1. Es stellt eine verbotene Vernehmungsmethode i.S.v. §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a StPO, 41 Abs. 1 OWiG dar, wenn der Betroffene, bei dem aufgrund stark erweiterter Pupillen ohne Reaktion und starkem Lidflattern nach Anhalten des von ihm geführten Pkw im grenznahen Gebiet zu den Niederlanden durch den Polizeibeamten der Anfangsverdacht für eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG bestand, ohne vorangegangene Belehrung zunächst befragt wird, „ob er etwas genommen habe“. Bei dieser Sachlage hatte der Betroffene bereits den Status eines solchen und es war eine Vernehmungssituation gegeben. Der Betroffene ist qualifiziert darüber zu belehren, dass seine früheren Angaben nicht verwertbar sind.
2. Die Ergebnisse der trotz fehlerhafter Belehrung „freiwillig“ abgegebenen Blutprobe unterliegen keinem Beweisverwertungsverbot.
3. Selbst wenn man eine Fernwirkung – noch dazu im Ordnungswidrigkeitenrecht – bejahen wollte, so fehlt es an der Kausalität des nicht unbedeutenden Verstoßes für die Überführung des Betroffenen. Denn aufgrund der Umstände, die den Anfangsverdacht begründeten, wäre auch nach ordnungsgemäßer Belehrung und jeglicher Verweigerung von Angaben und Mitwirkung des Betroffenen eine Blutentnahme rechtmäßig gemäß § 46 Abs. 4 S. 2 OWiG angeordnet worden, deren Ergebnis hätte verwertet werden dürfen.
(Leitsätze des Verfassers)
OLG Hamm,Beschl. v.31.3.2020–III-4 RBs 114/20
I. Sachverhalt
Der Betroffene wurde vom AG wegen fahrlässigen Führens eines Kfz unter Wirkung des berauschenden Mittels Cannabis (THC >>20 ng/ml) zu einer Geldbuße i.H.v. 500 EUR verurteilt; §§ 24a Abs. 2, 3 StVG. Darüber hinaus wurde dem Betroffenen für die Dauer von einem Monat verboten, Kfz jeder Art im öffentlichen Straßenverkehr zu führen.
Das OLG Hamm hatte über die Rechtsbeschwerde des Betroffenen zu entscheiden, in der u.a. die Verwertung von Beweisen gerügt wurde, die aufgrund fehlender bzw. fehlerhafter Betroffenenbelehrung einem Verwertungsverbot unterliegen sollen. Neben der fehlenden bzw. fehlerhaften Belehrung rügte die Rechtsbeschwerde, dass auch die angeblich freiwillig gewonnene Blutprobe unverwertbar sei – da aufgrund falscher Belehrung sämtliche Einwilligungen des Betroffenen in Drogenvortest und Blutprobenentnahme unter rechtswidrigen Umständen gewonnen wurden. Ggf. sei dies unter dem Gesichtspunkt der Fernwirkung eines Beweisverwertungsverbots zu berücksichtigen.
Die Tatrichterin hatte u.a. folgende Feststellungen getroffen:
„Am 21.12.2018 befuhr der Betroffene um 23.00 Uhr mit dem Pkw (…) in V. die K-Straße. Zu diesem Zeitpunkt stand der Betroffene unter Cannabiswirkung. Nach einem positiv auf THC/Marihuana ausgefallenen Drogenvortest wurde dem Betroffenen (…) um 23.27 Uhr eine Blutprobe entnommen, in der ein vorausgegangener Cannabiskonsum durch den Nachweis von THC festgestellt wurde.(…) In der untersuchten Probe des Betroffenen konnte das THC in einer Konzentration von >> 20 ng/ml (höchster Kalibrator) nachgewiesen werden. Vorliegende Feststellungen beruhen auf der von dem Verteidiger für den Betroffenen abgegebenen Einlassung, dem Gutachten des Dr. HK und des Prof. HP (…), der polizeilichen Anzeige, dem Beiblatt zur Entnahme einer ärztlichen Blutprobe gemäß § 81a StPO sowie dem ärztlichen Bericht und der Aussage der Zeugen POK K und POK ML Der Betroffene hat sich dahingehend eingelassen, zum Tatzeitpunkt Fahrer des genannten Fahrzeugs gewesen zu sein. Weitere Angaben hat er nicht gemacht. (…)
Der Verteidiger hat der Vernehmung der Zeugen POK K und POK ML mit der Begründung widersprochen, dass ihre Aussagen einem Beweisverwertungsverbot unterlägen, da eine Belehrung des Betroffenen nicht erfolgt sei.
