Beitrag

Die Modernisierung des Kaufrechts

I.

Ausgangspunkt

Nach der großen Schuldrechtsreform im Jahr 2001 ist das Kaufrecht in die Jahre gekommen. Seit damals ist der Erwerb von digitalen Waren zu einem Schwerpunkt bei Kaufvorgängen geworden. Die vorhandenen Vorschriften waren hierzu nicht mehr zeitgemäß. Der Gesetzgeber hat daher mit Wirkung zum 1.1.2022 europarechtliche Regelungen im deutschen Recht umgesetzt. Die Digitale-Inhalte-Richtlinie wurde umgesetzt durch das Gesetz zur Umsetzung dieser Richtlinie vom 25.6.2021 (BGBl I 2123) und die Warenkaufrichtlinie durch das Gesetz vom 25.6.2021 (BGBl I 2133). Sämtliche neue Vorschriften gelten für einschlägige, ab dem 1.1.2022 abgeschlossenen Verträge. Die eingeführten Normen sind auch und gerade für den Kauf von Neu- und Gebrauchtfahrzeugen als solchen sowie deren digitalen Zubehör (Stichwort: Navigationsgeräte) von Bedeutung. Gerade für den immer stärker werdenden Anteil digitaler Anteile an Kfz fehlte es bislang an einem zivilrechtlichen Rahmen (Reinking DAR 2021, 185, Statistiken zur digitalen Verbreitung in BT-Drucks 19/27424, S. 16 ff.).

Hinweis:

Naturgemäß gibt es zu diesem frühen Zeitpunkt seit Inkrafttreten der Neuerungen noch keine einschlägige Rechtsprechung. Angesichts der zahlreichen Neuerungen und deren praktischer Bedeutung ist allerdings alsbald mit einer Vielzahl einschlägiger Entscheidungen zu rechnen.

Hier werden nur die für die Praxis wesentlichen und bedeutsamen Vorschriften vorgestellt. Auf eine Gegenüberstellung der alten und neuen Vorschriften wurde hier aus Platzgründen verzichtet. Eine Synopse finden sich bei juris sowie in der Beilage zu DAR Heft 3/2022.

II.

Änderungen des allgemeinen Kaufrechts

1. Der neue Begriff des Sachmangels

Grundlegend geändert wurde der Sachmangelbegriff in § 434 BGB. Bislang war ein Sachmangel gegeben, wenn die Sache zu der vertraglich vorausgesetzten oder der gewöhnlichen Verwendung nicht geeignet war. Nunmehr muss die Sache bei Gefahrübergang kumulativ den subjektiven und objektiven Anforderungen entsprechen sowie Montageanforderungen entsprechen (dreigliedriger kumulativer Mangelbegriff). Nach § 434 Abs. 2 BGB entspricht die Kaufsache den subjektiven Anforderungen, wenn

  • (Nr. 1) sie die erforderliche Beschaffenheit hat,

  • (Nr. 2) sie sich für die vertraglich vorausgesetzte Verwendung eignet und

  • (Nr. 3) sie mit dem vereinbarten Zubehör und den vereinbarten Anleitungen einschließlich Montage- und Installationsanleitung Unger übergeben wird.

Zur Beschaffenheit gehören auch Art, Menge, Qualität, Funktionalität, Kompatibilität, Interoperabilität und sonstige Merkmale der Sache, die die Parteienanforderung vereinbart haben

Soweit nichts anderes vereinbart worden ist, entspricht die Sache nach § 434 Abs. 3 BGB den objektiven Anforderungen,

  • wenn sie sich für die gewöhnliche Verwendung eignet,

  • eine Beschaffenheit aufweist, die bei Sachen derselben Art üblich ist und die der Käufer erwarten kann unter Berücksichtigung der Art der Sache und der öffentlichen Äußerung, die von einem von dem Verkäufer oder einem anderen Glied der Vertragskette und deren Auftrag insbesondere in der Werbung und auf dem Etikett abgegeben wurde

  • der Beschaffenheit deiner Probe eines Musters entsprechen, die oder das der Verkäufer dem Käufer vor Vertragsschluss zur Verfügung gestellt hat und

  • sie muss mit dem Zubehör einschließlich Verpackung, Montagen Installationsanleitung sowie anderen Anleitungen übergeben werden.

