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Erforderliche Feststellungen bei der Aufklärungshilfe

1. Leistet ein Angeklagter Aufklärungshilfe, müssen der Aufklärungserfolg und die ihm zugrunde liegende richterliche Überzeugung im Urteil konkret und nachprüfbar festgestellt werden.

2. Äußern sich mehrere Tatbeteiligte, ist zudem die Reihenfolge der Angaben darzulegen, denn die Strafrahmenverschiebung nach § 31 S. 1 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB kommt nur demjenigen zugute, der als erster einen Aufklärungsbeitrag leistet. Zeitlich nachfolgende Aussagen, die lediglich bereits bekannte Erkenntnisse wiederholen oder nur unwesentliche Randdetails schildern, sind unzureichend. (Leitsätze des Verfassers)

BGH, Urt. v. 14.8.20245 StR 424/23

I. Sachverhalt

BtM-Verfahren

Das LG hat die beiden Angeklagten wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge u.a. zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt. Nach den Feststellungen handelten sie unter Nutzung eines EncroChat-Handys mit größeren Mengen Kokain, Amphetamin, Marihuana und Haschisch.

Strafmilderung nach § 31 BtMG, § 49 Abs. 1 StGB

Im Rahmen der Strafzumessung hat die Strafkammer mit Ausnahme einer Tat durchgehend den Strafmilderungsgrund nach § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG bejaht. Dank der Angaben der Angeklagten im Zwischenverfahren sei die genaue Binnenstruktur des gemeinsam betriebenen Handels bekannt geworden und eine sichere Zurechnung der einzelnen Taten zu den Angeklagten ermöglicht worden. Auch hätten sich die Angeklagten jeweils dazu geäußert, wer in den einzelnen Fällen das gemeinsame EncroChat-Handy genutzt und mit den Verkäufern korrespondiert habe. Die Angeklagten hätten zudem auch Angaben zur Teilung der Kosten und der erzielten Gewinne getätigt.

Revision der StA erfolgreich

Die gegen das Urteil zu Ungunsten der Angeklagten eingelegte, auf den Strafausspruch mit den zur Aufklärungshilfe getroffenen Feststellungen beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft war erfolgreich. Zudem hat der Senat aufgrund des zwischenzeitlichen Inkrafttretens des KCanG die Schuldsprüche neu gefasst.

II. Entscheidung

Feststellungen zur Aufklärungshilfe unzureichend

Der BGH moniert, dass die Voraussetzungen einer erfolgreichen Aufklärungshilfe i.S.d. bei Urteilserlass auf alle abgeurteilten Taten einschließlich der Cannabisdelikte anzuwendenden § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG von der Strafkammer nicht hinreichend belegt worden seien. Eine Strafmilderung nach dieser Vorschrift setze voraus, dass der Täter durch freiwilliges Offenbaren seines Wissens wesentlich dazu beigetragen hat, dass eine Straftat nach den §§ 29 ff. BtMG, die mit seiner eigenen Tat im Zusammenhang steht, aufgedeckt werden konnte. Die Aufklärungshilfe müsse vor Eröffnung des Hauptverfahrens geleistet werden und zu einem Aufklärungserfolg geführt haben, zu dem der Täter wesentlich beigetragen hat. Der Aufklärungserfolg und die ihm zugrunde liegende richterliche Überzeugung müssten im Urteil konkret und nachprüfbar dargestellt werden. Dazu gehöre es, dass die Angaben des Angeklagten, jedenfalls in ihrem tatsächlichen Kern, der Erkenntnisstand der Ermittlungsbehörden und etwaige durch die Angaben veranlasste Strafverfolgungsmaßnahmen dargelegt werden.

Bestätigung bereits bekannter Erkenntnisse unzureichend

Wenn sich mehrere Tatbeteiligte zu ihrem Wissen über gemeinsame Taten äußern, so sei zu beachten, dass die alleinige Bestätigung bereits bekannter Erkenntnisse grundsätzlich keine Aufdeckung i.S.v. § 31 S. 1 Nr. 1 BtMG darstelle. Die dort normierte Vergünstigung komme in der Regel vielmehr nur demjenigen Mittäter zugute, der als erster einen über seinen eigenen Tatbeitrag hinausgehenden Aufklärungsbeitrag leistet und damit die Möglichkeit der Strafverfolgung im Hinblick auf bereits begangene Taten nachhaltig verbessert. Eine zeitlich nachfolgende Aussage, die die bereits bekannten Erkenntnisse wiederholt und darüber hinaus lediglich unwesentliche Randdetails des Tatgeschehens schildert, könne nur dann noch einen wesentlichen Aufklärungsbeitrag darstellen, wenn erst durch diese Aussage den Strafverfolgungsbehörden die erforderliche Überzeugung vermittelt wird, dass die bisherigen Erkenntnisse zutreffen.

Bei Angaben mehrerer Mittäter: zeitliche Reihenfolge maßgeblich

Diese Maßgaben habe das LG teilweise nicht beachtet, sondern ungeachtet der gebotenen Differenzierung für beide Angeklagte im Ergebnis unterschiedslose Beiträge zur Aufklärung der Taten festgestellt. Hierfür fehle eine Grundlage, da im Urteil ungeklärt geblieben sei, ob und inwieweit einer oder beide Angeklagte die genannten Voraussetzungen erfüllt haben. Der Senat moniert insbesondere, dass das Urteil sich nicht zur Reihenfolge und dem etwaigen zeitlichen Abstand der Angaben der Angeklagten verhalte. Angesichts dessen bestehe auch kein Anlass für die Annahme, dass sich die Angeklagten zur selben Zeit eingelassen haben.

Höhere Strafe möglich

Auf diesem Rechtsfehler beruhe der Strafausspruch. Der Senat könne nicht ausschließen, dass das LG, hätte es die vorgenannten Maßgaben beachtet, höhere Einzelstrafen und auch eine höhere Gesamtstrafe verhängt hätte.

III. Bedeutung für die Praxis

§ 31 BtMG nicht vorschnell bejahen

Die Entscheidung zeigt, dass die Voraussetzungen für eine Aufklärungshilfe i.S.d. § 31 BtMG nicht vorschnell bejaht werden dürfen, andernfalls zerrinnt der sicher geglaubte Verteidigungserfolg in der Revision. Insbesondere darf sich das Tatgericht nicht damit begnügen, dass der vermeintlich aufklärungswillige Angeklagte lediglich bereits anderweitig gewonnene Erkenntnisse wiederholt oder bestätigt, außerdem ist auf eine ausreichende Sorgfalt bei der Feststellung der Aufklärungshilfe und des Aufklärungserfolgs zu achten. Für die Verteidigung bedeutet dies, dass sie sich nicht zurücklehnen darf, sobald das Gericht eine Strafrahmenverschiebung in Aussicht stellt, sondern darauf achten muss, dass die eine solche Milderung rechtfertigenden Umstände in der Hauptverhandlung in der gebotenen Ausführlichkeit zur Sprache kommen und dementsprechend dann auch Eingang in die Urteilsgründe finden.

RiOLG Thomas Hillenbrand, Stuttgart

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