Die Zeugen POK K und POK ML haben ausgesagt, den Betroffenen im Rahmen einer Fahrzeug-/Personenkontrolle angehalten zu haben, da er den Ortsbereich mit augenscheinlich hoher Geschwindigkeit befuhr.
Der Zeuge POK K, der seiner Aussage zufolge das Gespräch mit dem Betroffenen geführt hat, hat ausgesagt, standardmäßig den Betroffenen einer Ordnungswidrigkeit zu belehren. An die genaue Belehrungssituation vermochte sich der Zeuge POK K nicht mehr zu erinnern. In der Hauptverhandlung vom 16.9.2019 hat der Zeuge POK K insoweit ausgesagt, dass es praxistauglicher sei, die an der grünen Grenze [zu den Niederlanden – Anm.d.V.] Kontrollierten zunächst zu fragen, ob sie „etwas genommen hätten“. Nach Bestätigung würde ihnen gesagt, dass sie sich nicht selbst zu belasten haben. Die Belehrung erfolge dann. Belehrt würde – wie sich auch aus der Ordnungswidrigkeitenanzeige, die in der Hauptverhandlung verlesen wurde,(…) – aber immer. Insoweit würde ein Beweisverwertungsverbot vorliegen, wenn der Betroffene ohne Belehrung Angaben zur Sache gemacht hätte. Diese Angaben dürfen nicht verwertet werden. Vorliegend hat der Betroffene jedoch keine Angaben zur Sache gemacht. Der Betroffene hat vor Ort freiwillig einen Drogentest, der positiv auf THC/Marihuana verlief, durchgeführt. Dieser Drogenvortest wurde ihm von dem Zeugen POK K angeboten, da sich nach dessen Angaben der Verdacht ergeben habe, dass der Betroffene unter Einwirkung berauschender Mittel gestanden habe. So seien durch ihn stark erweiterte Pupillen ohne Reaktion und starkes Lidflattern festgestellt worden, was ein Hinweis auf Rauschmittel seien könne. Nachdem der vor Ort durchgeführte Drogenvortest positiv verlaufen ist, sei dem Betroffenen vor Ort durch den Zeugen POK K mitgeteilt worden, dass nunmehr eine Blutprobe entnommen werden müsse, um den Verdacht einer Fahrt unter Einwirkung berauschender Mittel gerichtsfest zu machen. Er sei dabei darauf hingewiesen bzw. belehrt worden, dass er sich diesem Bluttest freiwillig unterziehen könne, andernfalls die Entnahme einer Blutprobe durch ihn – den Zeugen POK K – angeordnet würde. Der Betroffene habe sich daraufhin freiwillig mit einer Blutprobe einverstanden erklärt. Dabei sei er nach dem Beiblatt zur Entnahme einer Blutprobe gem. § 81a StPO über seine Rechte als beschuldigter Betroffener belehrt worden. Diese Belehrung habe er auch verstanden.
Bei dieser Sachlage besteht keinerlei Anlass, sowohl die Aussage des Zeugen POK K, als auch die Aussage des Zeugen POK ML, der allerdings zum Umfang der Belehrung bzw. zum Zeitpunkt der Belehrung keinerlei Angaben machen konnte (…) nicht zu verwerten.
