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Rechtsprechungsreport 2022_01: Ordnungswidrigkeitenrecht

Anspruch auf Einsichtnahme in Messunterlagen („Lebensakte“)

Bei einer Verteidigung gegen einen Bußgeldbescheid wegen einer Geschwindigkeitsüberschreitung sind dem Betroffenen u.a. die Unterlagen zu Wartungen oder Reparaturen an dem verwendeten Messgerät, die zum Teil auch als „Lebensakte“ bezeichnet werden, vorzulegen.

(Leitsatz des Verfassers)

VerfGH Rheinland-Pfalz, Beschl. v. 13.12.2021VGH B 46/21

I. Sachverhalt

Das AG hat den Betroffenen am 23.9.2020 wegen fahrlässiger Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften verurteilt. Die Messung wurde mit dem Messgerät Poliscan Speed M1 vorgenommen. Die Verteidigung hatte bereits vor der Hauptverhandlung u.a. Einsicht in die Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen beantragt und hat diesen Antrag in der Hauptverhandlung wiederholt – verbunden mit einem Aussetzungsantrag bis zur Aushändigung und Überprüfung der Unterlagen. Das AG hat einen Anspruch auf Einsichtnahme verneint. Das Führen einer sog. Lebensakte für das Messgerät sei in Rheinland-Pfalz nicht vorgeschrieben und eine solche werde auch nicht vorgehalten. Das OLG Koblenz hat den Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen. Eine Versagung des rechtlichen Gehörs i.S.d. § 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG liege nicht vor. Die Vorschrift sei auch nicht erweiternd dahin auszulegen, dass hiervon auch ein behaupteter Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren erfasst werde. Die Zulassung der Rechtsbeschwerde zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder aus Gründen der Rechtsfortbildung (§ 80 Abs. 1 Nr. 1 OWiG) komme ebenfalls nicht in Betracht. Ungeachtet dessen übersteige die Herausgabe der begehrten Wartungs-, Instandsetzungs- und Eichunterlagen das vom BVerfG als schützenswert erachtete Informationsinteresse. Zudem habe die Verteidigung nicht vorgetragen, dass sie sich – über das Anschreiben der Bußgeldstelle hinaus – um Herausgabe der Unterlagen etwa beim Hersteller oder bei der die konkrete Messung durchführenden Polizeidienststelle bemüht habe.

II. Entscheidung

Der VerfGH hebt das Urteil des AG, das noch vor dem Beschl. des BVerfG v. 12.11.2020 – 2 BvR 1616/18 – ergangen ist, und den Beschluss des OLG Koblenz wegen Verletzung des Rechts auf ein faires Verfahren auf und verweist die Sache zur erneuten Entscheidung an das AG.

Nach dem Beschl. des BVerfG v. 12.11.2020 (2 BvR 1616/18, VRR 1/2021, 4) hat der Betroffene im Fall der Verwendung standardisierter Messverfahren einen aus dem Recht auf ein faires Verfahren (Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK) hergeleiteten Anspruch auf Zurverfügungstellung bzw. Einsicht auch in nicht bei den Akten befindliche Messunterlagen, die er für die Prüfung des Tatvorwurfs benötigt (vgl. Burhoff/Niehaus in: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 6. Aufl., 2021, Rn 225 ff.). Das BVerfG hat diese Rechtsprechung inzwischen mehrfach bestätigt (Beschl. v. 28.4.2021, 2 BvR 1451/18, StRR 9/2021, 30 = VRR 9/2021, 18) und vom 4.5.2021 (2 BvR 868/20, DAR 2021, 385, und 2 BvR 277/19). Denn erst durch die Anerkennung des Einsichts- und Überprüfungsrechts werde der Betroffene in die Lage versetzt, seine Verfahrensrechte hinreichend wahrzunehmen, da es ihm im Fall der Verwendung standardisierter Messverfahren obliegt, konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Messung vorzutragen. Die Anerkennung der Grundsätze über den Einsatz standardisierter Messverfahren steht und fällt daher mit der Anerkennung des Einsichtnahme- und Überprüfungsrechts der Verteidigung (Cierniak zfs 2012, 664, 672; Cierniak/Niehaus DAR 2014, 2, 7; dies. DAR 2018, 541).

Dieses Einsichtsrecht erstreckt sich auf die Reparatur- und Wartungsunterlagen. Insoweit stelle aber in zeitlicher Hinsicht der Eichzeitraum die maßgebliche Grenze für das berechtigte Informationsbegehren des Betroffenen dar (vgl. OLG Zweibrücken DAR 2021, 402; Krenberger NZV 2021, 209, 210). Reparaturen oder Wartungen vor der letzten Eichung wiesen keinen Zusammenhang mit der konkreten Messung auf; sie seien durch die Eichung gleichsam überholt. Liegen demgegenüber keine Reparatur- und Wartungsunterlagen vor, weil nach der letzten Eichung und nach der streitgegenständlichen Messung keine Wartungen oder Reparaturen an dem Messgerät durchgeführt worden sind, könne von der Bußgeldbehörde schon faktisch lediglich eine Erklärung hierüber gefordert werden (vgl. Ropertz NZV 2021, 500, 502).

