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Änderungen bei der Anwaltsvergütung durch das KostRÄG 2021 – Teil 2

Am 1.1.2021 ist das KostRÄG 2021 v. 21.12.2020 (BGBl I, S. 3229) in Kraft getreten. Wir stellen nachfolgend die dadurch in Straf- und Bußgeldverfahren (Teil 4 und 5 VV RVG) vorgenommenen Änderungen vor.

Hinweis:

Die Änderungen gelten in Verfahren, in denen der Verteidiger ab 1.1.2021 beauftragt oder bestellt/beigeordnet worden ist (wegen der Einzelheiten N. Schneider AGS 2021, 1 ff.).

I.Lineare Anhebung der Gebühren

Zuletzt sind die anwaltlichen Gebühren im RVG zum 1.8.2013 durch das 2. KostRMoG v. 23.7.2013 erhöht worden (dazu Burhoff RVGreport 2013, 330). Seitdem sind insbesondere auch die Kosten der RAe/Verteidiger für den Kanzleibetrieb erheblich gestiegen. U.a. deshalb und „im Interesse einer Teilhabe der Anwaltschaft an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung“ hat der Gesetzgeber nun (endlich wieder) eine erneute Anhebung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung als erforderlich angesehen (vgl. auch Volpert RVGreport 2020, 362). Diese Anhebung und Anpassung der gesetzlichen Anwaltsvergütung soll mit einer Kombination aus strukturellen „Verbesserungen“ (?) im anwaltlichen Vergütungsrecht (vgl. dazu II.) sowie einer linearen Erhöhung aller Gebühren des RVG um rund 10 Prozent erreicht werden. Als Kompensation für die „klammen“ Landeskassen, bei denen sich diese Erhöhung bemerkbar macht, sind u.a. die Gerichtsgebühren ebenfalls linear um zehn Prozent angehoben werden.

Die lineare Anhebung um rund 10 Prozent erfasst alle Gebührentypen des RVG, also alle Betragsrahmengebühren, die Wertgebühren der Nrn. 4142, 4143, 4144, 5116 VV RVG und z.B. auch die Festgebühr der Nr. 4304 VV RVG. Bei den Wertgebühren, für die die §§ 13, 49 RVG gelten, beträgt die Erhöhung in der untersten Wertstufe bis 500 EUR allerdings rundungsbedingt lediglich etwa 9 Prozent.

II.Änderungen im Paragrafenteil des RVG

1. Bestimmung einer Betragsrahmengebühr bei Gebührenanrechnungen (§ 14 Abs. 2 RVG)

In § 14 Abs. 2 RVG ist eine neue allgemeineRegelung für die Anrechnung von Betragsrahmengebühren eingeführt worden. Diese ersetzt die entfallenen Regelungen in Vorbem. 2.3 Abs. 4 S. 3 VV RVG und in Vorbem. 3 Abs. 4 S. 4 VV RVG (vgl. Volpert RVGreport 2020, 362, 364). Nach § 14 Abs. 2 RVG ist nun dann, wenn eine Rahmengebühr auf eine andere Rahmengebühr anzurechnen ist, die Gebühr auf die angerechnet wird, so zu bestimmen sein, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen.

In den Teilen 4 und 5 VV RVG kann diese Regelung bei folgenden Anrechnungsvorschriften Auswirkungen haben: Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4100 VV RVG (Grundgebühr) (Vgl. Burhoff, in: Burhoff/Volpert, RVG in Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl. 2021, Nr. 4100 VV RVG Rn 58 ff.), Abs. 2 der Anm. zu Nr. 4143 VV RVG (zusätzliche Verfahrensgebühr) (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4143 VV RVG Rn 41 ff.), Vorbem. 4 Abs. 4 VV RVG (vorangegangen Einzeltätigkeit) (Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Vorbem. 4.3 VV RVG Rn 77 ff.) und Abs. 3 der Anm. zu Nr. 5200 VV RVG (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 5200 VV RVG Rn 21). Die Änderung gilt nicht bei der „Anrechnung“ nach Abs. 2 der Anm. zu Nr. 5100 VV RVG (Grundgebühr im Bußgeldverfahren nach vorangegangenem Strafverfahren), da es sich dabei nicht um eine „Anrechnung“ i.e.S. handelt (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 5100 VV RVG Rn 6 ff.).

