzgerichte weder möglich noch statthaft.

2. Vorübergehende technische Störungen im Sinne v. § 130d Satz 2 und 3 ZPO sind auch von öffentlich-rechtlichen Gläubigern ohne gerichtliche „Hilfestellung“ spätestens unverzüglich nach postschriftlicher Antragseinreichung ohne weitere Aufforderung glaubhaft zu machen mit den Mitteln des § 294 ZPO. Dies gilt auch dann, wenn solche mögliche Störungen bei Gericht generell amtswegig bekannt sind.

AG Essen, Beschl. v. 24.5.2022 – 163 IK 66/22

Auch der durch einen Rechtsanwalt als Bevollmächtigter des Schuldners eingereichte Eigenantrag unterliegt dem Formerfordernis gemäß §§ 4 InsO, 130d, 130a ZPO. Wird ein elektronisches Dokument nicht mit einer qualifizierten elektronischen Signatur versehen, so bedarf es neben der Übermittlung auf einem sicherem Übertragungsweges auch einer einfachen Signatur der verantwortenden Person. Eine solche Signatur erfordert zumindest die Wiedergabe des Namens der zu verantwortenden Person am Ende des Textes. Eine Übersendung aus dem elektronischen Anwaltspostfach des Bevollmächtigten genügt dafür nicht.

Verwaltungsverfahren

BayVGH, Beschl. v. 24.2.2022 – 15 ZB 22.30186 v. 24.2.2022 – 15 ZB 22.30186

OVG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 7.2.2022 – 6 N 19/22

OVG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 31.3.2022 – 19 A 448/22.A

OVG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 18.1.2ß22 – 1 L 98/21.Z und v. 3.2.2022 – 1 M 14/22

OVG Schleswig-Holstein, Beschl. v. 25.1.2022 – 4 MB 78/21

VG Frankfurt (Oder), Beschl. v. 18.2.2022 – 10 K 21/22.A

Nach dem Inkrafttreten des § 55d VwGO, der die aktive Nutzungspflicht für das elektronische Dokument vorsieht, ist eine herkömmliche Einreichung von Schriftstücken – etwa auf dem Postweg oder per Fax – prozessual unwirksam.

OVG Münster, Beschl. v. 31.3.2022 – 19 A 448/22.A

1. Zur Glaubhaftmachung gemäß § 55d S. 4 Hs. 1 VwGO, dass die Unmöglichkeit der Übermittlung eines elektronischen Dokuments auf technischen Gründen im Sinn von § 55d S. 3 VwGO beruhte, gehört die belastbare Angabe, dass die formgerechte (elektronische) Übermittlung aus technischen Gründen nur vorübergehend nicht möglich war.

2. Eine solche Unmöglichkeit ist nicht glaubhaft gemacht, wenn die Angaben auch den Schluss zulassen, dass der Verwender generell versäumt hat, sich rechtzeitig und mit der gebotenen Sorgfalt um die Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen zu bemühen.

OVG Münster, Beschl. v. 9.5. 2022 – 16 B 69/22

Die Erklärung, dass „wir bei der Übermittlung als ‚elektronisches Dokument‘ Probleme haben“ und elektronische Dokumente ‚aktuell nur empfangen‘ werden könnten, was versichert werde, genügt nicht zur Glaubhaftmachung der technisch bedingten vorübergehenden Unmöglichkeit i.S.d. § 55d Sätze 3 und 4 VwGO.

OVG Schleswig-Holstein. Beschl. v. 25.1.2022 – 4 MB 78/21

1. Die aktive Nutzungspflicht der elektronischen Form (§ 55d Satz 1 VwGO) ist nicht von einem weiteren Umsetzungsakt abhängig und gilt ab dem 1.1.2022 für sämtliche Verfahren einschließlich solcher, die bereits zuvor anhängig gemachten wurden.

2. § 55d Satz 3 VwGO enthält eine einheitliche Heilungsregelung. Unerheblich ist, ob die Ursache für die vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Einreichung in der Sphäre des Gerichts oder in der Sphäre des Einreichenden zu suchen ist. Die Möglichkeit der Ersatzeinreichung ist verschuldensunabhängig ausgestaltet.

