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VRR-Kompakt

Konkrete Schadensabrechnung: Behindertenrabatt

Der Geschädigte, der im Wege der konkreten Schadensabrechnung Ersatz der Kosten für ein fabrikneues Ersatzfahrzeug begehrt, muss sich einen Nachlass für Menschen mit Behinderung anrechnen lassen, den er vom Hersteller aufgrund von diesem generell und nicht nur im Hinblick auf ein Schadensereignis gewährter Nachlässe erhält (Fortführung von BGH NJW 2012, 50 Rn 9 f.).

BGH, Urt. v. 14.7.2020 – VI ZR 268/19

Deliktszinsen: Gegenleistung

Deliktszinsen nach § 849 BGB können nicht verlangt werden, wenn der Geschädigte für die Hingabe seines Geldes im Wege des Leistungsaustauschs eine in tatsächlicher Hinsicht voll nutzbare Gegenleistung erhält. In diesem Fall kompensiert die tatsächliche Nutzbarkeit der Gegenleistung die Nutzungsmöglichkeit des Geldes.

BGH, Urt. v. 30.7.2020 – VI ZR 397/19

Gebrauchtwagenkauf: Rechtswidriger Vermögensvorteil

Für die Bewertung eines schädigenden Verhaltens als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB ist in einer Gesamtschau dessen Gesamtcharakter zu ermitteln und das gesamte Verhalten des Schädigers bis zum Eintritt des Schadens beim konkreten Geschädigten zugrunde zu legen. Dies wird insbesondere dann bedeutsam, wenn die erste potenziell schadensursächliche Handlung und der Eintritt des Schadens zeitlich auseinanderfallen und der Schädiger sein Verhalten zwischenzeitlich nach außen erkennbar geändert hat.

BGH, Urt. v. 30.7.2020 – VI ZR 5/20

Anwaltsverschulden: Fristenkontrolle

Der Rechtsanwalt ist nicht verpflichtet, durch Stichproben eine allgemeine Anweisung zur Ausgangskontrolle der Schriftsätze zu überwachen, wenn glaubhaft gemacht ist, dass die mit dieser Aufgabe betraute Bürokraft während ihrer langjährigen Tätigkeit noch nie eine Frist versäumt hatte und es sich um einen einmaligen Fehler handelte (im Anschluss an BGH VersR 1988, 1141).

BGH, Beschl. v. 2.7.2020 – VII ZB 46/19

Vollrausch: Feststellungen

Der Rausch muss als Tatbestandsmerkmal des § 323a Abs. 1 StGB zweifelsfrei vorliegen, also zur sicheren Überzeugung des Tatrichters erwiesen sein; bleiben Zweifel über das „Ob“ der Berauschung, ist eine Verurteilung nach § 323a StGB ausgeschlossen. Die Verurteilung wegen Vollrausches setzt die (sichere) Feststellung eines Rausches voraus, weil nur dann die strafbarkeitsbegründende Tathandlung, das Sich-in-einen-Rausch-versetzen, an die auch die Strafzumessung anknüpft, gegeben ist. In einem Fall des Zweifels, der von voller Schuldfähigkeit bis zu Schuldunfähigkeit reicht, ist der Angeklagte freizusprechen.

KG, Beschl. v. 10.6.2020 – (4) 161 Ss 65/20 (86/20)

Verteidiger als Vertreter: Befugnis zur Rechtsmittelrücknahme

Ein Verteidiger, der nicht nur als Beistand des Angeklagten (§ 137 StPO) tätig wird, sondern den abwesenden Angeklagten nach § 411 Abs. 2 StPO in der Hauptverhandlung zulässig vertritt, tritt in dieser Verfahrenssituation an die Stelle des Angeklagten und kann mit Wirkung für und gegen diesen Erklärungen abgeben und entgegennehmen, den Angeklagten also in der Erklärung und im Willen vertreten. Er ist befugt, sämtliche zum Verfahren gehörenden Erklärungen abzugeben, zu denen Rechtsmittelrücknahmen und somit auch Rechtsmittelbeschränkungen, die Teilrücknahmen darstellen, gehören.

KG, Beschl. v. 1.7.2020 – (4) 121 Ss 71/20 (74/20)

Standardisierte Messung: Rohmessdatenspeicherung

Die Verwertbarkeit der Ergebnisse von Geschwindigkeitsmessungen im standardisierten Messverfahren hängt nicht von ihrer nachträglichen Überprüfbarkeit anhand von Rohmessdaten durch den von der Messung Betroffenen ab. Werden von einer Gerätesoftware keine so genannten Rohmessdaten für den konkreten Messvorgang aufgezeichnet, abgespeichert, vorgehalten oder sonst nach Abschluss der Geschwindigkeitsmessung zur nachträglichen Befundprüfung bereitgehalten, führt dies nicht zu einem Verstoß gegen das Prozessgrundrecht auf ein faires rechtsstaatliches Verfahren, auch nicht in seiner Ausprägung als Recht auf eine wirksame Verteidigung, mit der Folge der Annahme eines Verwertungsverbotes. Das gilt unabhängig davon, ob Messdaten im Einzelfall von dem Gerät gespeichert werden oder nicht.

KG, Beschl. v. 5.4.2020 – 3 Ws (B) 64/20

Entbindungsantrag: Fahrverbot

Nach § 73 Abs. 2 OWiG hat das Gericht den Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, wenn dieser seine Fahrereigenschaft eingeräumt und im Übrigen angekündigt hat, sich in der Hauptverhandlung nicht weiter zur Sache zu äußern. Dies gilt auch dann, wenn – wie hier – über ein Fahrverbot zu entscheiden ist, da der Betroffene zwar berechtigt, aber nicht verpflichtet ist, an einer weiteren Aufklärung der persönlichen Verhältnisse mitzuwirken.

OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 29.6.2020 – 3 Ss-OWi 422/20

Beschwerde: Email

Die Form der Einlegung einer Beschwerde – per „JPG-Bilddatei“ im Anhang einer E-Mail – steht der Zulässigkeit des Rechtsmittels nicht grundsätzlich entgegen.

LG Hechingen, Beschl. v. 22.6.2020 – 3 Qs 45/20

Kündigung des Mandats: Vergütung

Ein Anwalt kann unter dem Gesichtspunkt „Interessenwegfall“ seinen Vergütungsanspruch verlieren, wenn er in einem schwierigen Mandatsverhältnis seinem Mandanten bei Nichtzahlung eines Vorschusses vor der Kündigung keine Kündigungsandrohung unter Verdeutlichung der Folgen zukommen lässt. Schreiben des Mandanten ohne Einschaltung seines Anwaltes an das Gericht können nur in Ausnahmefällen als schwerwiegende Pflichtverletzungen angesehen werden.

LG Bremen, Urt. v. 29.5.2020 – 4 S 102/19

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