Zu der üblichen Beschaffenheit gehören Menge, Qualität und sonstige Merkmale der Sache, einschließlich aller Haltbarkeit, Funktionalität Kompatibilität und Sicherheit. Unter den Begriff der Haltbarkeit fallen auch die Möglichkeit der Wartung und der Reparatur der Sache (Lorenz NJW 2021, 2066). Allerdings soll hierbei keine Halteranzeige begründet werden, sondern lediglich der Verkäufer dafür haften, dass die Kaufsache ihrer Funktion und ihrer Haltbarkeit nach Gefahrübergang behält. (BT-Drucks 19/27424, 24). Abs. 4 der Vorschrift enthält Vorgaben für die Montageanforderungen. Nach § 434 Abs. 6 BGB steht es einem Sachmangel gleich, wenn der Verkäufer eine andere als die vertraglich geschuldete Sache liefert.

Aus dem neuen kumulativen Erfordernis von objektiven und subjektiven Anforderungen ergeben sich deutliche Änderungen gegenüber der früheren Rechtslage. Denn hiernach kann eine Sache objektiv mangelhaft sein, obwohl sie einer getroffenen Beschaffenheitsvereinbarung entspricht. Für die Frage, was im objektiven Bereich üblicherweise erwartet werden kann, dürfte auf die bisher ergangene Rechtsprechung zum alten Recht zurückzugreifen sein (Giebler DAR 2021, 674). § 434 Abs. 2 Nr. 3 BGB gilt auch für den Neuwagenverkauf. Hier ist als Probe oder Muster der Vorführwagen heranzuziehen, der aber durchaus besser ausgestattet sein kann als das letztlich gelieferte Fahrzeug. Sofern nicht nachfolgend dargestellte abweichende Vereinbarung vorliegt, liegt dann ein Sachmangel vor. (Biermann DAR 2022, 134; Giebler DAR 2021, 674). Auch können sich Probleme bei den Erfordernissen der Bedienungsanleitungen etwa bei EU-Neufahrzeugen ergeben sowie im Bereich der Standzeit zwischen Herstellung und Erstzulassung (Giebler DAR 2021, 674; zu abweichenden Vereinbarungen beim Verbrauchsgüterkauf s.u. III 1a).

2. Weitere Änderungen

Weitere Änderungen betreffen das Recht auf Nacherfüllung (§ 439 BGB) sowie die neu eingeführten Vorschriften zum Regress des Verkäufers gegen den Lieferanten (§§ 445a bis 445c BGB; zu beiden eingehend Lorenz NJW 2021, 2066 ff.).

III.

Änderungen im Verbrauchsgüterkaufrecht

1. Abweichende Vereinbarung

a) Negative Beschaffenheitsvereinbarung

§ 476 BGB lässt in seinem Rahmen abweichende Vereinbarungen zur Sachmängelhaftung beim Verbrauchsgüterkauf zu. Die Voraussetzungen für solche abweichende Vereinbarungen sind allerdings verschärft worden. Von den Vorgaben der objektiven Anforderungen §§ 434 Abs. 3 und 475b Abs. 4 BGB kann nach § 476 Abs. 1 BGB vor Mitteilung eines Mangels an den Unternehmer durch Vertrag abgewichen werden,

  • wenn der Verbraucher vor Abgabe seiner Vertragserklärung eigens davon in Kenntnis gesetzt wurde, dass ein bestimmtes Merkmal der Ware von den objektiven Anforderungen abweicht und

  • diese Abweichung im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wird.

