Das Sichtfahrgebot gebietet es nicht, dass der Fahrer seine Geschwindigkeit auf solche Objekte (hier quer über einen für die Nutzung durch Radfahrer zugelassenen Weg gespannter, nicht auffällig gekennzeichneter Stacheldraht) einrichtet, die sich zwar bereits im Sichtbereich befinden, mit denen der Fahrer – bei Anwendung eines strengen Maßstabs – jedoch unter keinem vertretbaren Gesichtspunkt rechnen muss. Dies betrifft etwa Hindernisse, die wegen ihrer besonderen Beschaffenheit ungewöhnlich schwer erkennbar sind oder deren Erkennbarkeit in atypischer Weise besonders erschwert ist und auf die nichts hindeutet. Die falsche Reaktion eines Verkehrsteilnehmers stellt keinen vorwerfbaren Obliegenheitsverstoß dar, wenn dieser in einer ohne sein Verschulden eingetretenen, für ihn nicht vorhersehbaren Gefahrenlage keine Zeit zu ruhiger Überlegung hat und deshalb nicht das Richtige und Sachgerechte unternimmt, um den Unfall zu verhüten, sondern aus verständlichem Erschrecken objektiv falsch reagiert.
BGH, Urt. v. 23.4.2020 – III ZR 251/17
In den Fällen des § 116 SGB X sind die Leistungen der Sozialversicherungsträger auf den persönlichen Schaden des Verletzten (hier Pflegegeld) nicht anrechenbar. § 116 Abs. 6 S. 1 SGB X verstößt nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG.
OLG Köln, Urt. v. 20.5.2020 – 5 U 137/19
Erkrankt ein Rechtsanwalt unvorhersehbar am Tag vor dem Ablauf der Berufungsbegründungsfrist, ist er in der Regel nicht gehalten, einen vertretungsbereiten Kollegen mit der Anfertigung der Berufungsbegründung zu beauftragen.
BGH, Beschl. v. 28.5.2020 – IX ZB 8/18
Die mit der Ausübung des Amtes eines katholischen Priesters oder derjenigen eines jeden (hauptamtlichen) Geistlichen einer anderen Konfession oder Glaubensrichtung typischerweise verbundenen wesentlichen Aufgaben, darunter die ggf. kirchenrechtlich exklusive Legitimation zur (Einzel-)Sakramentsspendung, rechtfertigen regelmäßig für sich allein nicht das Absehen von einem verwirkten Regelfahrverbot oder die Anerkennung einer sonstigen Fahrverbotsprivilegierung.
BayObLG, Beschl. v. 27.4.2020 – 202 ObOWi 492/20
Die Kosten des Verfahrens der Rechtsbeschwerde trägt der Betroffene auch bei vollem Erfolg seines Rechtsmittels, wenn die angefochtene Entscheidung nur ergangen ist, weil er den Einspruch erst so kurz vor der Hauptverhandlung zurückgenommen hat, dass dies dem zuständigen Richter nicht mehr rechtzeitig zur Kenntnis gelangt ist.
OLG Bremen, Beschl. v. 22.4.2020 – 1 SsBs 65/19
Befindet sich die Bedienungsanleitung eines verwendeten standardisierten Messverfahrens nicht bei der Gerichtsakte, ist das Tatgericht grundsätzlich nicht verpflichtet, derartige Unterlagen auf Antrag der Verteidigung beizuziehen. Die Verteidigung des Betroffenen wird zudem nur dann unzulässig beschränkt, wenn dieser schon bei der Verwaltungsbehörde und sodann vor dem Amtsgericht im Verfahren nach § 62 OWiG erfolglos einen auf Herausgabe dieser Unterlagen gerichteten Antrag gestellt hat und sein erneuter, in der Hauptverhandlung mit einem Antrag auf Aussetzung des Verfahrens (§ 228 Abs. 1 StPO i.V.m. § 71 Abs. 1 OWiG) verbundener Antrag auf Einsichtnahme durch Beschluss des Gerichts zurückgewiesen wurde.
OLG Koblenz, Beschl. 7.5.2020 – 2 OWi 6 SsRs 120/20
Die Kosten privater eigener Ermittlungen des Beschuldigten sind in der Regel grundsätzlich nicht erstattungsfähig. Nur wenn sich etwa aufgrund bis dahin unzureichend geführter oder mangelhafter Ermittlungen die Notwendigkeit zur Einholung eines Gutachtens aufdrängt und einem entsprechenden Beweisantrag der Verteidigung nicht nachgekommen wird, kann ein Privatgutachten ausnahmsweise erstattungsfähig sein.
LG Potsdam, Beschl. v. 5.6.2020 – 24 Qs 28/20
Das sog. Messie-Syndroms kann wegen fehlender oder bedingter Fahreignung zumindest dann zur Entziehung der Fahrerlaubnis führen, wenn sich im eigenen Fahrzeug so viel Abfall befindet, dass die Sicht oder die Bedienung des Fahrzeugs beeinträchtigt wird.
VG Karlsruhe, Urt. v. 25.2.2020 – 9 K 4395/18
Der Konsum von Kokain in einer psychischen Ausnahmesituation führt nicht zunächst zum Absehen von der Entziehung der Fahrerlaubnis und zur Durchführung einer Medizinisch-Psychologischen Untersuchung (MPU).
VG Oldenburg, Beschl. v. 18.6.2020 – 7 B 1465/20
Bei der gebührenmäßigen Bewertung des jeweiligen Bußgeldverfahrens ist zu unterscheiden zwischen einem allgemeinen Durchschnittsfall, gemessen an den Verfahren aus anderen Ordnungswidrigkeitsbereichen, und einem Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten. Eine durchschnittliche Verkehrsordnungswidrigkeit ist nicht gleichzusetzen mit einem allgemeinen Durchschnittsfall aller Ordnungswidrigkeitenbereiche. Auf diesen Durchschnittsfall ist die Mittelgebühr zugeschnitten und nicht auf einen Durchschnittsfall aus dem Bereich der Verkehrsordnungswidrigkeiten.
LG Hanau, Beschl. v. 18.5.2020 – 7 Qs 38/20
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