III. Bedeutung für die Praxis

1. Der VerfGH Rheinland-Pfalz bestätigt zunächst, dass im Rahmen des Anspruchs auf Einsichtnahme in die Messunterlagen auch ein Anspruch auf Einsicht in die Unterlagen zu Wartungen und Reparaturen oder sonstigen Eingriffen am Messgerät (einschließlich elektronisch vorgenommener Maßnahmen, also Softwareänderungen und -aktualisierungen) besteht, zu deren Aufbewahrung der Verwender eines Messgeräts nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG verpflichtet ist (vgl. auch Burhoff/Burhoff/Niehaus, a.a.O., Rn 2868 ff.). Das entspricht im Übrigen auch der Rspr. etwa des OLG Zweibrücken (DAR 2021, 402; dazu Niehaus DAR 2021, 377, 378). Gleichgültig ist dabei, ob die Sammlung dieser Unterlagen als „Lebensakte“ bezeichnet wird oder nicht (Burhoff/Burhoff/Niehaus, a.a.O., Rn 2872). Wird eine solche Sammlung entgegen § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG nicht geführt, so obliegt der Bußgeldbehörde die Klärung der Frage, ob an dem Gerät nach der letzten Eichung Reparaturen vorgenommen worden sind (OLG Naumburg VRR 4/2016, 14 = DAR 2016, 215).

In zeitlicher Hinsicht beschränkt sich das Einsichtsrecht nach der Auffassung des VerfGH auf den Zeitraum zwischen der letzten Eichung vor der Messung und der ersten Eichung nach der Messung. Das Einsichtnahmerecht ist nicht auf den Zeitraum bis zur Messung begrenzt, denn auch aus nach der streitgegenständlichen Geschwindigkeitsmessung erfolgten Reparaturen können sich Rückschlüsse auf die Funktionsfähigkeit des Messgerätes zum Tatzeitpunkt ergeben.

Da die Verfassungsbeschwerde bereits mit Blick auf die verweigerte Herausgabe der Wartungs- und Instandsetzungsunterlagen Erfolg hatte, musste sich der VerfGH hinsichtlich der weiteren von der Verteidigung aufgeworfenen Frage des Einsichtsrechts etwa in die Messdaten des gesamten Tattages (gesamte Messreihe; über die Daten der konkreten Messung des Betroffenen hinaus) nicht festlegen (vgl. die Divergenzvorlage des OLG Zweibrücken VRR 7/2021, 22). Der VerfGH verneint aber auch insoweit ein Einsichtsrecht nicht ausdrücklich (etwa im Rahmen eines obiter dictums). Gleiches gilt für die weitere umstrittene Frage, ob es zu einem Beweisverwertungsverbot führt, wenn das verwendete Geschwindigkeitsmessgerät die Rohmessdaten nicht speichert (vgl. VerfGH Saarland VRR 8/2019, 11; vgl. auch Burhoff/ Burhoff/Niehaus, a.a.O., Rn 236 ff. m.w.N.). Hinsichtlich der letzteren Frage hatte der VerfGH Rheinland-Pfalz in einem im Eilantragsverfahren ergangenen Beschluss v. 21.6.2021 (VGH A 39/21, DAR 2021, 554), immerhin ausgeführt, dass der dortigen Verfassungsbeschwerde der Erfolg nicht von vornherein versagt werden könne.

Die offenbar auch weiterhin fortdauernde Verweigerung der Einsichtnahme in Messunterlagen jedenfalls in Teilbereichen (vgl. auch Cierniak/Niehaus NStZ 2014, 527: „anachronistisch wirkende Blockadehaltung“), auch mittels teils nicht nachvollziehbarer Anforderungen an die Zulässigkeit einer Rechtsbeschwerde oder eines Zulassungsantrags – so erschließt sich nicht, inwiefern und weshalb sich die Verteidigung nach der Auffassung des OLG Koblenz „bei dem Gerätehersteller“ oder „der mit der konkreten Messung betrauten Polizeidienststelle“ um „entsprechende Unterlagen“ hätte bemühen sollen, da die Aufbewahrungspflicht nach § 31 Abs. 2 Nr. 4 MessEG den Geräteverwender trifft – stößt vor dem VerfGH zu Recht an verfassungsrechtliche Grenzen. Letztlich eröffnen die Fachgerichte durch die Verweigerung der Einsichtnahme erst die Möglichkeit erfolgreicher Rechtsmittel unter Berufung auf einen Verstoß gegen das Recht auf ein faires Verfahren. Die weitere Entwicklung in diesem Bereich bleibt – etwa mit Blick auf das anhängige Verfassungsbeschwerdeverfahren zur Frage der Rechtsfolgen, wenn die Rohmessdaten nicht gespeichert werden (BVerfG 2 BvR 1167/20) – abzuwarten.

