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Umfang der Einziehung bei Kinder- und Jugendpornografie

1. Die Einziehung gemäß §§ 184b Abs. 6 bzw. 184c Abs. 6 StGB a.F (entspricht Abs. 7 n.F.) betrifft (nur) die Beziehungsgegenstände, etwa die Festplatte, auf der sich die inkriminierten Dateien befinden, nicht jedoch den gesamten Computer nebst Zubehör.

2. Als weniger einschneidendes Mittel kann die endgültige Löschung der Dateien in Betracht kommen. In diesem Fall wäre der Vorbehalt der Einziehung unter Anordnung der konkreten Maßnahme auszusprechen.

3.Die Kostentragungspflicht der Durchführung einer solchen Maßnahme (z.B. Löschung) fällt dem Einziehungsbetroffenen zu.

(Leitsätze des Gerichts)

OLG Celle, Beschl. v. 18.8.20223 Ss 18/22

I. Sachverhalt

Einziehung angefochten

Das AG hat den Angeklagten u.a. wegen des Besitzes von kinder- und jugendpornografischen Inhalten verurteilt und die Einziehung eines PC-Towers und zweier Smartphones angeordnet. Die auf die Einziehungsanordnung beschränkte Revision war bezüglich der Einziehung erfolgreich.

II. Entscheidung

Beschränkung an sich unzulässig

Die Beschränkung des Revisionsangriffs auf die Einziehungsentscheidung sei zwar unzulässig. Die Einziehung gem. §§ 74 ff StGB sei eine Nebenstrafe und als solche Teil der Strafzumessung, die eine Gesamtbetrachtung erfordert. Es bestehe mithin eine Wechselwirkung zwischen den verhängten Sanktionen und der Einziehung. Die Erklärung sei dahin auszulegen, dass das Rechtsmittel auf den Rechtsfolgenausspruch insgesamt beschränkt wird.

Einziehung nur fakultativ

Die auf §§ 184b Abs. 6, 184c Abs. 6 (in der jeweils zur Tatzeit geltenden Fassung), 74 StGB gestützte Einziehung des PC-Towers und der beiden Smartphones begegne durchgreifenden Bedenken. Gem. § 184b Abs. 6 StGB a.F. bzw. § 184c Abs. 6 StGB a.F. (entspricht Abs. 7 der aktuellen Fassung) seien Gegenstände, auf die sich eine Straftat nach Abs. 3 bezieht, einzuziehen. Dies betreffe mithin nur Beziehungsgegenstände, also nur das Speichermedium, auf dem sich die inkriminierten Dateien befinden, z.B. die Festplatte des zum Herunterladen verwendeten Computers, nicht jedoch den gesamten Computer nebst Zubehör. Eine solche Einziehung des für den Speichervorgang genutzten Computers bzw. Handys nebst Zubehör komme vorliegend allenfalls nach § 74 Abs. 1 2. Alt. StGB als Tatmittel in Betracht, welcher ein Ermessen des Tatrichters einräumt und durch § 184b Abs. 6 bzw. § 184c Abs. 6 StGB a.F. ergänzt wird. Soweit – über die Speichermedien hinaus – die Gegenstände als solche eingezogen worden sind, habe das Tatgericht offenbar verkannt, dass ihm insoweit ein pflichtgemäßes Ermessen zukommt, sodass die Einziehungsentscheidung bereits insoweit keinen Bestand haben kann. Sowohl für die Einziehung von Beziehungsgegenständen (§ 184b Abs. 6 bzw. § 184c Abs. 6 StGB a.F.) als auch hinsichtlich der Tatmittel (§ 74 Abs. 1 Alt. 2 StGB) gelte der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (§ 74f StGB; BGH NStZ 2019, 239 = StRR 7/2018, 13 [Burhoff]). Es sei daher zu prüfen, ob von der Möglichkeit des § 74f Abs. 1 S. 2 StGB Gebrauch gemacht werden kann, wonach die Einziehungsanordnung vorbehalten bleiben kann, wenn ihr Zweck auch durch weniger einschneidende Maßnahmen erreicht werden kann. In Fällen von Speicherung inkriminierter Bilddateien könne insbesondere deren endgültige Löschung eine solche andere, mildere Maßnahme darstellen (BGH a.a.O.). Soweit mit der Einziehung auch Strafzwecke verfolgt werden, sei insoweit auch abzuwägen, ob die die mit dem Verlust des Eigentums angestrebte Spezial- bzw. Generalprävention auch mit milderen Mitteln zu erreichen ist.