3. Die vorübergehende technische Unmöglichkeit ist vorrangig zugleich mit der Ersatzeinreichung glaubhaft zu machen. Lediglich dann, wenn der Rechtsanwalt erst kurz vor Fristablauf feststellt, dass eine elektronische Einreichung nicht möglich ist und bis zum Fristablauf keine Zeit mehr verbleibt, die Unmöglichkeit darzutun und glaubhaft zu machen, genügt eine unverzügliche Glaubhaftmachung (§ 55d Satz 4 VwGO).

VG Berlin, Beschl. v. 5.5.2022 – VG 12 L 25/22

Wird ein Rechtsanwalt in einer eigenen Angelegenheit gerichtlich tätig, besteht für ihn die Pflicht zur elektronischen Einreichung von Schriftsätzen nach § 55d VwGO jedenfalls dann, wenn er explizit als Rechtsanwalt auftritt.

VG Leipzig, Beschl. v. 20.5.2022 – 7 K 1786/19

Die durch § 55d VwGO vorgesehene aktive Nutzungspflicht der elektronischen Form für professionelle Prozessteilnehmer gilt auch für Behörden.

Strafverfahren/Bußgeldverfahren

BGH, Beschl. v. 3.5.2022 – 3 StR 89/22

Eine Revisionsbegründungsschrift muss nicht handschriftlich unterzeichnet sein, wenn sie gemäß § 32d Satz 2 StPO elektronisch übersandt wird und die Übermittlung über das besondere elektronische Anwaltspostfach (beA) erfolgt. Vielmehr genügt in diesem Fall, dass der Schriftsatz mit einer maschinenschriftlichen Wiedergabe des bürgerlichen Namens des die Revisionsbegründung verantwortenden Verteidigers oder Rechtsanwalts abgeschlossen wird.

BGH, Beschl. v. 24.5.2022 – 2 StR 110/22

KG, Beschl. v. 11.5.2022 – 3 Ws (B) 88/22

Folge der Nichteinhaltung der Übermittlungsverpflichtung gemäß § 32d Satz 2 StPO ist die Unwirksamkeit der Erklärung.

Bei einem Verstoß gegen die Formvorschrift des §§ 32d StPO, 110c OWiG kann dem Betroffenen jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt werden (KG).

BGH, Beschl. v. 8.6.2022 – 5 StR 177/22

Auch eine mittels elektronischem Dokument übermittelte Revisionsbegründung des Pflichtverteidigers muss von dem beigeordneten Verteidiger signiert sein und darf mithin nicht „in Vertretung für Rechtsanwalt …“ durch einen anderen Rechtsanwalt signiert worden sein.

KG, Beschl. v. 25.3.2022 – 3 Ws (B) 71/22

Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach §§ 32d Satz 2 StPO, 111c OWiG gilt (nur) für Verteidiger und Rechtsanwälte. Einem Bevollmächtigten des Betroffenen ist es hingegen möglich, Rechtsbeschwerde nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341 Abs. 1 StPO formgerecht per Telefax einzureichen.

OLG Celle, Beschl. v. 22.4.2022 – 1 Ss 5/22

Mit Eingang der per beA versandten Einspruchsrücknahme auf dem Server des Gerichts tritt Rechtskraft des Strafbefehls und damit ein von Amts wegen zu berücksichtigendes Verfahrenshindernis ein, durch das sich das gerichtliche Verfahren von selbst erledigt hat. Darauf, dass dem eine Hauptverhandlung durchführenden Richter die Rücknahme des Einspruchs unbekannt geblieben ist, kommt es insoweit nicht.

OLG Düsseldorf, Beschl. v. 31.5.2022 – V – 2 RBs 78/22

Ein per beA gestellter Entbindungsantrag, der 35 Minuten vor dem Hauptverhandlungstermin eingeht, ist nicht rechtzeitig gestellt.