Eine Beschaffenheitsvereinbarung bleibt daher weiter möglich, wobei allerdings die Anforderungen unser einer solche Vereinbarungen strenger geworden sind (Meller-Hannich DAR 2021, 495). Das Merkmal „eigens davon in Kenntnis gesetzt“ wird nicht durch eine bloß pauschale Information erfüllt. Die Mitteilung der Abweichung im Rahmen der Produktbeschreibung wird nicht ausreichen (BT-Drucks 19/27424, S. 42). Auch ist jede Art konkludenter Vereinbarung ausgeschlossen, ebenso entsprechende Vereinbarung in Allgemeinen Geschäftsbedingungen ausreichen (BT-Drucks a.a.O.). Das Erfordernis „vor Abgabe seiner Willenserklärung“ ist jedenfalls so auszulegen, dass dem Verbraucher eine wohlüberlegte Entscheidung ermöglicht werden soll (BT-Drucks a.a.O.; Biermann DAR 2022, 134; näher Giebler DAR 2021, 676). Eine Schriftform der Vereinbarung ist aber nicht erforderlich (Lorenz NJW 2021, 2073). Die ausdrückliche und gesonderte Vereinbarung im Vertrag kann im Online-Handel durch bewusstes Anklicken einer dafür vorgesehenen Schaltfläche vereinbart werden (Giebler DAR 2021, 676).

b) Verjährung

Nach § 476 Abs. 2 BGB kann die Verjährungsfrist auf zwei Jahre und bei gebrauchten Waren nunmehr auch auf ein Jahr verkürzt werden. Eine entsprechende Vereinbarung ist aber nur wirksam, wenn der Verbraucher vor der Abgabe seiner Vertragserklärung von der Verkürzung der Verjährungsfrist eigens in Kenntnis gesetzt wurde und die Verkürzung der Verjährungsfrist im Vertrag ausdrücklich und gesondert vereinbart wurde. Abs. 4 der Vorschrift sieht vor, dass sowohl hinsichtlich der abweichenden Vereinbarungen zu Sachmängeln und zur Verjährung die Vorschrift auch anzuwenden ist, wenn sie durch anderweitige Gestaltungen umgangen werden soll. (zur Verjährungshemmung siehe auch den neuen § 475e BGB).

2. Ausschluss der Anwendbarkeit des § 442 BGB

Nach § 442 BGB sind die Sachmängelrechte des Käufers ausgeschlossen, wenn er bei Vertragsschluss den Mangel kannte. Beim Verbrauchsgüterkauf ist die Anwendung dieser Vorschrift nunmehr gemäß § 475 Abs. 3 Satz 2 BGB ausgeschlossen. Das ist die Konsequenz aus der Regelung in § 476 BGB, wonach in diesem Bereich die bloße Kenntnis des Käufers für einen Ausschluss des Anspruchs nicht genügen soll (BT-Drucks 19/27653, S. 29). Die Nichtanwendung des §§ 442 BGB soll eine Umgehung der dortigen Formvorschriften entgegenwirken (Giebler DAR 2021, 675).

3. Dauer der Beweislastumkehr

Die Dauer für die Vermutungsregel in § 477 Abs. 1 BGB ist von sechs Monaten auf ein Jahr erhöht worden. Zeigt sich innerhalb dieser Frist seit Gefahrübergang ein von den Anforderungen nach § 434 oder § 475b BGB abweichender Zustand der Ware, so wird vermutet, dass die Ware bereits bei Gefahrübergang mangelhaft war, es sei denn, diese Vermutung ist mit der Art der Ware oder des. Diese Beweislastumkehr gilt auch beim Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen (§ 475b BGB, s.u. IV 2b). Ist die dauerhafte Bereitstellung solcher digitalen Elemente im Vertrag vereinbart worden, so gilt die Vermutungswirkung während der Dauer der Bereitstellung oder für zwei Jahren seit Gefahrübergang.

4. Weitere Änderungen

Zudem hat es weitere Änderungen im Bereich des Nacherfüllungsanspruches (§ 475 Abs. 5 BGB) sowie zum Inhalt einer Garantieerklärung (§ 479 BGB) gegeben.

IV.

