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Glaubhaftmachung einer Störung beim elektronischen Versand

Im Falle einer im Verantwortungsbereich der Justiz zu verortenden Störung, die den beA-Empfang bei allen Gerichten im Land über einen längeren Zeitraum und über den Ablauf der Einlegungsfrist hinaus unmöglich macht, bedarf es einer sonst erforderlichen anwaltlichen Versicherung – insbesondere von Umständen, die sich der genaueren Kenntnis des Versichernden zu Ursachen und Ausmaß der Störung entziehen – dann ausnahmsweise nicht, um den Anforderungen des § 32d S. 3 und S. 4 StPO zu genügen.

(Leitsatz des Verfassers)

OLG Karlsruhe, Beschl. v. 28.2.20241 ORs 340 SRs 86/24

I. Sachverhalt

Revision eingelegt

Das AG Karlsruhe hat den Angeklagten u.a. wegen gewerbsmäßigen Bandencomputerbetrugs verurteilt. Die dagegen eingelegte Berufung hat das LG teilweise verworfen. Gegen dieses Urteil hat der Angeklagte Revision eingelegt.

Zulässigkeit der Revision im Streit

Im Revisionsverfahren ist um die Zulässigkeit der Revision gestritten worden, denn der Rechtsanwalt hatte die Revision (zunächst) am letzten Tag der Frist wegen einer beA-Störung ausschließlich per Telefax eingelegt und dann erst später das elektronische Dokument über das beA nachgereicht. Die Generalstaatsanwaltschaft war der Auffassung, die Einlegung der Revision mit Fax vom 31.10.2023 anstatt – wie von § 32d S. 2 StPO gefordert – über das beA genüge nicht, da die Ersatzeinreichung nicht den nach § 32d S. 3 und 4 StPO zu stellenden Anforderungen genüge. Danach bedürfe es einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe oder Umstände, welche eine Einreichung der in § 32d S. 2 StPO genannten Dokumente auf nicht elektronischem Weg erforderlich gemacht haben, zudem müsse ein Rechtsanwalt die Richtigkeit der Angaben zusätzlich noch glaubhaft machen. Ein gesondertes Fax mit Screenshots, die eine Störung zeigen, sowie einer ergänzenden Erläuterung genüge jedenfalls nicht. Der Verteidiger hatte darauf verwiesen, dass eine anwaltliche Versicherung nur Umstände bzw. Tatsachen betreffen könne, die in der Sphäre bzw. der Wahrnehmung des Versichernden liegen. Das sei bei Wartungsarbeiten der IT-Infrastruktur der Justiz indes nicht der Fall. Schließlich müsse die Justiz am besten selbst wissen, wann sie auf elektronischem Wege erreichbar sei und wann nicht. Das Rechtsmittel hatte beim OLG Erfolg.

II. Entscheidung

Revision nach Auffassung des OLG zulässig

Das OLG hat die Revision als zulässig angesehen. Sie sei insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 341 Abs. 1, 344 Abs. 1 u. 2, 345 Abs. 1 u. 2, 32d StPO). Zwar sei die Revisionseinlegung per Fax und damit nicht in der von § 32d S. 2 StPO vorgeschriebenen elektronischen Form erfolgt. Im Falle einer (vorübergehenden) technischen Störung könne nach S. 3 die Einlegung der Revision auch in Papierform erfolgen. Nach S. 4 bedürfe es in einem solchen Fall einer in sich geschlossenen Darstellung der (vorübergehenden) Unmöglichkeit der Einreichung eines Schriftsatzes als elektronisches Dokument. Die vorübergehende Unmöglichkeit einer elektronischen Übermittlung sei bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen, etwa dergestalt, dass der Verteidiger die Richtigkeit seiner Schilderung unter Bezugnahme auf seine Standespflichten anwaltlich versichere (vgl. BGH, Beschl. v. 21.9.2022 – XII ZB 264/22, NJW 2022, 3647; Beschl. v. 30.8.2022 – 4 StR 104/22, StraFo 2022, 434; Beschl. v. 5.9.2023 – 3 StR 256/23, NStZ-RR 2023, 347).

