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Verfahrensgebühr nach Zurückverweisung

Wenn der Verteidiger nach (Teil-)Aufhebung und Zurückverweisung eines Verfahrens durch das Revisionsgericht an das Berufungsgericht dem Mandanten den weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens erläutert, entsteht durch diese Tätigkeit die Verfahrensgebühr für das Berufungsverfahren.

(Leitsatz des Verfassers)

AG Nürnberg, Beschl. v. 2.5.2024401 Ds 207 Js 8267/22

I. Sachverhalt

Aufhebung und Zurückverweisung durch das Revisionsgericht

Der Rechtsanwalt ist mit Beschluss des AG vom 20.5.2022 dem Angeklagten als Pflichtverteidiger beigeordnet worden. Am 31.10.2022 wurde der Angeklagte durch das AG wegen Verstoßes gegen das GewaltschutzG zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten verurteilt. Im Berufungsverfahren ist er dann durch das LG zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von (noch) acht Monaten verurteilt worden, die weitergehende Berufung wurde als unbegründet verworfen. Auf die Revision des Angeklagten hat das BayObLG das Berufungsurteil insofern aufgehoben, als der Angeklagte wegen des Verstoßes gegen das GewaltschutzG in drei Fällen samt der Gesamtstrafenbildung verurteilt worden ist. Die Sache wurde im Umfang der Aufhebung zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Berufungsstrafkammer des LG zurückverwiesen. Im Übrigen wurde die Revision des Angeklagten als unbegründet verworfen.

Verfahrensgebühr für das zweite Berufungsverfahren?

Die Akte ging am 21.12.2023 beim LG ein. Die nun zuständige Strafkammer des LG hat dann mit Beschluss vom 10.1.2024 die Bestellung des Rechtsanwalts zum Pflichtverteidiger des Angeklagten gemäß § 143 Abs. 2 StPO aufgehoben. Mit Schriftsatz vom 13.1.2024 beantragte der Verteidiger Kostenfestsetzung für das Berufungsverfahren. Geltend gemacht wurde eine Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG für das zweite Berufungsverfahren sowie die Post- und Telekommunikationspauschale zuzüglich Umsatzsteuer, insgesamt 359,38 EUR. Die Rechtspflegerin des AG hat den Kostenfestsetzungsantrag zurückgewiesen. Die Erinnerung des Rechtsanwalts hatte Erfolg.

II. Entscheidung

Anders als die Rechtspflegerin hat der Richter dann die beantragten Gebühren – wie beantragt – festgesetzt.

Revisionsverfahren beendet

Der Verteidiger sei bis zur Entpflichtungsentscheidung des LG vom 10.1.2024 als Pflichtverteidiger beigeordnet (gewesen). Das zweite Berufungsverfahren – Verfahren nach der Zurückverweisung – sei gemäß § 21 RVG gegenüber dem Revisionsverfahren, dem ersten Berufungsverfahren und der 1. Instanz eine eigene Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG. Das zweite Berufungsverfahren habe gemäß § 34a StPO mit Ablauf des Tages der Beschlussfassung über die Zurückverweisung an das LG, also mit Ablauf des 23.11.2023, begonnen.

Kostenauslösende Tätigkeit des Verteidigers

Voraussetzung für das Anfallen einer Gebühr im zweiten Berufungsverfahren sei eine kostenauslösende Tätigkeit des Verteidigers in diesem Berufungsverfahren. Der Verteidiger habe hierzu geschildert, er habe seinen Mandanten mit Schreiben vom 27.11.2023 über das Ergebnis der erfolgreichen Revision und den weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens informiert. Außerdem habe er seinem Mandanten mit Schreiben vom 13.1.2024 die Sach- und Rechtslage im Hinblick auf die Erfolgsaussichten einer etwaigen sofortigen Beschwerde gegen die Entpflichtungsentscheidung des LG erläutert. Das Schreiben des Verteidigers vom 27.11.2023 sei zeitlich dem zweiten Berufungsverfahren zuzuordnen, da es nach Ablauf des 23.11.2023 erfolgt sei. Soweit der Verteidiger erklärt habe, hierin dem Mandanten den weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens erklärt zu haben, sei dies als kostenauslösende Tätigkeit zu werten. Die Information des Mandanten zum zweiten Berufungsverfahren sei Betreiben des Geschäfts und nicht durch vorherige Gebühren erfasst. Die Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG zuzüglich Pauschale sei somit angefallen.

III. Bedeutung für die Praxis

Letztlich zutreffende Lösung des AG

1. Die Argumentation der Rechtspflegerin in ihrem Beschluss vom 14.2.204 und ihre darauf beruhende Ablehnung der Vergütungsfestsetzung war falsch, die andere Sicht des Richters ist zutreffend. Die Argumentation der Rechtspflegerin erinnert ein wenig an die, die wir bei der Frage nach der Erstattung der Gebühren kennen, wenn die Staatsanwaltschaft ihr Rechtsmittel vor dessen Begründung zurücknimmt. Auch da sieht man ein Tätigwerden des Rechtsanwalts nicht als notwendig bzw. die erbrachten Tätigkeiten als noch durch die Gebühren der 1. Instanz mit abgegolten an. Die Frage spielt hier im Hinblick auf das Zusammenspiel von Verfahrensgebühr Nr. 4130 VV RVG für das Revisionsverfahren und Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG für das zweite Berufungsverfahren eine Rolle. Dabei ist hier aber von entscheidender Bedeutung, dass die Revisionsinstanz mit der Entscheidung des Revisionsgerichts am 23.11.2023 bzw. dem Ablauf dieses Tages beendet war und das zweite Berufungsverfahren begonnen hat. Damit ist auch der Abgeltungsbereich der Nr. 4130 VV RVG „beendet“ und alle nun noch erbrachten Tätigkeiten können nur noch mit der für die neue Angelegenheit „zweites Berufungsverfahren“ entstehenden Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG honoriert werden. Die Tätigkeiten des Rechtsanwalts gehen m.E. auch erheblich über bloße Abwicklungstätigkeiten, die ggf. noch von der Nr. 4130 VV RVG erfasst werden könnten, hinaus.

Tätigkeiten im Hinblick auf Entpflichtung

2. In einem Punkt hatte die Rechtspflegerin allerdings Recht: Die vom Verteidiger im Hinblick auf seine Entpflichtung als Pflichtverteidiger entfaltete Beratungstätigkeit konnte nicht (mehr) zum Entstehen der zweiten Verfahrensgebühr Nr. 4124 VV RVG als gesetzliche Gebühr – um die geht es hier – führen. Denn diese Tätigkeit ist nach der Entpflichtung des Rechtsanwalts erfolgt. Damit fehlt insoweit die Beiordnung als Anknüpfungspunkt (§ 45 RVG) für einen Anspruch auf gesetzliche Gebühren gegenüber der Landeskasse. Der Richter scheint das anders gesehen zu haben, da er bei der Prüfung der Frage einer kostenauslösenden Tätigkeit des Verteidigers auch diese Beratung ausdrücklich anführt.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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