Die neuen Vorschriften zu digitalen Produkten

Der Gesetzgeber hatte zeitgemäß neue Vorschriften zu Verträgen geschaffen, die digitale Produkte betreffen. Dabei wurden zwei voneinander zu unterscheidenden Komplexe an Vorschriften geschaffen. Im Allgemeinen Teil des Schuldrechts wurden mit den §§ 327 ff. BGB neue Regeln zu Verbraucherverträgen über digitale Produkte geschaffen. Diese Regeln gelten für alle Verbraucherverträge über digitale Produkte unabhängig vom konkreten Vertragstypus sowohl für den einmaligen Leistungsaustausch wie auch für Dauerschuldverhältnisse. Demgegenüber erfassen die neu eingeführten §§ 475a fortfolgende BGB speziell die Vorgaben für Verbrauchsgüterkaufverträge über digitale Produkte. Dabei ist das Zusammenspiel beider Normenkomplexe zu beachten. Es gilt dabei der Grundsatz: Die §§ 327 ff. BGB sind anwendbar, wenn die Ware auch ohne den digitalen Anteil funktioniert. Ist hingegen die Ware ohne die digitale Komponente nicht nutzbar, gelten die Norm zum Verbraucherkaufvertrag (Reinking DAR 2021, 188; dort auch zu den sonstigen Vertragstypen über digitale Produkte).

1. Die allgemeinen Regeln für Verbraucherverträge

§§ 327, 327a BGB geben den Anwendungsbereich für die nachfolgenden Vorschriften vor. Digitale Produkte sind digitale Inhalte oder digitale Dienstleistungen. Digitale Inhalte sind in Abs. 2 legaldefiniert Daten, die in digitaler Form erstellt und bereitgestellt werden. Digitale Dienstleistungen sind Dienstleistungen, die dem Verbraucher die Erstellung, die Verarbeitung oder die Speicherung von Daten in digitaler Form oder den Zugang zu solchen Taten ermöglichen oder die gemeinsame Nutzung der vom Verbraucher oder anderen Benutzern der entsprechenden Dienstleistung in digitaler Form hochgeladenen oder erstellten Daten oder sonstige Interaktion mit diesen Daten ermöglichen. Nach § 327 Abs. 4 BGB werden auch Verbraucherverträge erfasst, die digitale Produkte zum Gegenstand haben, die nach den Spezifikationen des Verbrauchers entwickelt werden. Hierunter fällt etwa der Auftrag zu einem digitalen Motortuning (Reinking DAR 2021, 186). Die einschlägigen Regeln sind gemäß § 327a Abs. 1 BGB auch auf Paketverträge anwendbar, die neben der Bereitstellung digitaler Produkte auch die Bereitstellung anderer Sachen oder Dienstleistungen zum Gegenstand haben. Auch erfasst sind Verbraucherverträge über Sachen, die digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind. Dies gilt grundsätzlich für diejenigen Bestandteile des Vertrags welche die digitalen Produkte betreffen (§ 327a Abs. 2 BGB).

Die nachfolgenden Vorschriften betreffen die Bereitstellung solcher Produkte, den Produktmangel, Verjährung und Beweislastumkehr, Aktualisierungen sowie abweichenden Vereinbarung und die Rechte des Verbrauchers bei Mängeln (eingehend hierzu Reinking DAR 2021, 189 ff.).

2. Die speziellen Regeln für Verbrauchsgüterkaufverträge

a) Anwendungsbereich

Für Verbrauchsgüterkaufverträgen, welche einen körperlichen Datenträger zum Gegenstand haben, der ausschließlich als Träger digitaler Inhalte dient, schließt § 475a Abs. 1 BGB die Anwendung der Vorschriften über den Verbrauchsgüterverkauf weitgehend aus und verweist damit auf die §§ 327 ff. BGB. Bei Verbrauchsgüterkaufverträgen über eine Ware, die in einer Weise digitale Produkte enthält oder mit diesen verbunden ist, dass die Ware ihre Funktion auch ohne diese digitalen Produkte erfüllen kann, gilt für Mängel der digitalen Produkte entsprechend die Verweisung auf §§ 327 ff. BGB, während für den Mangel der Ware an sich weiterhin die Regeln über das Verbrauchsgüter Kaufrecht gelten (§ 475a Abs. 2 BGB).