Es haben sich objektive Anhaltspunkte für eine Fahrt unter Rauschmitteln gezeigt, nämlich die stark erweiterten Pupillen ohne Reaktion und ein starkes Lidflattern. Selbst wenn der Betroffene einen Drogenvortest und die Blutabnahme verweigert hätte, wäre bei dieser Sachlage eine Anordnung der Blutprobe durch den POK K nach § 81a StPO möglich und auch erforderlich gewesen. Nur dann, wenn der Betroffene sich vor einer Belehrung selbst belastet hätte, wäre die Einlassung nicht zu verwerten gewesen. Eine solche Einlassung ist nicht gemacht worden. Es besteht kein Anlass, an den glaubhaften Aussagen der glaubwürdigen Zeugen POK K und POK ML zu zweifeln. Unabhängig davon, wann genau wie die Belehrung stattgefunden hat, lagen objektive Anhaltspunkte für die Anordnung einer Blutprobe vor. Ein Beweisverwertungsverbot besteht damit nicht.“
II. Entscheidung
Das OLG Hamm führt insb. zur Frage eines Beweisverwertungsverbots, der Notwendigkeit einer qualifizierten Belehrung und der Problematik der Fernwirkung auf die Verwertbarkeit der Blutprobe aus:
Die Rüge der unzulässigen Verwertung „sämtlicher gewonnener Beweismittel“ wegen eines Verstoßes gegen die Belehrungspflicht aus §§ 136 Abs. 1 S. 2 StPO, 46 Abs. 1 OWiG sei unbegründet. Zuzugeben sei der Rechtsbeschwerde, dass es gegen §§ 136 Abs. 1 S. 2, 163a StPO, 41 Abs. 1 OWiG verstoße, wenn der Betroffene, bei dem aufgrund stark erweiterter Pupillen ohne Reaktion und starkem Lidflattern nach Anhalten des von ihm geführten Pkw im grenznahen Gebiet zu den Niederlanden durch den Zeugen POK K der Anfangsverdacht für eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 StVG bestand, ohne vorangegangene Belehrung zunächst befragt wird, „ob er etwas genommen habe“. Bei dieser Sachlage hatte der Betroffene bereits den Status eines solchen und es war eine Vernehmungssituation gegeben. Es sei nicht ersichtlich, dass der Betroffene im vorliegenden Fall, insbesondere nicht vor Einholung seiner Zustimmung zum „freiwilligen“ (Anführungszeichen wurden durch das OLG selbst verwendet!) Drogentest oder später qualifiziert belehrt worden sei. Einen Hinweis auf die Unverwertbarkeit früherer Angaben habe er also nicht erhalten. Vielmehr sei bloß eine einfache Belehrung nach dem Drogenvortest erfolgt. Sodann sei er belehrt worden, dass er sich freiwillig einer Blutentnahme unterziehen, anderenfalls selbige durch den Polizeibeamten angeordnet würde.
Dieses Vorgehen der Polizei führe jedoch nicht zu einem Beweisverwertungsverbot „sämtlicher gewonnener Beweismittel“. Eine Aussage des Betroffenen über das Einräumen seiner Fahrereigenschaft in der Hauptverhandlung sei im angefochtenen Urteil nicht verwertet worden. Eine Aussage gegenüber den Polizeibeamten in der Anhaltesituation gebe das Urteil nicht wieder. Der in der Beweiswürdigung niedergelegte Ablauf (Anhalten; Befragung, ob der Betroffene „etwas genommen habe“; im Falle der Bejahung Angebot eines freiwilligen Drogenschnelltests) lege aber nahe, dass der Betroffene die Frage nach der Einnahme von Betäubungsmitteln bejaht habe. Ansonsten wäre es nicht zum Drogenschnelltest gekommen. Diese Angaben seien im angefochtenen Urteil ebenfalls nicht verwertet worden. Aus der Rügebegründung und dem ärztlichen Bericht ergebe sich, dass der Betroffene die ärztliche Untersuchung anlässlich der Blutprobenentnahme verweigert habe.
