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Konkurrenzverhältnis zwischen Lohnsteuerhinterziehung, Vorenthalten/Veruntreuen von Arbeitsentgelt bzw. Betrug

Wird ein gutgläubiger Steuerberater beauftragt, unrichtige Lohnsteueranmeldungen, unrichtige Meldungen zur gesetzlichen Sozialversicherung und zu den Sozialkassen der Bauwirtschaft (SOKA-Bau) bzw. der Berufsgenossenschaft abzugeben, so richtet sich die Beurteilung der Konkurrenzen für den mittelbaren Täter nach dessen Tatbeitrag, unabhängig von der Anzahl der Handlungen des Tatmittlers, die ihm zuzurechnen sind. Wird solchermaßen vom mittelbaren Täter der Tatbeitrag, der alle Einzeldelikte fördert, bereits im Vorfeld erbracht, werden ihm die Handlungen des Tatmittlers als tateinheitlich begangen zugerechnet. Überschneiden sich hingegen Vorbereitungshandlungen des mittelbaren Täters zur Ausführung der Tat lediglich, wird hierdurch keine Tateinheit begründet.

(Leitsatz des Verfassers)

BGH, Beschl. v. 26.7.20221 StR 51/22

I. Sachverhalt

Zahl der Arbeitnehmer und Höhe der Löhne manipuliert

Die Angeklagte war im Tatzeitraum 2011 bis 2019 zuerst Geschäftsführer der A-GmbH und später faktischer Geschäftsführer der B-GmbH. Beide Firmen erbrachten Bauleistungen. Im Zeitraum Januar 2011 bis Juli 2019 ließ er durch eine Steuerberatungsgesellschaft Meldungen zur gesetzlichen Sozialversicherung und zur SOKA-Bau, zur Berufsgenossenschaft sowie Lohnsteueranmeldungen abgeben. Zu diesem Zweck übermittelte er monatlich Unterlagen für die Lohnabrechnung, legte aber nicht offen, dass er tatsächlich mehr Arbeitnehmer hatte und höhere Löhne zahlte, als aus den Unterlagen hervorging. Die Mitarbeiter der Steuerberatungsgesellschaft übermittelten solchermaßen gutgläubig unrichtige Meldungen und Anmeldungen, wodurch es zur Hinterziehung von Lohnsteuer und Solidaritätszuschlag, der zu geringen Abführung von Sozialversicherungsbeiträgen und Beiträgen an die SOKA-Bau kam. Dabei ging die Vorinstanz – LG Kiel – davon aus, dass für jedes Quartal die drei monatlichen Übermittlungen der Lohnabrechnungen als einheitlicher Fall des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelt gegenüber der Einzugsstelle (§ 266a Abs. 1, 2 Nr. 1 StGB) in Tateinheit mit Betrug gegenüber der SOKA-Bau (§ 263 Abs. 1 StGB) und Lohnsteuerhinterziehung (§§ 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 Hs. 2, 150 Abs. 1 S. 3, 168 S. 1 AO; § 41a EStG) zu werten seien, soweit monatliche Meldungen an die Einzugsstelle und die SOKA-Bau sowie bis März 2017 vierteljährliche Lohnsteueranmeldungen von der Steuerberatungsgesellschaft für die beiden GmbHs abgegeben wurden. Folglich ging die Vorinstanz davon aus, dass jede monatliche Übermittlung der Lohnsteuerunterlagen als Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelten in Tateinheit mit Betrug und Steuerhinterziehung anzusehen ist. Die unrichtigen Jahresmeldungen gegenüber der Berufsgenossenschaft wurden als weitere selbstständige Taten des Vorenthaltens und Veruntreuens von Arbeitsentgelten (§ 266a StGB) vom LG gewertet. Ab April 2017 wurden zudem monatliche Lohnsteueranmeldungen abgegeben.