b) Waren mit digitalen Elementen

aa) Vertragliche und funktionale Komponente

Dabei handelt es sich um Waren, die in einer Weise digitale Produkte enthalten oder mit ihnen verbunden sind, dass die Waren ihre Funktion ohne diese digitalen Elemente nicht erfüllen können (§ 327a Abs. 3 S. 1 BGB). Die Sachmängelhaftung richtet sich nach § 475b BGB, wenn es sich um den Kauf einer Ware mit digitalen Elementen handelt, dem sich der Unternehmer verpflichtet, dass er oder ein Dritter die digitalen Elemente bereitstellt. Kumulativ müssen also sowohl ein funktionales als auch ein vertragliches Kriterium vorliegen (BT-Drucks 19/27653, S. 46). Das Vorliegen des vertraglichen Kriteriums, die Bereitstellung des digitalen Elements, ist im Zweifel anzunehmen (§ 327a Abs. 3 S. 2 BGB). An die Widerlegung dieser Vermutung sind hohe Anforderungen zu stellen. Ein Ausschluss durch AGB reicht nicht aus (Reinking DAR 2021, 188). Der Käufer eines Fahrzeugs mit eingebautem Navigationssystem darf davon ausgehen, dass die entsprechenden digitalen Inhalte und Dienstleistungen auch bereitgestellt werden (Meller-Hannich DAR 2021,495).

bb) Abgrenzungsfragen bei der funktionalen Komponente

Schwierigkeiten wirft hingegen das funktionale Element auf, nämlich ob das Fehlen der enthaltenen digitalen Produkte die Ware als solche daran hindert, ihre Funktion zu erfüllen. Deutlich wird das beim Verkauf von Kraftfahrzeugen, welche grundsätzlich als Waren mit digitalen Elementen anzusehen sind (BT-Drucks 19/27424, S. 18; Giebler DAR 2021, 674). Die Steuerungssoftware für den Motor ist zur Benutzung des Fahrzeuges unabdinglich, da es ohne die Software nicht fortbewegt werden kann. Demgegenüber ist ein verbautes Navigationssystem nicht für die Nutzung der Grundfunktion des Fahrzeuges erforderlich, da auch ohne diese Systeme fortbewegt werden kann (vgl. Biermann DAR 2022, 135). Hierunter fallen auch sog. Connected Car Services, standortabhängige Diebstahlschutzeinrichtungen oder Hilfen beim Auffinden des Abstellortes. Zur Abgrenzung wird man weder auf die reinen Grundfunktionen der Ware abstellen können, da dies bei vielen Produkten bedeuten würde, dass die von der Allgemeinheit als zunehmend wichtig erachteten „smarten“ Eigenschaften unberücksichtigt blieben. Auch das Abstellen auf die vertraglich geschuldete Funktion dürfte insofern nicht passen. Richtigerweise ist auf die Funktionalität anhand objektiver Verbrauchererwartungen abzustellen. Angesichts der aktuellen Erwartungen der Verbraucher ist von Bedeutung, ob die Ware als „smartes“ Produkt verstanden wird und die smarten Eigenschaften nach allgemeiner Erwartung als relevant angesehen werden (Biermann DAR 2022, 135).

c) Sachmangel

Für den Begriff des Sachmangels stellt § 475b Abs. 2 und 3 BGB für den objektiven und subjektiven Fehlerbegriff auf die allgemeine Regelung in § 434 Abs. 2 und 3 BGB ab. Bedeutsam ist, dass den Unternehmer nach § 475b Abs. 3 BGB eine Aktualisierungspflicht trifft (siehe auch § 327f BGB). In subjektiver Hinsicht liegt ein Mangel vor, wenn der Unternehmer für die digitalen Elemente dem Kaufvertrag vereinbarten Aktualisierung während des nach dem Vertrag maßgeblichen Zeitraums nicht bereitstellt (§ 475b Abs. 3 Nr. 2 BGB). Die objektiven Anforderungen werden nach Abs. 4 Nr. 2 erfüllt, wenn dem Verbraucher während des Zeitraums, den er aufgrund der Art und des zwecks der Ware und ihren digitalen Elementen sowie unter Berücksichtigung der Umstände und der Art des Vertrages erwarten kann, Aktualisierung bereitgestellt zu bekommen, die für den Erhalt der Vertragsmäßigkeit der Ware erforderlich sind und der Verbraucher über diese Aktualisierungen informiert wird. Abs. 5 der Vorschrift sieht einen Ausschluss der Sachmängelhaftung vor, wenn der Verbraucher es unterlässt, die bereitgestellte Aktualisierung innerhalb einer angemessenen Frist zu installieren. Kriterien für den Umfang und die Dauer der Aktualisierungen können die üblichen Nutzung- und Verwendungsdauer von Waren dieser Art sein sowie entsprechende Werbeaussagen (BT-Drucks 19/27424, S. 33). Zu beachten ist, dass der Unternehmer als Verkäufer vielfach solche Aktualisierungen nicht selbst herstellt, sondern von dem entsprechenden Hersteller der Ware abhängig ist. Insofern ist bei Einhaltung der entsprechenden Formerfordernisse eine Freizeichnung von der Aktualisierungspflicht nach Maßgabe des § 476 Abs. 1 S. 2 BGB möglich (näher Giebler DAR 20 1, 676; zu den Anforderungen an die Mangelfreiheit der vertraglich geschuldeten Installation § 475b Abs. 6 BGB).