Ob über die Unverwertbarkeit der Angaben des nicht ordnungsgemäß belehrten Betroffenen hinaus ein Beweisverwertungsverbot Fernwirkung bezüglich anderer Beweismittel gelte, hier insbesondere des Ergebnisses der Blutprobe, der sich der Betroffene „freiwillig“ (Anführungszeichen durch OLG!) unterzogen habe, sei umstritten (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 62. Aufl., § 136 Rn 22). Selbst wenn man eine solche Fernwirkung – noch dazu im Ordnungswidrigkeitenrecht – bejahen wollte, so ließe sich eine allgemeingültige Regel, wann ein Beweisverwertungsverbot über das unmittelbar gewonnene Beweisergebnis hinausreicht und wo seine Grenzen zu ziehen sind, nicht aufstellen. Die Grenzen richten sich nicht nur nach der Sachlage und Art und Schwere des Verstoßes. Es sei auch die Kausalität der unzulässig erlangten Erkenntnisse für die weiteren Ermittlungen und die schließliche Überführung des Betroffenen von Bedeutung (vgl. OLG Oldenburg, Urt. v. 10.10.1994 – SS 371/94 – juris; vgl. auch: BVerfG, Beschl. v. 27.4.2010 – 2 BvL 13/07 – juris).
Der hier gerügte Verstoß habe ein nicht unbedeutendes Gewicht. Es sei nämlich zu berücksichtigen, dass es sich bei dem unzulässigen Vorgehen nach den Urteilsfeststellungen offenbar um eine gängige Praxis des als Zeugen vernommenen Polizeibeamten handle. Demgegenüber stehe jedoch, dass es vorliegend „nur“ (Anführungszeichen durch OLG!) um die Ahndung von Ordnungswidrigkeiten (wenn auch mit der Konsequenz eines Fahrverbots und einer erheblichen Geldbuße) ginge. Eine Kausalität des Verstoßes gegen die Belehrungspflicht sei aber zu verneinen. Angesichts der Umstände, die den Anfangsverdacht begründeten, wäre auch nach ordnungsgemäßer Belehrung und jeglicher Verweigerung von Angaben und Mitwirkung des Betroffenen eine Blutentnahme rechtmäßig gem. § 46 Abs. 4 S. 2 OWiG angeordnet worden, deren Ergebnis hätte verwertet werden dürfen.
III. Bedeutung für die Praxis
Mandanten berichten häufig von unterbliebenen, falschen bisweilen sogar obskuren Belehrungsformeln in Verkehrskontrollen. Nachweisen lässt sich dies selten so eindeutig, wie in diesem Fall. Der Polizeizeuge hatte unumwunden seine gängige, bewusst rechtswidrige Belehrungspraxis vor Gericht geschildert. In der Hauptverhandlung wurden die Regelungen der Strafprozessordnung durch den Polizeibeamten als „nicht praxistauglich“ bezeichnet. Würde man direkt belehren, würde keiner mehr etwas sagen.
Der Fall hätte sich geeignet, durch das OLG Hamm klare Kante gegen eine willkürliche Aushebelung der Betroffenenrechte im Ordnungswidrigkeitenverfahren zu zeigen. Es lag allerdings nahe, dass das Gericht nicht die Tür aufstoßen wird zur Bejahung der Fernwirkung von Beweisverwertungsverboten – die in Deutschland bekanntlich bisher der bloße Wunschtraum von Literaturmeinungen ist.
Dieser Fall zeigt, warum diese Fernwirkung zumindest in Einzelfällen dem Schutz des Rechtsstaats dient: Ein Polizeizeuge hatte unumwunden seine rechtswidrige Praxis eingeräumt. Das OLG setzt ein Signal: Belehrt ruhig grob falsch – wir schützen die darauf gestützten Ergebnisse so gut es geht. Zumindest solange noch aufgrund anderer Anhaltspunkte eine Blutprobenentnahme hätte angeordnet werden dürfen (fehlende Kausalität der unzulässig erlangten Erkenntnisse für die weiteren Ermittlungen bzw. die Überführung).
In diesem Zusammenhang sollten jedoch Juristen hinsichtlich angeblich objektiver Anhaltspunkte für Drogenkonsum die nicht-deliktischen Erklärungsansätze im Blick haben:
- das Lidflattern (oder Augenlidzucken) kann harmlose Ursachen haben, wie z.B. Stress, bloße Nervosität, Augenermüdung durch Arbeit am Bildschirm, Mineralstoffmangel, Bindehautentzündung und Bluthochdruck; schätzungsweise jeder Zweite hat schon unter Lidflattern gelitten. Eine simple google-Suche führt zu seriösen Quellen.
- Verzögerte Pupillenreaktionen können ebenso nicht-deliktische, medizinische Ursachen haben; gerötete Augenränder – zumal in Grippezeiten – erst recht.