RiLG Dr. Holger Niehaus, Düsseldorf

Verwertung nicht verlesener Urkunden und Rechtsbeschwerde

Wird beanstandet, das Tatgericht habe den Inhalt in der Hauptverhandlung nicht verlesener Urkunden verwertet, so gehört zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge nicht nur die Behauptung, dass die Urkunde nicht verlesen worden, sondern auch die Darlegung, dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden sei.

(Leitsatz des Verfassers)

OLG Koblenz, Beschl. v. 5.11.20212 OWi 32 SsRs 254/21

I. Sachverhalt

Das AG hat den Betroffenen u.a. wegen Nichtbeachtung eines Überholverbotes zu einer Geldbuße von 135,00 EUR verurteilt. Der Betroffene war von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen entbunden. An der Hauptverhandlung haben weder der Betroffene noch sein Verteidiger teilgenommen. Der Betroffene hat gegen das Urteil Rechtsbeschwerde eingelegt. Die hatte beim OLG Erfolg.

II. Entscheidung

Das OLG hat das amtsgerichtliche Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufgehoben. Bei der Rüge der Verletzung rechtlichen Gehörs handele es sich um eine Verfahrensrüge, die der Formvorschrift der §§ 80 Abs. 3 Satz 3 OWiG, 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügen müsse. Das sei hier der Fall. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs sei auch insoweit gerügt worden, als die Inbegriffsrüge erhoben worden sei. Gründe das Gericht seine Überzeugung nämlich auch auf Tatsachen, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, zu denen sich also der Angeklagte/Betroffene dem erkennenden Gericht gegenüber nicht abschließend äußern konnte, so verstoße das Verfahren nicht nur gegen § 261 StPO, sondern zugleich auch gegen den in § 261 StPO zum Ausdruck kommenden Grundsatz des rechtlichen Gehörs (BGH NStZ 2017, 375; KG, Beschl. v. 14.9.2017 – 3 Ws 282/17, VA 2018, 11). Wenn mit dem der Inbegriffsrüge zugrunde liegenden Verstoß aber stets eine Verletzung des rechtlichen Gehörs einhergehe, beinhalte die Erhebung der Inbegriffsrüge zwingend auch die Rüge der Verletzung des rechtlichen Gehörs. Dies gelte hier umso mehr als der Rechtsbeschwerdeführer später ausdrücklich unter dem Gesichtspunkt der Verletzung des rechtlichen Gehörs rüge, dass das Gericht sich im Rahmen der schriftlichen Urteilsgründe auch auf eine Bedienungsanleitung beziehe, die weder Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, noch sich überhaupt bei den Akten befunden habe.

Die Rüge sei auch ordnungsgemäß erhoben. Werde beanstandet, das Tatgericht habe den Inhalt in der Hauptverhandlung nicht verlesener Urkunden verwertet, so gehöre zur ordnungsgemäßen Begründung der Verfahrensrüge nicht nur die Behauptung, dass die Urkunde nicht verlesen worden, sondern auch die Darlegung, dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden sei (vgl. u.a. BGH NStZ 2014, 604; OLG Düsseldorf StV 1995,120; KG StV 2013, 433; Sander in: Löwe/Rosenberg, StPO 26. Aufl., § 261 Rn 265). Die Verfahrensrüge sei nur dann in zulässiger Weise erhoben, wenn der Beschwerdeführer die den Mangel enthaltenden Tatsachen angebe. Diese Angaben müssen objektiv richtig (vgl. BGH StraFo 2011, 318), mit Bestimmtheit und so genau und vollständig (ohne Bezugnahmen und Verweisungen) erfolgen, damit das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift – ohne Rückgriff auf die Akte und auf das Hauptverhandlungsprotokoll – erschöpfend prüfen könne, ob ein Verfahrensfehler vorliege, wenn die behaupteten Tatsachen, ihre Erweisbarkeit vorausgesetzt, zutreffen (BGH, Beschl. v. 12.3.2013 – 2 StR 34/13; KG, Beschl. v. 15.8.2017 – 3 Ws (B) 182/17; KK/Gericke, StPO 8. Aufl. 2019, § 344 Rn 38-39).

