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Neues Ablehnungsgesuch, alte Begründung

Ein zweites Ablehnungsgesuch nach Zurückweisung des ersten Ablehnungsgesuchs mit identischer Begründung legt die Annahme eines Verwerfungsgrundes i.S.d. § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO wegen bloßer Wiederholung der Ablehnung aus demselben Grund ebenso nahe wie die Annahme von Verschleppungsabsicht i.S.v. § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO.

(Leitsätze des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 19.6.20245 StR 442/23

I. Sachverhalt

Neues Ablehnungsgesuch mit alter Begründung

Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln verurteilt. Der Angeklagte beantragte, ein an den Vorsitzenden gerichtetes Schreiben des Zeugen D, das die Beisitzerin dem bereits rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren des Zeugen zugeordnet hatte, beizuziehen und zum Beweis verschiedener Tatsachen zu verlesen. Diesen Antrag lehnte die Strafkammer gem. § 244 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 StPO wegen Bedeutungslosigkeit ab. Noch am selben Tag lehnte der Angeklagte die erkennenden Richter und Schöffen wegen Befangenheit ab, weil sie die Verlesung des verfahrensrelevanten Beweismittels ohne Kenntnis von dessen Inhalt abgelehnt und sich dabei ungeprüft auf die Wertung der Beisitzerin verlassen hätten, die den Inhalt des Schreibens nur lückenhaft erinnert oder verkürzt wiedergegeben habe. Dem vorausgegangen war ein weiteres Befangenheitsgesuch gegen den Vorsitzenden und die Beisitzerin wegen Vorenthaltens des genannten Schreibens des Zeugen D, das als unbegründet zurückgewiesen wurde, weil die Zuordnung des Schreibens zum Verfahren des Zeugen nicht auf sachfremden oder willkürlichen Erwägungen beruhe. Das aktuelle Ablehnungsgesuch verwarf die Strafkammer aus den Gründen des § 26a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO als unzulässig. Das Schreiben sei bereits Gegenstand des ersten Ablehnungsgesuchs gewesen. Mit seiner Verfahrensrelevanz habe sich der damalige Beschluss befasst. Daher läge eine bloße Wiederholung der Ablehnung aus demselben Grund vor und müsse zudem von Verfahrensverschleppung ausgegangen werden. Die Verfahrensrügen des Angeklagten blieben erfolglos.

II. Entscheidung

Rüge ist unzulässig …

Die Rüge einer Verletzung von § 338 Nr. 3 StPO wegen fehlerhafter Verwerfung des zweiten Ablehnungsgesuchs bleibt ohne Erfolg. Die Verfahrensbeanstandung erweise sich sowohl mit der Angriffsrichtung einer unzutreffenden Annahme eines Verwerfungsgrundes i.S.v. § 26a Abs. 1 StPO als auch mit der Angriffsrichtung einer Verletzung von Art. 101 Abs. 1 S. 2 GG bereits gem. § 344 Abs. 2 S. 2 StPO als unzulässig. Der Beschwerdeführer teile schon das angeblich verfahrensrelevante Schreiben des Zeugen D nicht mit, sodass der Senat das Verhalten der abgelehnten Richter im Hinblick auf dieses Schreiben nicht beurteilen kann. Zudem trage er nicht vor, welche Bemühungen um Akteneinsicht in das Verfahren des Zeugen er gem. § 475 StPO unternommen hat. Zudem teilt er auch die ausweislich des vorgelegten Hauptverhandlungsprotokolls auf den Beschluss über die Verwerfung des Ablehnungsgesuchs angebrachten Gegenvorstellungen der Verteidigung nicht mit, obwohl nicht auszuschließen ist, dass sich daraus Relevantes für die Beurteilung der Verfahrensbeanstandung ergibt.

… und wohl auch unbegründet

Allerdings liege in einer Konstellation wie der vorliegenden die Annahme eines Verwerfungsgrundes i.S.d. § 26a Abs. 1 Nr. 2 StPO wegen bloßer Wiederholung der Ablehnung aus demselben Grund (zum Fehlen eines tauglichen Ablehnungsgrundes in diesen Fällen BGH NStZ-RR 2024, 24 = StRR 2/2024, 21 [Hillenbrand]): Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 67. Aufl., § 26a Rn 4b) ebenso nahe wie die Annahme von Verschleppungsabsicht i.S.d. § 26a Abs. 1 Nr. 3 StPO (hierzu BGH NStZ 2011, 294; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn 6). Jedenfalls habe die Strafkammer nicht ihre eigene Entscheidung über die Ablehnung des Beweisantrages inhaltlich überprüft; vielmehr habe sie zum Beleg der bloßen Wiederholung einer Ablehnung aus demselben Grunde im Hinblick auf die Verfahrensrelevanz des Schreibens des Zeugen D ausdrücklich die Entscheidung der „zuständigen Richter“ über die Zurückweisung des ersten Ablehnungsgesuchs des Angeklagten referiert.

III. Bedeutung für die Praxis

Hoffnung genügt nicht für die Revision

Der BGH wiederholt die Grundsätze zum Fehlen eines tauglichen Ablehnungsgrundes und zur Verschleppungsabsicht bei einem wiederholten Befangenheitsgesuch mit identischer Begründung. So weit, so bekannt. Der Beschluss zeigt wieder einmal deutlich: Die Begründung von Verfahrensrügen in der Revision gehört zur ganz hohen Kunst der Strafverteidigung. Hier hat der Verteidiger offenbar auf das Prinzip Hoffnung gesetzt, statt sich in die Erfordernisse der Begründung einzuarbeiten. Herausgekommen sind dabei ersichtlich unzureichend begründete Verfahrensrügen, denn auch die Rüge einer unzulässigen Beschränkung der Verteidigung durch Zurückweisung dreier die Authentizität und Integrität der EncroChat-Daten betreffender Fragen im Rahmen der Anhörung zweier Sachverständiger war unzureichend begründet. Dann sollte man das lieber Spezialisten überlassen.

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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