Sinn und Zweck dieser Regelung ist es, dass die Synergieeffekte, die bei einer fortschreitenden Befassung eintreten, ausschließlich durch die vorgeschriebene Gebührenanrechnung berücksichtigt werden sollen. Die Bestimmung der Höhe der zweiten Verfahrensgebühr soll danach so erfolgen, als sei der Rechtsanwalt zuvor nicht tätig gewesen. Diese Regelung bezieht sich damit auf sämtliche Bemessungsmerkmale des § 14 Abs. 1 RVG (BT-Drucks 19/23484, S. 75 f.). Die Regelung stellt damit sicher, dass für Rechtsanwälte, deren Verfahrens- oder Geschäftsgebühr einer Anrechnung unterliegt, diese Gebühren vor Anrechnung in derselben Höhe anfallen wie für diejenigen Rechtsanwälte, die zuvor nicht tätig waren. Nur so werde eine Gleichbehandlung mit den Fällen erreicht, in denen – wie etwa in zivilprozessualen Mandaten – keine Rahmengebühren vorgesehen seien (BT-Drucks 19/23484, S. 76).

Beispiel

Der Rechtsanwalt A hat den Betroffenen im Bußgeldverfahren verteidigt. Entstanden sind die Grundgebühr Nr. 5100 VV RVG und die Verfahrensgebühr Nr. 5103 VV RVG. Das Bußgeldverfahren wird an die StA abgegeben. Hier ist der RA zunächst weiter für den Mandanten tätig. Der beauftragt dann aber vor Anklageerhebung einen anderen Verteidiger, den Rechtsanwalt B. Rechtsanwalt A rechnet wie folgt ab:

1. Bußgeldverfahren
Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG 100,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV RVG 160,00 EUR
Zusätzliche Verfahrensgebühr, Nr. 5115 VV RVG 160,00 EUR
2. Strafverfahren
Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG
allerdings wegen des vorangegangenen Bußgeldverfahrens
nicht i.H.d. Mittelgebühr 150,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV RVG 160,00 EUR
Anrechnung der Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG – 100,00 EUR
Summe: 630,00 EUR

Nach § 14 Abs. 2 RVG ist die Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG so zu bestimmen, als sei der Verteidiger zuvor nicht tätig gewesen.

1. Bußgeldverfahren
Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG 110,00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV RVG 176,00 EUR
Zusätzliche Verfahrensgebühr, Nr. 5115 VV RVG 176,00 EUR
2. Strafverfahren
Grundgebühr, Nr. 4100 VV RVG
jetzt wegen § 14 Abs. 2 RVG (auch) i.H. d. Mittelgebühr 220, 00 EUR
Verfahrensgebühr, Nr. 4104 VV RVG 181,50 EUR
Anrechnung der Grundgebühr, Nr. 5100 VV RVG – 110,00 EUR
Summe: 753,50 EUR

2. Erstreckung (§ 48 Abs. 6 VV RVG)

In der Praxis spielen im Recht der Pflichtverteidigung die mit § 48 Abs. 6 RVG zusammenhängenden Fragen in den Fällen der VerbindungmehrererVerfahren eine große Rolle (dazu eingehend Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, § 48 Abs. 6 und Gerold/Schmidt/Burhoff, RVG, 24. Aufl., § 48 Rn 194 ff.; Burhoff StraFo 2014,454; Burhoff RVGreport 2008, 129), Dabei geht es immer um die Frage, ob der Verteidiger auch in den Verfahren die gesetzlichen Gebühren geltend machen kann, in denen er (noch) nicht zum Pflichtverteidiger bestellt war. Dazu ist in § 48 Abs. 6 S. 3 RVG die sog. Erstreckung vorgesehen. In dem Zusammenhang ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten (gewesen), ob ein anwaltlicher Vergütungsanspruch für frühere Tätigkeiten in Verfahren, die vor der Beiordnung hinzuverbunden wurden, bereits aus § 46 Abs. 6 S. 1 RVG folgt und ob demgemäß der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 6 S. 3 RVG entsprechend auf Fälle beschränkt ist, in denen nach einer Beiordnung noch weitere Verfahren hinzuverbunden werden.