Ablauf

Hier habe der Verteidiger am 31.10.2023, dem letzten Tag der sich aus § 341 Abs. 1 StPO ergebenden Frist, per Fax Revision eingelegt (Eingang beim LG um 17.01 Uhr). Durch weiteres Fax (Eingang beim LG um 17.20 Uhr) habe er mitgeteilt, dass eine beA-Störung im Raum Baden-Württemberg vorliege, weshalb die Einlegung per Fax erfolgt sei, und habe zur Glaubhaftmachung einen Screenshot vorgelegt, aus dem sich ergebe, dass eine Übermittlung der Revisionseinlegung per beA gescheitert war, sowie einen weiteren Screenshot aus dem beA-Portal der Bundesrechtsanwaltskammer („beA-Störungshistorie“), aus welchem sich ergebe, dass wegen Wartungsarbeiten vom 27.10. bis 1.11.2023 der Empfang von elektronischen Nachrichten bei allen Gerichten in Baden-Württemberg nicht möglich gewesen sei.

Vortrag des Verteidigers genügt

Dieser zeitnah nach der Einlegung der Revision per Fax übermittelte Vortrag genüge – so das OLG – den Darlegungsanforderungen gem. § 32d S. 3 u. 4 StPO. Im Falle einer im Verantwortungsbereich der Justiz zu verortenden Störung, die den beA-Empfang bei allen Gerichten im Land über einen längeren Zeitraum und hier über den Ablauf der Einlegungsfrist hinaus unmöglich mache, genüge die Mitteilung des Vorliegens einer landesweiten Störung, ohne dass es – wie etwa bei einer Störung aus dem Verantwortungsbereich des Übermittlers, wo eine stichwortartige Zustandsbeschreibung nicht genügt (BGH, Beschl. v. 5.9.2023 – 3 StR 256/23, NStZ-RR 2023, 347) – näherer Darlegungen dazu bedürfe, ob ggf. mehrere vergebliche Übermittlungsversuche unternommen wurden, ob bzw. welche Maßnahmen zur Behebung der Störung unternommen bzw. ob versucht wurde, durch eine (am Tag vor Allerheiligen nach 17 Uhr wohl kaum erfolgreiche) Kontaktaufnahme mit dem LG für Abhilfe zu sorgen. Ausreichend glaubhaft gemacht habe der Verteidiger seinen Vortrag durch den übermittelten Screenshot aus dem Portal der Bundesrechtsanwaltskammer, woraus sich ergebe, dass am 31.10.2023 eine Übermittlung der Revisionseinlegung per beA aus genannten Gründen nicht möglich gewesen sei. Der von der Generalstaatsanwaltschaft vermissten zusätzlichen anwaltlichen Versicherung von Umständen, die sich der genaueren Kenntnis des Versichernden zu Ursachen und Ausmaß der Störung entziehen, habe es nicht bedurft.

III. Bedeutung für die Praxis

Zutreffend

Die Entscheidung ist zutreffend. Aber: Vorsicht ist natürlich nach wie vor geboten. Jeder Berufsträger kann sich vorstellen, wie es einem Revisionsführer geht, dem an der Zulässigkeit der Revision wegen eines Formfehlers gerüttelt wird. Zutreffend erkennt der Senat aber, dass es natürlich nicht sein kann, dass ein Berufsträger eine anwaltliche Versicherung zur Glaubhaftmachung von Tatsachen über Umstände abgeben muss, die sich seiner eigenen Wahrnehmung entziehen. So liegt der Fall jedenfalls, wenn die Störung am anderen Ende der Leitung zu verorten ist. Als Merkformel kann man folgenden Satz aufstellen: Liegt die technische Störung, die es vorübergehend unmöglich macht, ein Schriftstück gem. § 32d S. 2 StPO zu versenden, in der Sphäre des Versenders, ist der Aufwand für Darlegung und Glaubhaftmachung sehr hoch, auf keinen Fall genügt es den Anforderungen, wenn ihn ein Berufsträger nicht anwaltlich versichert. Liegt die technische Störung, die einen Versand vorübergehend unmöglich macht, auf Seiten der Justiz, so bedarf es neben der kurzen Darlegung der Störung jedenfalls keiner weiteren anwaltlichen Versicherung.

RA/FA StR Patrick Lauterbach, Solingen

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