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Abrechnung auf Neuwagenbasis

Zur Abrechnung auf Neuwagenbasis bei Beschädigung eines fabrikneuen Fahrzeugs.

(Leitsatz des Gerichts)

BGH, Urt. v. 29.9.2020 – VI ZR 271/19

I. Sachverhalt

Der Kläger nimmt die Beklagten auf Schadensersatz aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, für den die Beklagten unstreitig dem Grunde nach voll einstandspflichtig sind.

Der Kilometerstand des von dem Kläger für einen Kaufpreis in Höhe von 37.181 EUR neu erworbenen, am 25.10.2017 erstmals zugelassenen und bei dem Unfall beschädigten Fahrzeugs Mazda CX-5 betrug am Unfalltag 571 Kilometer. Der Kläger holte ein Gutachten der DEKRA ein, das Reparaturkosten von 5.287,43 EUR und eine Wertminderung von 1.000 EUR auswies.

Mit seiner Klage begehrte der Kläger die Zahlung von 37.923,32 EUR nebst Zinsen (Kosten für einen Neuwagen in Höhe von 37.181 EUR, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 EUR und eine Kostenpauschale in Höhe von 30 EUR). Das Landgericht hat der Klage in Höhe von 37.918,32 EUR nebst Zinsen stattgegeben und sie im Übrigen wegen eines Teilbetrags der Kostenpauschale abgewiesen.

Das OLG hat das Urteil auf die Berufung der Beklagten abgeändert und die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger (nur) 6.180,54 EUR (Reparaturkosten netto in Höhe von 4.443,22 EUR, Sachverständigenkosten in Höhe von 712,32 EUR, Wertminderung in Höhe von 1.000 EUR sowie Kostenpauschale in Höhe von 25 EUR) nebst Zinsen zu zahlen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.

Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger den von ihm geltenden gemachten Anspruch auf Neuwagenentschädigung in Höhe von 31.787,78 EUR weiter. Die Revision hatte beim BGH keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Zur Begründung seiner Entscheidung hatte das OLG ausgeführt, der Kläger könne Schadensersatz im Hinblick auf den Neuwagenpreis nicht geltend machen. Der Kläger habe unstreitig keinen Neuwagen angeschafft. Nach der Rechtsprechung des BGH könne ein Geschädigter, dessen neues Fahrzeug erheblich beschädigt worden sei, den Schaden nur dann auf Neuwagenbasis abrechnen, wenn er ein fabrikneues Ersatzfahrzeug gekauft habe. Eine fiktive Abrechnung auf Neuwagenbasis sei unzulässig. Für die Abrechnung auf Neuwagenbasis genüge auch nicht, dass der Kläger vortrage, bisher eine Neuanschaffung nur aus finanziellen Gründen unterlassen zu haben.

Das hielt der revisionsrechtlichen Nachprüfung durch den BGH stand. Die Bemessung der Höhe des Schadensersatzanspruchs sei in erster Linie Sache des dabei nach § 287 ZPO besonders freigestellten Tatrichters und revisionsrechtlich lediglich daraufhin überprüfbar, ob der Tatrichter Rechtsgrundsätze der Schadensbemessung verkannt, wesentliche Bemessungsfaktoren außer Acht gelassen oder seiner Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt hat (st. Rspr., vgl. etwa BGH NJW 2020, 144). Solche Fehler zeige die Revision nicht auf und sie seien auch nicht ersichtlich.

In zutreffender Anwendung der BGH-/Senatsrechtsprechung gehe das OLG davon aus, dass der Eigentümer eines fabrikneuen Fahrzeugs mit einer Laufleistung von nicht mehr als 1.000 km im Falle dessen – hier mangels Feststellungen des OLG zugunsten der Revision zu unterstellender – erheblicher Beschädigung (nur dann) berechtigt ist, Ersatz der Kosten für die Beschaffung eines Neufahrzeugs zu verlangen, wenn er ein gleichwertiges Ersatzfahrzeug erworben hat (BGH NJW 2009, 3022 m.w.N.). Daran hält der Senat fest. Soweit die Rechtsprechung des Senats vereinzelt Kritik erfahren habe (Gsell NJW 2009, 2994 ff.; vgl. auch Freymann/Rüßmann in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, Stand 3.7.2020, § 249 BGB Rn 82), erweise sich diese entgegen der Ansicht der Revision nicht als durchgreifend. Die Erwägung, ein repariertes Unfallfahrzeug bleibe wertmäßig hinter einem Neuwagen zurück (Gsell NJW 2009, 2994, 2996), lasse den Anspruch auf Ersatz des Minderwertes unberücksichtigt. Gründe, die bei der Beschädigung eines Neuwagens für die Aufgabe des Wirtschaftlichkeitspostulats (vgl. nur BGHZ 163, 180, 184) und des Bereicherungsverbots sprechen könnten, sind nicht ersichtlich.