In diesen Fällen war bislangstreitig, ob nach § 48 Abs. 6 S. 3 RVG hätte erstreckt werden müssen oder ob es sich um einen Fall des § 48 Abs. 6 S. 1 RVG handelt und eine Erstreckung nicht erforderlich war (vgl. die Nachweise aus der Rechtsprechung bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, § 48 Rn 23 ff.). Diskutiert wurde darum, ob sich die Frage der Erstreckung nur stellt, wenn zu einem Verfahren, in dem der Verteidiger bereits beigeordnet ist, weitere Verfahren, in denen bislang keine Beiordnung erfolgte, hinzuverbunden würden, es für die Anwendung der Vorschrift also auf die zeitliche Abfolge von Verbindung und Bestellung/Beiordnung ankommt, der Verteidiger somit grds. immer einen Erstreckungsantrag stellen muss (KG JurBüro 2009, 531 = RVGreport 2010, 64 =NStZ-RR 2009, 360 [Ls.]; OLG Bremen RVGreport 2013, 14 = StRR 2012, 436 = RVGprofessionell 2012, 186; OLG Hamm RVGreport 2005, 273 = AGS 2005, 437 = JurBüro 2005, 532).

Diesen Streit hat das KostRÄG 2021 durch einen Einschub in § 48 Abs. 6 S. 3 RVG gelöst. Dort heißt es nämlich jetzt: „Werden Verfahren verbunden und ist der Rechtsanwalt nicht in allen Verfahren bestellt oder beigeordnet, kann das Gericht die Wirkung des Satzes 1 auch auf diejenigen Verfahren erstrecken, in denen vor der Verbindung keine Beiordnung oder Bestellung erfolgt war.“ Das bedeutet: Es ist jetzt gesetzlich klargestellt, dass dann, wenn Verfahren zunächst verbunden werden und erst danach die anwaltliche Bestellung oder Beiordnung in dem nunmehr verbundenen Verfahren erfolgt, § 48 Abs. 6 S. 1 RVG unmittelbar gilt (so bisher schon die zutreffende Rechtsprechung bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, § 48 Rn 28; s.a. Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 48 Rn 205; N. Schneider StraFo 2014, 410, 413). Der Gesetzgeber ist davon ausgegangen (BT-Drucks 19/23484, S. 78), dass keine Gründe ersichtlich seien, warum das Gericht in den Fällen ausdrücklich nach § 48 Abs. 6 S. 3 RVG die Erstreckungswirkung anordnen sollte. Damit ist der Anwendungsbereich des § 48 Abs. 6 S. 3 RVG auf die Fälle der nach der Beiordnung oder Bestellung erfolgten Verfahrensverbindungen beschränkt und stellt damit indirekt auch klar, dass die Anordnung einer Erstreckungswirkung bei einer anwaltlichen Bestellung oder Beiordnung nach der Verbindung deshalb nicht erforderlich ist, weil § 48 Abs. 6 S. 1 RVG unmittelbar gilt.

Hinweis:

Soweit die Neuregelung in einem Verfahren wegen der Regelung in § 60 RVG noch nicht gilt, sollte der Verteidiger sich ggf. auf die Gesetzesbegründung berufen.