II. Entscheidung

Konkurrenzen fehlerhaft

Nach Auffassung des BGH war das Konkurrenzverhältnis rechtsfehlerhaft. Bediene man sich nämlich wie im Fall eines gutgläubigen Tatmittlers, so richte sich die Beurteilung der Konkurrenzen für den mittelbaren Täter nach dessen Tatbeitrag, unabhängig von der Anzahl der Handlungen des Tatmittlers, die dem mittelbaren Täter zuzurechnen sind. Wird solchermaßen vom mittelbaren Täter, der an der unmittelbaren Tatausführung nicht beteiligt ist, sein alle Einzeldelikte fördernder Tatbeitrag bereits im Vorfeld erbracht, werden ihm die Handlungen des Tatmittlers als tateinheitlich begangen zugerechnet, da sie in seiner Person durch den einheitlichen Tatbeitrag zu einer Handlung i.S.v. § 52 Abs. 1 StGB verknüpft sind. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob beim Tatmittler Tateinheit oder Tatmehrheit anzunehmen wäre (BGH NZWiSt 2021, 10 m. Anm. Gehm; NZWiSt 2020, 407 m. Anm. Abersfelder). Überschneiden sich hingegen Vorbereitungshandlungen des mittelbaren Täters zur Ausführung der Tat lediglich, wird hierdurch keine Tateinheit über Teilidentität von Ausführungshandlungen begründet (BGH NStZ-RR 2019, 275).

Maßgeblicher Tatbeitrag

Nach diesen Grundsätzen ist zwar auf die Abgabe der fehlerhaften Unterlagen bei der Steuerberatungsgesellschaft durch den Angeklagten abzustellen, bezüglich der vierteljährlich abzugebenden Lohnsteueranmeldungen und der jährlich bei der Berufsgenossenschaft abzugebenden Meldung ist der maßgebliche Tatbeitrag des Angeklagten aber nur die Übermittlung der Unterlagen für den letzten Monat des Bezugszeitraums, denn hierdurch wurde die Steuerberatungsgesellschaft erst in die Lage versetzt, die Meldungen abzugeben. Insoweit war die Übermittlung der Unterlagen für frühere Monate als Vorbereitungshandlung konkurrenzrechtlich unerheblich. Damit kann die quartalsweise Abgabe von Lohnsteueranmeldungen die jeweils drei Tathandlungen im jeweiligen Quartal gegenüber der Einzugsstelle bzw. der SOKA-Bau nicht miteinander zur Tateinheit verbinden.

Somit sind die Übermittlungen der Unterlagen im Dezember der Einzeljahre jeweils strafbar als Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in zwei tateinheitlichen Fällen (gegenüber der Einzugsstelle und gegenüber der Berufsgenossenschaft) in weiterer Tateinheit mit Betrug zum Nachteil der SOKA-Bau und Steuerhinterziehung.

Für die Monate des ersten bis dritten Quartalsendes, bevor monatliche Lohnsteueranmeldungen abgegeben wurden, sowie dann ab Abgabe monatlicher Lohnsteueranmeldungen für jeden Monat gesondert, außer jeweils dem Monat Dezember, ist jeweils die Übermittlung der Unterlagen als Vorenthalten und Veruntreuen von Arbeitsentgelt gegenüber der Einzugsstelle in Tateinheit mit Betrug zum Nachteil der SOKA-Bau und Steuerhinterziehung zu werten. Für die übrigen Monate ist jeweils mit der Übermittlung der Unterlagen Vorenthaltung und Veruntreuen von Arbeitsentgelt in Tateinheit mit Betrug gegeben.

III. Bedeutung für die Praxis

Von Relevanz

Die Entscheidung stellt klar, dass bei mittelbarer Täterschaft bezüglich des Konkurrenzverhältnisses genau darauf zu achten ist, wann entsprechende Meldungen bzw. Anmeldungen gegenüber den Sozialversicherungssystemen bzw. Sozialkassen und Berufsgenossenschaften respektive dem Finanzamt abgegeben wurden und wann der mittelbare Täter konkret seinen Tatbeitrag erbracht hat. Da regelmäßig Steuerberater als undoloses Werkzeug in vergleichbaren Fällen benutzt werden, ist die Entscheidung in der Praxis von Relevanz.

Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof

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