Diesen Anforderungen genügte nach Auffassung des OLG die Rechtsbeschwerdeschrift des Verteidigers. Zunächst werde behauptet und durch das Protokoll, das sowohl vollständig als auch im Rahmen der Rüge nochmals auszugsweise, soweit es die Beweisaufnahme angehe, wiedergegeben wird, belegt, dass weder das Messprotokoll noch die Bedienungsanleitung förmlich zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden seien. Es sei weder das Selbstleseverfahren angeordnet, noch sei im Rahmen des Selbstleseverfahrens das Messprotokoll eingeführt worden. Die Bedienungsanleitung sei ebenfalls nicht zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden. Da sich aus der Rechtsbeschwerdebegründung – namentlich aus dem vollständig abgedruckten Protokoll – ergebe, dass niemand in der Hauptverhandlung anwesend war, könne auch ausgeschlossen werden, dass die Urkunden im Wege eines nicht zu protokollierenden Vorhaltes oder einer sonstigen Erörterung eingeführt worden seien.

Der Zulässigkeit der Rüge des rechtlichen Gehörs stehe auch nicht entgegen – so das OLG –, dass der Betroffene nicht darlegt, was er im Falle der ordnungsgemäßen Einführung der Beweismittel in die Hauptverhandlung vorgetragen hätte. Denn der Verstoß gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs liege nicht darin begründet, dass das Gericht die Beweismittel nicht in die Hauptverhandlung eingeführt habe, sondern darin, dass es im Urteil Beweismittel verwertet habe, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren. Der Mangel des Urteils und damit die Verletzung des rechtlichen Gehörs seien also in der Verwertung begründet. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Betroffene aber nichts mehr vortragen können. Dass das Urteil auf der unzulässigen Verwertung beruhe trage er vor. Dies ergebe sich auch aus den Urteilsgründen, auf die der Senat aufgrund der erhobenen allgemeinen Sachrüge zurückgreifen dürfe.

Das rechtliche Gehör sei auch verletzt, da das AG mit der Bedienungsanleitung und Messprotokoll Beweismittel verwertet habe, die nicht Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, wobei sich die Bedienungsanleitung nicht einmal bei den Akten befunden habe, so dass der Betroffene mit deren Verwertung von Anfang an nicht zu rechnen hatte. Das Urteil beruhe auch auf dem Verfahrensfehler, denn es könne nicht ausgeschlossen werden, dass das Gericht ohne die Verwertung der Bedienungsanleitung und des Messprotokolls zu einem anderen Ergebnis gekommen wäre. Das Gericht stütze sich an mehreren Stellen des Urteils auf das Messprotokoll und nehme auch ausdrücklich auf die Bedienungsanleitung Bezug.

III. Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung bringt nichts wesentlich Neues aus Koblenz, denn bei der entschiedenen revisions- und damit auch rechtsbeschwerderechtlichen Frage handelt es sich um einen Klassiker. An der Stelle werden in der Praxis aber immer wieder Fehler gemacht, so dass es zu begrüßen ist, dass das OLG Koblenz noch einmal in Erinnerung ruft, was bei der hier erhobenen „Inbegriffsrüge“, dass im Urteil Beweismittel. i.d.R. Urkunden, verwertet worden sind, die nicht Gegenstand der Hauptverhandlung waren, zur ordnungsgemäßen Begründung (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO) gehört. Das ist einmal der Vortrag, dass die Urkunde nicht verlesen worden ist. Hinzukommen muss die Darlegung, dass der Inhalt der Urkunde nicht in sonst zulässiger Weise eingeführt worden ist. Darum, ob dazu auch gehört, dass die Urkunde nicht im Selbstleseverfahren eingeführt worden ist, wovon das OLG auszugehen scheint, kann man streiten. Denn das Selbstleseverfahren ist sicherlich ein besonderes Verfahren, von dem eben wegen der Besonderheit nicht grundsätzlich ausgegangen werden kann. Das gilt sicherlich für eine Bußgeldsache beim AG. Vorgetragen werden muss aber auf jeden Fall, dass die Urkunde auch nicht ggf. im Rahmen eines Vorhalts bei einer Zeugenvernehmung zum Gegenstand der Hauptverhandlung gemacht worden ist. Denn das ergibt sich, da der Vorhalt nicht protokolliert werden muss, nicht aus dem Protokoll der Hauptverhandlung (§§ 273, 274 StPO). Das war hier offenbar nicht vorgetragen, was aber keine negativen Auswirkungen hatte, da nach dem Protokoll niemand in der Hauptverhandlung vernommen worden ist. Wem soll dann vorgehalten worden sein? Schließlich könnte es sich empfehlen, ggf. doch vorzutragen, was man in der Hauptverhandlung dargelegt hätte, wenn man sich erklärt hätte. Und ggf. verwendet man auch ein paar Worte auf die Beruhensfrage (§ 337 StPO).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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