3. Anhebung der Kappungsgrenze für Wertgebühren aus der Staatskasse (§ 49 RVG)

Auch Verteidiger können Wertgebühren verdienen, und zwar nach den Nrn. 4142, 4143, 4144, 5116 VV RVG. Nach den Änderungen der §§ 73 ff. StGB durch die Neuregelung des Rechts der Vermögensabschöpfung hat in der Praxis insbesondere die Bedeutung der Nrn. 4142, 5116 VV RVG zugenommen (dazu aus neuerer Zeit Burhoff RVGreport 2019, 82; Klüsener JurBüro 2018, 169). Die Höhe der Gebühren richtet sich für den Wahlanwalt nach der Tabelle des § 13 RVG, für den Pflichtverteidiger und/oder beigeordneten RA nach der Tabelle des § 49 RVG.

Hier ist nun § 49 RVG geändert worden, was zu einer Anhebung der Gebühren bei den Pflichtverteidigern und/oder beigeordneten Rechtsanwälten führen wird. Die frühere Regelung sah bis zu einem Gegenstandswert von 30.000 EUR eine Staffelung der Werte und der zugehörigen Gebühren vor. Bei höheren Werten belief sich die Gebühr früher einheitlich auf 447 EUR. Die obere Wertgrenze wurde zuletzt im Jahr 2002 von 50.000 DM auf 30.000 EUR angehoben (Art. 6 Nr. 22 des Gesetzes zur Umstellung des Kostenrechts und der Steuerberatergebührenverordnung auf Euro vom 27.4.2001, BGBl I, 751). Dabei wurde allerdings die oberhalb der Wertgrenze anfallende Gebühr nicht erhöht. Davor ist die Wertgrenze letztmals im Jahr 1987 angehoben worden. Vor diesem Hintergrund ist § 49 RVG nun dahin geändert worden, dass die obere Wertgrenze nunmehr auf 50.000 EUR angehoben und gleichzeitig die Gebührenbeträge des § 49 RVG im gleichen Umfang wie die Wahlanwaltsvergütung in § 13 RVG, mithin um 10 Prozent, erhöht worden sind.

Beispiel

Der RA ist als Pflichtverteidiger in einem Verfahren tätig, in dem vom Gericht ein Betrag von 40.000 EUR Dealgeld eingezogen wird. Das Gericht setzt den Gegenstandswert auf 40.000 EUR fest.

Nach altem Recht betrug die aus der Staatskasse zu zahlende gesetzliche zusätzliche Gebühr Nr. 4142 VV RVG (Tabelle zu § 49 RVG a.F.):

Nr. 4142 VV RVG
(Gegenstandswert: 40.000 EUR, aber Kappung bei 30.000 EUR) 447,00 EUR

Nach neuem Recht/nach dem KostRÄG 2021 beträgt die aus der Staatskasse zu zahlende gesetzliche Gebühr Nr. 4142 VV RVG (Tabelle zu § 49 RVG n.F.):

Nr. 4142 VV RVG
(Gegenstandswert 40.000 EUR, keine Kappung bei 30.000 EUR) 659,00 EUR

4. Festsetzungsverfahren gegen die Staatskasse (§ 55 Abs. 5 RVG)

Das Festsetzungsverfahren des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalts, also i.d.R. des Pflichtverteidigers, gegen die Staatskasse ist in § 55 RVG geregelt. § 55 Abs. 5 S. 1 RVG hat früher auf § 104 Abs. 2 ZPO verwiesen. Daraus hat die Rechtsprechung teilweise den Schluss gezogen, dass von dem beigeordneten oder bestellten Rechtsanwalt auch die in § 104 Abs. 2 S. 3 ZPO geregelte Erklärung zur Vorsteuerabzugsberechtigung im Festsetzungsverfahren gegen die Staatskasse nach § 55 RVG abzugeben waren (OLG Celle RVGreport 2014, 20 = AGS 2014, 80; a.A. OLG Braunschweig AGS 2017, 525; OLG Frankfurt am Main AGS 2018, 146; OLG Hamburg RVGreport 2013, 348 = AGS 2013, 428; OLG München RVGreport 2016, 456 = AGS 2016, 528). Die Neuregelung hat nun, den Verweis in § 55 Abs. 5 S. 1 auf § 104 Abs. 2 ZPO durch einen Verweis lediglich auf § 104 Abs. 2 S. 1 und 2 ZPO ersetzt, um so klarzustellen, dass im Verfahren gem. § 55 RVG keine Erklärung zur Vorsteuerabzugsberechtigung abzugeben ist.