OLG Hamm, Beschl. v. 27.5.2022 – 5 RVs 53/22

§ 32a Abs. 3 StPO enthält für ein Dokument, das schriftlich abzufassen, zu unterschreiben oder zu unterzeichnen ist, zwei mögliche Wege der Übermittlung im elektronischen Rechtsverkehr bereit: Ein Weg ist die Übermittlung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person. Der andere Weg ist die (einfache) Signatur der verantwortenden Person bei gleichzeitiger Einreichung auf einem sicheren Übermittlungsweg. Für die einfache Signatur reicht die Namenswiedergabe des Verfassers am Ende des Textes.

OLG Oldenburg, Beschl. v. 25.2.2022 – 1 Ss 28/22, StraFo 2022, 147 = StRR 4/2022, 24

1. Die in § 32a Abs. 6 Satz 2 StPO vorgesehene Fiktion fristwahrender Einlegung nach Hinweis auf die mangelnde Eignung einer zuvor mittels elektronischen Dokumentes eingereichten Revisionsbegründung kann nur durch die Einreichung eines für die Bearbeitung durch das Gericht geeigneten elektronischen Dokumentes ausgelöst werden, nicht durch Übermittlung einer Revisionsbegründung in Papierform.

2. Ebenso genügt nur die Einreichung eines für die Bearbeitung durch das Gericht geeigneten elektronischen Dokumentes den Anforderungen einer die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand rechtfertigenden Nachholung der versäumten Handlung.

LG Arnsberg, Beschl. v. 6.7.2022 – 3 Ns-360 Js 24/21-73/22

Die bloße Erklärung des Verteidigers, dass eine Übermittlung der Berufung als elektronisches Dokument vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich ist, rechtfertigt keine Ersatzeinreichung. Ein Verteidiger muss vortragen, dass er über eine einsatzbereite technische Infrastruktur verfügt, und ob eine Störung im Bereich der Hardware oder der Software oder in anderen Umständen begründet ist. Es ist ferner darzulegen, seit welchem Zeitpunkt die Störung besteht, und ob bzw. wann sich der Verteidiger mit der gebotenen Sorgfalt um die (Wieder-)Herstellung der erforderlichen technischen Voraussetzungen bemüht hat.

AG Hameln, Beschl. v. 14.2.2022 – 49 OWi 23/22, VRR 4/2022, 26 = StRR 4/2022, 43

Der Einspruch gegen den Bußgeldbescheid nach § 67 OWiG muss auch nach dem 1.1.2022 nicht per elektronischem Dokument eingelegt werden.

AG Tiergarten, Beschl. v. 5.4.2022 – 310 OWi 161/22

Nach §§ 67, 100c OWiG i.V.m. § 32d StPO ist ein Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid ausschließlich als signiertes elektronisches Dokument über das BeA – Besondere Anwaltspostfach – und das BeBPo – das besondere elektronische Behördenpostfach – zu übermitteln. Eine Übermittlung in Papierform oder als Telefax ist unzulässig.

LG Osnabrück, Beschl. v. 7.6.2022 – 2 T 142/22

AG Erfurt, Beschl. v. 11.4.2022 – M 1093/22

Die Staatsanwaltschaft trifft bei der Vollstreckung von Geldstrafen eine Nutzungspflicht hinsichtlich der elektronischen Übermittlungswege für Vollstreckungsaufträge gegenüber dem jeweiligen Vollstreckungsorgan aus § 130d ZPO.

Sonstiges

AG Hamburg, Beschl. v. 21.2.2022 – 67h IN 29/22, ZInsO 2022, 95

1. Die Vorschrift des § 130d ZPO ist auch im Insolvenzantragsverfahren anzuwenden. Ein „Dispens“ oder ein „Moratorium“ hinsichtlich der Nichtanwendung ist seitens der Insolvenzgerichte weder möglich noch statthaft.

2. Vorübergehende technische Störungen im Sinne von § 130d Satz 2 und 3 ZPO sind auch von öffentlich-rechtlichen Gläubigern ohne gerichtliche „Hilfestellung“ spätestens unverzüglich nach postschriftlicher Antragseinreichung ohne weitere Aufforderung glaubhaft zu machen mit den Mitteln des § 294 ZPO. Dies gilt auch dann, wenn solche mögliche Störungen bei Gericht generell amtswegig bekannt sind.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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