Zur Bestellung eines Pflichtverteidigers im Nachverfahren über die anlässlich des teilweisen Inkrafttretens des KCanG zum 1.4.2024 nach Maßgabe der Art. 313 Abs. 3 S. 3, 316p EGStGB gebotene Strafermäßigungsprüfung.
(Leitsatz des Verfassers)
I. Sachverhalt
Nachverfahren nach dem KCanG
Der Verurteilte ist nach altem Recht wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt worden. Nach dem Inkrafttreten des KCanG steht jetzt die sog. Strafermäßigungsprüfung im Nachverfahren an. Das LG hat den Verteidiger des Verurteilten aus dem Erkenntnisverfahren als Pflichtverteidiger bestellt.
II. Entscheidung
Bestellung aus dem Erkenntnisverfahren gilt fort
§ 143 Abs. 1 StPO bestimme, dass die – wie vorliegend geschehen – im Erkenntnisverfahren erfolgte Bestellung eines Pflichtverteidigers auch für das in § 460 StPO geregelte Nachverfahren über die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe fortwirke. Ob eine derartige Erstreckung allerdings auch für das Nachverfahren über die anlässlich des teilweisen Inkrafttretens des KCanG zum 1.4.2024 nach Maßgabe der Art. 313 Abs. 3 S. 3, 316p EGStGB gebotene Strafermäßigungsprüfung gelte, erscheine mit Blick auf die fehlende Nennung des § 460 StPO in Art. 313 Abs. 5 EGStGB zumindest nicht unproblematisch. Da jedoch die Festsetzung von Freiheitsstrafen über einem Jahr nach den zu § 140 Abs. 2 StPO in der höchst- und obergerichtlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstäben ohne Verteidigung des Verurteilten in der Sache offenkundig ausscheiden müsse, erscheine es aus Gründen der Verfahrensfairness wie zugleich auch der kostenrechtlichen Sicherheit für den im Erkenntnisverfahren bereits bestellten Pflichtverteidiger geboten, dessen Bestellung auch für das vorliegende besondere Nachverfahren – und sei es mit bloß deklaratorischer Wirkung – erneut ausdrücklich auszusprechen.
III. Bedeutung für die Praxis
Zutreffend
Der Entscheidung ist zuzustimmen. Das gilt auch, soweit das LG die Fortwirkung der im Erkenntnisverfahren erfolgten Bestellung des Rechtsanwalts als Pflichtverteidiger für das in § 460 StPO geregelte Nachverfahren über die nachträgliche Bildung einer Gesamtstrafe bezweifelt, da Art. 313 Abs. 5 EGStGB nur auf die §§ 458 und 462 StPO verweist. Eine analoge Anwendung dürfte sich wegen des eindeutigen Wortlauts verbieten. Andererseits werden diese Fälle im Zweifel schwierig und von den Rechtsfolgen her nicht selten schwer sein, sodass sich eine Bestellung nach § 140 Abs. 2 StPO aufdrängt. Den Weg ist offensichtlich das LG gegangen, auch wenn es die Bestellung nur mit „deklaratorischer Wirkung“ ausspricht. Sehr schön und zu begrüßen ist in dem Zusammenhang das Abstellen auf die „kostenrechtliche Sicherheit für den im Erkenntnisverfahren bereits bestellten Pflichtverteidiger“. Das liest man leider viel zu selten.