Fehlende Feststellungen

Die Feststellungen des Urteils ließen befürchten, dass sich das Tatgericht dieser Möglichkeit nicht bewusst gewesen ist. Es fehle an Feststellungen dazu, ob es insbesondere hinsichtlich der Smartphones technisch möglich ist, das genutzte Speichermedium auszubauen, sowie weiter dazu, ob und mit welchem Aufwand die konkret zu bezeichnenden Dateien von den jeweils genutzten Speichermedien in einer Weise zu löschen sind, dass sie nicht wiederhergestellt werden können (nicht rekonstruierbare Löschung) oder ggf. allein die Formatierung der gesamten Festplatte bzw. des gesamten Speichers ein geeignetes Mittel darstellen kann, die von dem Datenträger ausgehende Gefahr zu beseitigen. Für den Fall, dass sich hiernach ergibt, dass ein milderes Mittel in Betracht kommt, werde das Tatgericht den Vorbehalt der Einziehung unter Anordnung der konkreten Maßnahme zu erklären haben. Werden diese Anweisungen nicht erfüllt, ordne das Gericht nach erneuter Prüfung der Verhältnismäßigkeit nachträglich die Einziehung mittels Beschlusses an. Der Senat weist insoweit vorsorglich auf § 462 Abs. 1 S. 2 StPO hin.

Kostentragungspflicht

Zudem erlaubt sich der Senat folgenden Hinweis: Grundsätzlich lege § 74f StGB dem Einziehungsbetroffenen die Durchführung der Anweisung auf, welchem es überlassen bleibt, ob er die Maßnahme innerhalb der gesetzten Frist selbst durchführt oder auf seine Kosten durchführen lässt. Die Kostentragungspflicht falle mithin dem Einziehungsbetroffenen zu. Vorliegend komme jedoch eine Herausgabe der mit kinder- und jugendpornographischen Dateien inkriminierten Speichermedien offensichtlich nicht in Betracht, sodass unter Vorbehalt der Einziehung nur eine Unbrauchbarmachung der Dateien durch staatliche Stellen von Amts wegen in Betracht kommen kann. Es wäre insoweit nicht zu beanstanden, die durch die Vollstreckungsbehörde anzuordnende Löschung von der vorherigen Zahlung der Kosten abhängig zu machen. Für den Fall werde das Tatgericht ebenfalls Feststellungen zu den zu erwartenden Kosten zu treffen haben.

III. Bedeutung für die Praxis

Weitgehend überzeugend

Die Beschränkung der obligatorischen Einziehung gem. §§ 184b Abs. 7, 184c Abs. 6 StGB auf das Speichermedium entspricht der Rechtsprechung des BGH (BGH NStZ 2012, 319 = StRR 2012, 193 [Burhoff]; NStZ 2019, 239 = StRR 7/2018, 13 [Burhoff]]. Die weiterreichende Möglichkeit der Einziehung nach § 74 StGB erfordert eine Ermessensentscheidung mit den dazu erforderlichen Feststellungen einschließlich einer Prüfung der Verhältnismäßigkeit und eines Vorbehalts nach § 74f Abs. 1 S. 2 StGB (dazu auch BGH NStZ-RR 2014, 274). So weit, so gängig. Allerdings ist auch zu beachten, dass ein PC ohne interne Festplatte nicht oder nur stark eingeschränkt nutzbar ist und damit für die Begehung der Tat essenziell ist, anders als etwa bei USB-Sticks, Speicherkarten oder externe Festplatten. Auch ist von Bedeutung, dass aktuelle Smartphones in aller Regel keine Slots für Speicherkarten mehr haben und der interne Speicher ohne Zerstörung des Geräts nicht entfernt werden kann. Aus den Äußerungen des OLG zur Kostentragungspflicht ergibt sich zutreffend, dass bei diesen Taten eine mögliche Löschung oder Formatierung nur durch staatliche Stellen zulässig ist. Welche das sein sollen (Polizei im Rahmen der Gefahrenabwehr?) und wie der Angeklagte auf den Ablauf des Verfahrens bei dieser Stelle einwirken kann, um den Vorgaben des Vorbehalts zeitnah entsprechen zu können, bleibt allerdings offen.

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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