5. „Höchstgebühren eines Wahlanwalts“ (§ 58 Abs. 3 S. 4 RVG-E)

Die Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen, die der bestellte oder beigeordnete Rechtsanwalt in Angelegenheiten erhalten hat, in denen sich die Gebühren nach den Teilen 4 bis 6 VV RVG bestimmen, ist in § 58 Abs. 3 RVG geregelt (dazu die Kommentierung bei Burhoff/Volpert/Volpert, RVG; § 58 RVG Rn 1 ff.; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., § 58 RVG Rn 54 ff.) In der Praxis ist bei der Anwendung von § 58 Abs. 3 RVG (früher) diskutiert worden, wie die Begrenzung in § 58 Abs. 3 S. 4 RVG auf die „Höchstgebühren eines Wahlanwalts“ zu verstehen war. Zum einen konnte die Formulierung dahin verstanden werden, dass die im VV RVG vorgesehene obere Rahmengrenze maßgebend ist, zum anderen können darunter aber auch die im Einzelfall konkret entstandenen angemessenen Gebühren eines Wahlverteidigers verstanden werden (OLG Jena RVGreport 2018, 95 = Rpfleger 2018, 231; OLG Koblenz RVGreport 2019, 421; LG Aachen JurBüro 2020, 298 = RVGreport 2020, 303; LG Bad Kreuznach RVGreport 2019, 14).

Das KostRÄG 2021 hat die Frage in Richtung der erstgenannten Auslegung klargestellt (so schon OLG Jena, OLG Koblenz, LG Aachen und LG Bad Kreuznach, jeweils a.a.O.). Dazu sind die Wörter „als die Höchstgebühren“ durch die Wörter „als die im Vergütungsverzeichnis vorgesehenen Höchstgebühren“ ersetzt worden.

Hinweis:

Diese Klarstellung erledigt die Diskussion in der Praxis. Eine Anrechnung oder Zurückzahlung ist jetzt gesetzlich also nur für solche Fälle vorgesehen, in denen die höchste denkbare sich aus dem VV RVG ergebende Wahlanwaltsvergütung überschritten wird. Mit der Formulierung „im Vergütungsverzeichnis vorgesehenen…“ ist zudem klargestellt, dass eine Pauschgebühr nach § 42 RVG keine Berücksichtigung findet.

In „Altfällen“, in denen die Neuregelung ggf. noch nicht gilt (vgl. oben und nachfolgend 6), sollte sich der Verteidiger/Rechtsanwalt auf die neue – für ihn günstige – Formulierung aber auf jeden Fall berufen.

6. Übergangsrecht (§ 60 RVG)

Die frühere Übergangsregelung in § 60 RVG ist in der Praxis kritisiert worden, weil sie zu Nachteilen bei bereits in der Vorinstanz mandatierten Rechtsanwälten und solchen, die erstmalig für ein Rechtsmittelverfahren beauftragt worden sind, geführt hat (vgl. Volpert RVGreport 2020, 362, 369).

Daher wird in § 60 Abs. 1 S. 1 RVG nun nur noch darauf abgestellt, wann der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit erteilt worden ist. Es kommt damit für die Frage des anwendbaren Rechts grds. in jeder Instanz allein auf den Zeitpunkt der Auftragserteilung an.

Die Auftragserteilung kann aber dann nicht maßgeblich sein, wenn eine solche – wie z.B. im Fall der Pflichtverteidigung – nicht vorliegt (vgl. zum Übergangsrecht in den Fällen der Pflichtverteidigung Burhoff/Volpert/Volpert, RVG, Teil A: Übergangsvorschriften (§ 60 f.), Rn 2167 ff. und die Kommentierung zu § 60 f.) Hier ist es nicht immer sachgerecht, auf den Zeitpunkt der Bestellung oder Beiordnung abzustellen, da der Beiordnungs- oder Bestellungsbeschluss oder auch das Vergütungsrecht (z.B. § 48 Abs. 6 RVG) eine Rückwirkung vorsehen kann. Daher sieht für diese Fälle § 60 Abs. 1 S. 2 RVG nun vor, in solchen Fällen auf den frühesten Zeitpunkt des Entstehens einer Gebühr abzustellen (BT-Drucks 19/23484, 80; wegen der Einzelheiten s.a. N. Schneider AGS 2021, 1 ff.).