Von der Revision nicht angegriffen habe das OLG festgestellt, dass der Kläger kein Neufahrzeug erworben hat. Wie das OLG zutreffend ausführt, sei die mit dem erhöhten Schadensausgleich einhergehende Anhebung der „Opfergrenze“ des Schädigers allein zum Schutz des besonderen Interesses des Geschädigten am Eigentum und an der Nutzung eines Neufahrzeugs gerechtfertigt. Dies gelte aber nur dann, wenn der Geschädigte im konkreten Einzelfall tatsächlich ein solches Interesse habe und dieses durch den Kauf eines Neufahrzeugs nachweise. Nur in diesem Fall sei die Zuerkennung einer den Reparaturaufwand (zuzüglich des merkantilen Minderwerts) übersteigenden und damit an sich unwirtschaftlichen Neupreisentschädigung mit dem Wirtschaftlichkeitsgebot und dem Bereicherungsverbot zu vereinbaren (BGH NJW 2009, 3022).

Ein anderes Ergebnis folgte nach Auffassung des BGH nicht aus dem Einwand des Klägers, er habe einen Erwerb aus finanziellen Gründen unterlassen. Unbeschadet der Frage der Relevanz dieses Gesichtspunkts sei der diesbezügliche streitige Vortrag substanzlos, nicht unter Beweis gestellt und bereits deshalb nicht erheblich. Schließlich greife auch die Rüge, das OLG habe übersehen, dass der Geschädigte einen Neuwagenkauf nachholen könne und deshalb die Klage nur derzeit unbegründet sei, nicht durch. Das OLG habe darauf abgestellt, dass der Kläger keinen Neuwagen gekauft hat und es damit an einer Anspruchsvoraussetzung für die Kostenerstattung fehle. Mit der Frage, wie zu entscheiden sei, wenn der Kläger einen Neuwagen kauft, hat sich das OLG nicht befasst. Ein solcher neuer Sachverhalt werde von der Rechtskraft der klageabweisenden Entscheidung nicht erfasst (vgl. BGH, a.a.O.).

III. Bedeutung für die Praxis

Es bleibt also dabei: Wird bei einem Unfall ein neuer Pkw erheblich beschädigt, steht dem Eigentümer der volle Kaufpreis zu, aber eben nur, wenn er sich mit dem Geld auch wirklich einen gleichwertigen Neuwagen angeschafft hat. Damit bestätigt der BGH seine Rechtsprechung aus dem Jahr 2009 (NJW 2009, 3022), der die Literatur weitgehend gefolgt ist (Almeroth in MüKoStVR, 2017, BGB § 249 Rn 231; Ekkenga/Kuntz in Soergel, BGB, 13. Aufl., § 249 Rn 169; J.W. Flume in Bamberger/Roth/Hau/Poseck, BGB, 4. Aufl., § 249 Rn 236 ff.; Funk/Froitzheim in BeckOK StVR, Stand 1.7.2020, BGB § 251 Rn 15; Kuhnert in NK-GVR, 2. Aufl., § 251 BGB Rn 13; Sanden/Völtz, Sachschadenrecht des Kraftverkehrs, 9. Aufl., Rn 192; Böhme/Biela/Tomson, Kraftverkehrs-Haftpflicht-Schäden, 26. Aufl., Kap. 4 Rn 42; Lemcke NJW-Spezial 2013, 457, 458; Richter in Himmelreich/Halm, Handbuch des Fachanwalts Verkehrsrecht, 6. Aufl., Kapitel 4, Rn 672; vgl. auch Oetker in MüKoBGB, 8. Aufl., § 251 Rn 26). Etwas anderes gilt ggf., wenn der Erwerb aus finanziellen Gründen unterlassen wird. Dazu muss dann aber vorgetragen und Beweis angeboten werden. Allein die Behauptung reicht nicht aus.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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