Der Verfasser dieses Beitrags hat erst kürzlich aus der Mandantschaft gehört, dass ein früher durch Betäubungsmittel am Steuer auffälliger Verkehrsteilnehmer bei einer allgemeinen Verkehrskontrolle „pinkeln musste“. Warum „musste“? Die Polizeibeamten kannten ihn vom früheren Verstoß gegen § 24a Abs. 2 StVG. Wegen – Oh, Wunder! – angeblichen Lidflatterns und geröteter Augen wurde ihm wieder ein „freiwilliger“ Drogenschnelltest angeboten; unter Hinweis auf die anderenfalls erfolgende Mitnahme zur Blutprobe auf der Polizeiwache. Der Betroffene befindet sich im nachweislich erfolgreich laufenden Abstinenzkontrollprogramm. Um in einer unsäglichen Beweislastumkehr seine Unschuld zu beweisen und die Anordnung einer zwangsweisen Blutprobenentnahme zu verhindern, „musste“ er „pinkeln“. Es lässt sich nicht erahnen, wie viele Fahrzeugführer, die in ein bestimmtes (Konsumenten-)Schema oder die Laune der Polizeibeamten passen, täglich aufgrund solcher „objektiver Anhaltspunkte“ schutzlos dem Vorwurf ausgeliefert sind. Denn wie oft angebliches „Lidflattern“ und „verzögerte Pupillenreaktionen“ zu negativen Drogenschnelltests und Blutprobenergebnissen führen, dürfte nirgends dokumentiert sein.
Immerhin lässt sich aus der Entscheidung des OLG Hamm noch der Schluss ziehen, dass es bei Belehrungsverstößen das Erfordernis einer qualifizierten Belehrung verlangt. Unterliegen frühere Angaben des Betroffenen aufgrund eines Verstoßes gegen die Belehrungspflichten einem Verwertungsverbot, bedarf es vor der weiteren Vernehmung über die § 55 Abs. 2, § 136 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 46 Abs. 1 StPO hinaus einer qualifizierten Belehrung, in der er auf die Unverwertbarkeit des bislang Gesagten ausdrücklich hingewiesen wird. Allerdings führt der Verstoß gegen die Pflicht zur qualifizierten Belehrung nicht zwingend zu einem Verwertungsverbot. Nach Auffassung des BGH komme dieser Belehrung im Vergleich zur der Belehrung nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO weniger Gewicht bei. Die Verwertbarkeit sei daher durch Abwägung im Einzelfall zu ermitteln (vgl.Burhoff/Gieg/Gübner/Niehaus/Stephanin: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. 2017, B, Rn 440) Nach dieser Rechtsprechung müsste am Ende des Abwägungsprozesses in aller Regel vieles für die Unverwertbarkeit des Beweismittels sprechen. Denn das wesentliche Kriterium für die Verwertbarkeit rechtswidrig erlangter Beweismittel soll das „Gewicht des staatlichen Verfolgungsinteresses“ sein, das wiederum vom Gewicht der begangenen Tat abhängt (Burhoff/Gieg/Gübner/Niehaus/Stephanin: Burhoff, Handbuch für das straßenverkehrsrechtliche OWi-Verfahren, 5. Aufl. 2017, B, Rn 608). Dies dürfte kaum geringer sein, als bei bloßer Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten.
Die Entscheidung zeigt dennoch: Sogar das bestätigte Erfordernis einer qualifizierten Belehrung schützt nicht vor Willkür der Strafverfolgungsbehörden – wenn am Ende nicht zwingend deliktisch hervorgerufene körperliche Anzeichen für die erzwungene Blutprobe genügt hätten und damit das Kausalitätserfordernis zwischen Verstoß und Beweisgewinnung entfällt. Es mag hier im Ergebnis „den richtigen“ Verkehrssünder getroffen haben – die Wahrheitserforschung um jeden Preis, und schon gar nicht bei willkürlichen Verstößen der Strafverfolger, ist aber genau das, was die Strafprozessordnung grundsätzlich nicht vorsieht.
Heiko Urbanzyk, RA und FA für StR und VerkR, Coesfeld