III.Änderungen in Teil 4 VV RVG (Vorbem. 4.1 Anm. 3 RVG)

Das KostRÄG 2021 hat im Vergütungsverzeichnis des Teil 4 VV RVG nur eine einzige Änderung vorgenommen. Und zwar ist in Vorbem. 4.1 VV RVG eine Anm. 3 angefügt worden, die die Berücksichtigung von Wartezeiten und Pausen bei den sog. Längenzuschlägen für den Pflichtverteidiger regelt. Diese (Neu-)Regelung hat also Auswirkungen auf die dem Pflichtverteidiger/beigeordneten Rechtsanwalt ggf. nach den Nrn. 4110, 4111, 4116, 4117, 4122, 4123, 4128, 4129, 4134 und 4135 VV RVG zustehenden Längenzuschläge zu den Hauptverhandlungsterminsgebühren, wenn sie an einem Hauptverhandlungstag mehr als fünf oder acht Stunden teilnehmen. Bei der Berechnung der für den Längenzuschlag maßgebenden Dauer der Hauptverhandlung gab es zahlreiche Zweifels-/Streitfragen und eine umfangreiche und zum Teil kleinteilige Rechtsprechung (vgl. die Übersicht bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4110 VV RVG Rn 15 m.w.N. aus der Rechtsprechung; Gerold/Schmidt/Burhoff, a.a.O., Nrn. 4108–4111 VV RVG Rn 22 ff. m.w.N.).

Das Durcheinander in Rechtsprechung und Literatur hat das KostRÄG 2021 auf der Grundlage der zum früheren Recht vorliegenden Rechtsprechung durch eine generalisierende Regelung geändert, die eine einfache Feststellung ermöglichen soll, ob die Voraussetzungen für die Gewährung eines Längenzuschlags erfüllt sind. Danach gilt (vgl. BT-Drucks 19/23484, S. 84 f.):

  • Grds. werden Wartezeiten und Unterbrechungen während eines Verhandlungstags als Teilnahme an der Hauptverhandlung berücksichtigt. Dies gilt nur dann nicht, wenn der Pflichtverteidiger die Wartezeit oder die Unterbrechung zu vertreten hat oder die Unterbrechung länger als eine Stunde dauert. Die Berücksichtigung von Wartezeiten, die der Rechtsanwalt nicht zu vertreten hat, ist zutreffend und korrespondiert mit der Vorbem. 4 Abs. 3 S. 2 VV RVG, wonach die Terminsgebühr auch entsteht, wenn RA zu einem anberaumten Termin erscheinen, der Termin aber aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht stattfindet.
  • Hinsichtlich der Unterbrechungen/Pausen am Hauptverhandlungstag erscheint dem Gesetzgeber (BT-Drucks 19/23484, S. 85) eine Nichtberücksichtigung der Berechnung der für einen Längenzuschlag maßgeblichen Hauptverhandlungszeit bei einer Dauer der Unterbrechung von mehr als einer Stunde sachgerecht. Dabei soll es jeweils auf die Dauer der einzelnen Unterbrechungen und nicht auf die Gesamtdauer der Unterbrechungen an einem Hauptverhandlungstag ankommen, es wird also nicht zusammengezählt (BT-Drucks a.a.O.). Die Bewertung, ob der Rechtsanwalt eine Unterbrechung – die Gesetzesbegründung erwähnt ausdrücklich als Beispiel die Mittagspause – sinnvoll für andere Tätigkeiten nutzen kann, ist weder dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle noch dem Gericht möglich. Es soll daher nicht darauf ankommen, ob der Rechtsanwalt im konkreten Einzelfall sinnvoll genutzt hat oder überhaupt nutzen konnte. Der Streit um die Berücksichtigung der Mittagspause ist also erledigt. Eine (Mittags-)Pause von nicht mehr als einer Stunde ist also bei der Berechnung der maßgeblichen Hauptverhandlungszeit zu berücksichtigen. Längere Pausen werden nicht berücksichtigt.
  • Da eine (ggf. sinnvolle) Nutzung einer Unterbrechung aber nur möglich ist, wenn der Rechtsanwalt bei der Anordnung der Unterbrechung deren Zeitraum kennt, sieht die Anm. 3 vor, dass ggf. auch längere Pausen berücksichtigt werden. Das soll dann der Fall sein, wenn der oder die Vorsitzende die Hauptverhandlung für unbestimmte Zeit – etwa für eine Beratungspause – unterbricht. Auch soll nur der angekündigte Zeitraum der Unterbrechung nicht als Teilnahme an der Hauptverhandlung berücksichtigt werden.

