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Ausnahmsweise Dokumentenpauschale für den Ausdruck der elektronischen Gerichtsakte

Zur Frage, wann der Ausdruck aus der elektronischen Gerichtsakte zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache ausnahmsweise geboten ist.

(Leitsatz des Verfassers)

LG Köln, Beschl. v. 24.10.2024104 Ks 76/23

I. Sachverhalt

Ausdrucke aus der elektronischen Gerichtsakte

Die Rechtsanwältin war Pflichtverteidigerin. Sie hat in ihrem Vergütungsfestsetzungsantrag auch Auslagen für Ausdrucke aus der elektronischen Gerichtsakte (Nr. 7000 VV RVG) von 410,45 EUR nebst Umsatzsteuer (Nr. 7008 VV RVG) geltend gemacht. Der Rechtspfleger hat sie abgesetzt. Dagegen richtet sich das Rechtsmittel der Rechtsanwältin, dem der Rechtspfleger nicht abgeholfen hat. Die dagegen gerichtete Erinnerung der Rechtsanwältin hatte Erfolg.

II. Entscheidung

Hier ausnahmsweise Ausdrucke erforderlich

Der Rechtsanwältin stehe nach Nr. 7000 VV RVG die abgesetzte Dokumentenpauschale für Ausdrucke aus der elektronischen Gerichtsakte in Höhe von 410,45 EUR zu, nämlich im Ermittlungsverfahren 50 Ausdrucke zu je 0,50 EUR und 926 Ausdrucke zu je 0,15 EUR sowie im Hauptverfahren 50 Ausdrucke zu je 0,50 EUR, 1.317 Ausdrucke zu je 0,15 EUR und 24 Farbausdrucke zu je 1 EUR. Hinzu kommt nach Nr. 7008 VV RVG die anteilige Umsatzsteuer von 77,99 EUR.

Nach Nr. 7000 1a) VV RVG falle die Pauschale für die Herstellung und Überlassung von Dokumenten für Kopien und Ausdrucke aus Behörden- und Gerichtsakten nur an, soweit deren Herstellung zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten war. Dabei sei grundsätzlich ein objektiver Maßstab anzulegen (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch/Stollenwerk, Gesamtes Kostenrecht, 3. Aufl., RVG VV 7000 Rn 10). Werde dem Rechtsanwalt – wie hier – die komplette Verfahrensakte in digitalisierter Form zum weiteren Verbleib überlassen, seien Kosten für Ausdrucke daraus nach Nr. 7000 1a) VV RVG vom Grundsatz her keine erforderlichen Auslagen i.S.v. § 46 Abs. 1 RVG (vgl. OLG Frankfurt, Beschl. v. 3.4.2018 – 2 Ws 1/18, JurBüro 2018, 352). Von diesem Grundsatz seien jedoch Ausnahmen möglich, deren Voraussetzungen in der Kommentarliteratur umstritten seien (vgl. Schneider/Volpert/Fölsch/Stollenwerk, a.a.O., RVG VV 7000 Rn 10; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 26. Aufl. 2023, VV 7000 Rn 62; Toussaint, KostG, 54. Aufl. 2024, RVG VV 7000 Rn 10).

Exemplarischer Fall

Auf die Einzelheiten dieses Meinungsstreits komme es jedoch nicht an, weil der vorliegende Fall exemplarisch dafür sei, dass Ausdrucke aus der elektronischen Gerichtsakte zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache geboten waren: Die Akte habe aus über 2.000 Blatt Hauptakten nebst Beweismittelheften und ganz überwiegend aus Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten bestanden; allein der Nebenkläger sei vor der Hauptverhandlung mehr als fünfmal, teilweise sehr umfangreich, vernommen worden; die Akte sei äußerst unübersichtlich strukturiert; die erinnerungsführende Rechtsanwältin habe seit dem Ermittlungsverfahren wiederholt aktenkundige Aussagen von Zeugen und Beschuldigten synoptisch nebeneinander gestellt. Dazu sei es erforderlich gewesen, Ausdrucke der zahlreichen aktenkundigen Aussagen von Zeugen und Beschuldigten ausgedruckt nebeneinanderzulegen und abzugleichen. Außerdem sei es angesichts der Vielzahl wiederholter Vernehmungen für die Hauptverhandlung erforderlich gewesen, jeweils Ausdrucke aller aktenkundigen Aussagen eines Zeugen zu verwenden. Aus diesen Gründen des Einzelfalls sei ausnahmsweise ein vollständiger Ausdruck der elektronischen Gerichtsakte zur sachgemäßen Bearbeitung der Rechtssache i.S.v. Nr. 7000 1a) VV RVG geboten gewesen.

III. Bedeutung für die Praxis

Einzelfallentscheidung

Leider eine Einzelfallentscheidung. Die h.M. stellt in diesen Fällen i.d.R. nämlich darauf ab, dass ein Ausdruck aus der elektronischen Akte nicht zum Anfall der Dokumentenpauschale führt. Auch die Vereinfachung der Verfahrensführung für den Rechtsanwalt soll die Dokumentenpauschale nicht rechtfertigen (zu allem die Nachweise in der Anmerkung zu OLG Nürnberg, Beschl. v. 25.9.2024 – Ws 649/24, AGS 2024, 555). Für mich ist das fraglich, allerdings fährt der Zug in eine andere Richtung. Der Verteidiger muss aber auf jeden Fall darauf achten, zur Notwendigkeit der Ausdrucke vorzutragen (vgl. dazu OLG Nürnberg a.a.O.).

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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