§ 475c BGB behandelt den Sachmangel einer Ware mit digitalen Elementen, wenn eine dauerhafte Bereitstellung der digitalen Elemente vereinbart worden ist. Nach Abs. 2 der Vorschrift haftet der Unternehmer dafür, dass die digitalen Elemente eines Bereitstellungszeitraums, mindestens aber für einen Zeitraum von zwei Jahren ab der Ablieferung der Ware mangelfrei sein muss. Auf diesem Weg wird die Beurteilung der Mangelfreiheit also vom Moment des Gefahrübergangs auf den gesamten Zeitraum der Bereitstellung ausgedehnt. Dies ist angesichts der auf Dauer angelegten Bereitstellung folgerichtig.

Ist bei Waren mit digitalen Elementen die dauerhafte Bereitstellung diese Elemente im Kaufvertrag vereinbart und zeigt sich der Mangel der digitalen Elemente während der Dauer der Bereitstellung oder innerhalb eines Zeitraums von zwei Jahren seit Gefahrübergang, wird vermutet, dass sie digitalen Elemente während der bisherigen Dauer der Bereitstellung mangelhaft waren (§ 477 Abs. 2 BGB). Für einmalig bereitgestellte digitale Elemente gilt die Regelung des §§ 477 Abs. 1 BGB (s.o. III 3). Dies kann in der Praxis problematisch sein. Es kommt vor, dass elektronische Defekte plötzlich und unvermittelt auftreten, sodass keine Inkubationszeit festgestellt werden kann, die es erlaubt, die Rückwirkungsvermutung anzuwenden. Es dürfte daher bei Softwaremängeln schwierig sein, hier einen einschlägigen Zeitpunkt feststellen zu können (Giebler DAR 2021, 677).

c) Weitere Änderungen

§ 475d BGB enthält Sonderbestimmungen für Rücktritt und Schadensersatz beim Verbrauchsgüterkauf auf. Abweichend von § 440 BGB ist unter den dort genannten Vorgaben eine Fristsetzung zur Erfüllung nicht erforderlich (eingehend hierzu Giebler DAR 2021, 676; Lorenz NJW 2021, 2071). Die neue Vorschrift des § 475e BGB enthält Sondervorschriften für die Verjährung beim Verbrauchsgüterkauf. Nach Abs. 1 der Vorschrift endet beim Kauf von Waren mit digitalen Elementen die zweijährige Verjährungsfrist des §§ 438 Abs. 1 Nr. 3 BGB nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach Ende des Bereitstellungszeitraums. Ansprüche wegen einer Verletzung der Aktualisierungspflicht verjähren nach Abs. 2 nicht vor Ablauf von zwölf Monaten nach dem Ende des Zeitraums der Aktualisierungspflicht. Abs. 3 der Vorschrift sieht eine allgemeine Ablaufhemmung von vier Monaten nach dem Zeitpunkt vor, in dem sich der in dem sich der Mangel innerhalb der Verjährungsfrist erstmalig gezeigt hat. Die Verjährungsfrist wird damit länger als die Haftungsfrist (näher Giebler DAR 2021, 677; Lorenz NJW 2021, 2071; s.a. Meller-Hannich DAR 2021, 496 zu den verschiedenen Staffelungen von Haftung- und Verjährungsfristen).

Richter am Amtsgericht Dr. Axel Deutscher, Bochum

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