Beispiel

Es wird eine Unterbrechung der Hauptverhandlung von 90 Minuten angeordnet. Die Fortsetzung der Hauptverhandlung erfolgt aus vom Verteidiger nicht zu vertretenden Gründen erst nach zwei Stunden (nach BT-Drucks 19/23484, S. 85).

Für die Berechnung der Hauptverhandlungszeit gilt: Nicht berücksichtigungsfähig sind lediglich die (angekündigten) 90 Minuten. Über die restlichen 30 Minuten kann der Verteidiger nicht mehr frei verfügen, sondern muss sich für die Fortsetzung der Hauptverhandlung im oder in der Nähe des Gerichtssaals bereithalten. Diese Situation ist vergleichbar mit einer Wartezeit aufgrund eines verspäteten Sitzungsbeginns.

Nach Vorbem 4.1 Anm. 3 S. 2 Hs. 2 VV RVG sollen Unterbrechungen nur dann nicht als Teilnahme an der Hauptverhandlung zu berücksichtigen sein, wenn der Rechtsanwalt sie zu vertreten hat.

Beispiel

Der Verteidiger stellt in der Hauptverhandlung einen Antrag, die Hauptverhandlung zu unterbrechen, weil eine Besprechung mit dem Mandanten erforderlich ist.

Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks 19/23484, S. 85) soll die Dauer dieser Unterbrechung nicht als Hauptverhandlungszeit zu berücksichtigen sein. Die Gesetzesbegründung geht davon aus, dass der Verteidiger die Unterbrechung „zu vertreten hat“. Zudem handele es sich insoweit um Vorbereitungsaufwand für den (fortzusetzenden) Hauptverhandlungstermin, der bereits über die Grundterminsgebühr (ohne Längenzuschlag) abgegolten werde.

Das ist m.E. nicht zutreffend. Denn der Rechtsanwalt hat doch eine solche Unterbrechung der Hauptverhandlung nicht „zu vertreten“ i.e.S., d.h. ihm ist kein Schuldvorwurf zu machen. Und man lässt auch außer Betracht, dass es sich eben nicht um Vorbereitungsaufwand für den Hauptverhandlungstermin i.e.S. handelt, sondern sich aus dem Verlauf der Hauptverhandlung ergebende zusätzliche Tätigkeiten, die zu zusätzlichem Zeitaufwand des Verteidigers führen. Warum soll er die nicht vergütet bekommen?

Hinweis:

Die Neuregelung gilt in Verfahren, in denen die Bestellung/Beiordnung ab 1.1.2021 erfolgt ist. In „Altfällen“, in denen die Neuregelung ggf. noch nicht gilt, sollte sich der Verteidiger/Rechtsanwalt auf die neue – für ihn im Zweifel günstige – Formulierung aber auf jeden Fall berufen, wenn es um die Berücksichtigung von Wartezeiten/Pausen Streit gibt.

IV.Änderungen in Teil 5 VV RVG (Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG

In Teil 5 VV RVG hat das KostRÄG 2021 eine Änderung vorgenommen, in der m.E. erhebliche Brisanz steckt. Dies gilt zwar nicht unbedingt für die Abrechnung von Tätigkeiten nach Teil 5 VV RVG, aber für die Abrechnung der Tätigkeiten des als Zeugenbeistand im Strafverfahren tätigen RA. Die damit zusammenhängenden Fragen sind in Rechtsprechung und Literatur erheblich umstritten, sie gehören sicherlich mit zu den meist umstrittenen Fragen des RVG (vgl. zum Meinungsstand Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 VV RVG Rn 5 ff. m.w.N. aus Rspr. und Lit.).

Es war früher heftig umstritten, wie die den Zeugenbeistand betreffenden Regelungen in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG einerseits und in Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG andererseits, die unterschiedlich formuliert waren, zu verstehen waren. Die früher geltende Regelung für das Bußgeldverfahren in Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG wich von der Formulierung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG ab. Dort war nämlich bestimmt, dass für die Tätigkeit als Zeugenbeistand in einem Verfahren, für das sich die Gebühren nach diesem Teil 5 VV RVG bestimmen, die gleichen Gebühren wie für einen Verteidiger in diesem Verfahren entstehen. Nach dem eindeutigen Wortlaut gelten für diesen Zeugenbeistand also ausschließlich (auch) die Gebührenregelungen für Verteidiger nach Teil 5 Abschnitt 1 VV RVG. Diese abweichende Formulierung ist von einem Teil der Rechtsprechung und Literatur – zutreffend – als Beleg dafür gesehen worden, dass auch im Strafverfahren der beigeordnete Zeugenbeistand wie Verteidigerinnen und Verteidiger zu vergüten ist (Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Vorbem. 4.1 VV RVG Rn 11 f. m.w.N.).

Das KostRÄG 2021 hat diese Formulierung nun angeglichen, und zwar so, dass die Vorbem. 5 Abs. 1 VV RVG an die Regelung in Vorbem. 4 Abs. 1 VV RVG „angeglichen“ worden. Dem Gesetzgeber erschien es im Hinblick auf die ausdrückliche Beschränkung der Beiordnung in § 68b Abs. 2 StPO auf die Dauer der Vernehmung sachgerecht, den Zeugenbeistand wie Rechtsanwälte zu vergüten, die keine Verteidiger sind und nur eine Einzeltätigkeitausüben (BT-Drucks 19/23484, S. 86). Diese Sicht ist m.E. falsch. Allerdings: Durch die „Angleichung“ fällt ein Argument weg, dass früher als Beleg für die „richtige“ Abrechnung des Zeugenbeistands im Strafverfahren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG angeführt worden ist. Man wird sehen, ob die Auffassung, die sich für die Abrechnung nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ausspricht, noch weiter zurückgehen wird.

V.Änderungen in Teil 7 VV RVG (Auslagen)

In Teil 7 VV RVG sind zwei Änderungen vorgenommen worden, die auch für Verteidiger von Bedeutung sein werden.

Das KostRÄG 2021 hat die gestiegenen Anschaffungs- und Betriebskosten für Kraftfahrzeuge zumindest teilweise kompensiert. Deshalb ist der Fahrtkostenersatz für den Rechtsanwalt bei Benutzung des eigenen Kraftfahrzeugs von 0,30 EUR auf 0,42 EUR für jeden gefahrenen Kilometer erhöht worden.

In Nr. 7005 VV RVG waren früher – je nach Länge der Abwesenheit des Rechtsanwalts – Tage- und Abwesenheitsgelder von 25 EUR, 40 EUR und 70 EUR vorgesehen. Diese sind auf 30 EUR, 50 EUR und 80 EUR angehoben werden, um die Tage- und Abwesenheitsgelder bei einer Geschäftsreise an die wirtschaftliche Entwicklung anzupassen (BT-Drucks 19/23484, S. 86 f.).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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