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Keine Rechtfertigung einer Sachbeschädigung wegen „Klimawandels“

1. Ein tatbestandliches Verhalten (hier: Sachbeschädigung), durch das der Täter bezweckt, auf die Gefahren des Klimawandels aufmerksam zu machen und die Politik zu Maßnahmen zu deren Abwehr zu veranlassen, ist weder vor dem Hintergrund des allgemeinen rechtfertigenden Notstands gemäß § 34 StGB noch als „ziviler Ungehorsam“ gerechtfertigt.

2. Eine strafrechtliche Rechtfertigung der Begehung einer Tat, die allein dazu dient, in einer Angelegenheit von wesentlicher allgemeiner Bedeutung, insbesondere zur Abwendung schwerer Gefahren für das Allgemeinwesen, auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess einzuwirken oder die Politik zu einem bestimmten Handeln zu veranlassen („ziviler Ungehorsam“), ist ausgeschlossen.

(Leitsätze des Gerichts)

OLG Celle, Beschl. v. 29.7.20222 Ss 91/22

I. Sachverhalt

Sachbeschädigung zum Klimaschutz

Das AG hat den Angeklagten wegen Sachbeschädigung in zwei Fällen mit Strafvorbehalt verwarnt. Der Angeklagte hat an zwei Tagen jeweils absichtlich die Fassade des Zentralgebäudes einer Universität mit Wandfarbe verunstaltet und bei einer Tat eine Parole aufgesprüht. Hiermit wollte der Angeklagte auf den womöglich unumkehrbaren Klimawandel aufmerksam machen und zu sofortigem Handeln appellieren. Das OLG hat seine Sprungrevision verworfen.

II. Entscheidung

Kein rechtfertigender Notstand

Die tatbestandlich begangenen Sachbeschädigungen seien nicht gerechtfertigt gewesen. Eine Rechtfertigung aufgrund Notstands gem. § 34 StGB scheidet aufgrund einer fehlenden Geeignetheit des Handelns des Angeklagten für die von ihm bezweckte Abwehr der Gefahr eines möglicherweise unumkehrbaren Klimawandels aus. Denn die Beschädigung der Fassade der Universität sei nicht in der Lage, dem Klimawandel entgegenzuwirken. Zudem sei offenkundig, dass auch eine Vielzahl von Beschädigungen der Fassade von Universitätsgebäuden ebenso wenig wie eine einzelne Beschädigung durch den Angeklagten Auswirkungen auf den Klimawandel haben können. Es handele sich stattdessen bei dem Verhalten des Angeklagten jeweils um rein politisch motivierte Symboltaten.

Zudem sei schließlich auch nicht ersichtlich, dass die Gefahr eines Klimawandels nicht anders als durch die Begehung von Straftaten abgewendet werden könnte.

Keine Rechtfertigung wegen „zivilen Ungehorsams“

Die Beschädigung des Universitätsgebäudes werde auch nicht durch „zivilen Ungehorsam“ gerechtfertigt. Unter zivilem Ungehorsam werde gemeinhin ein Verhalten verstanden, mit dem ein Bürger durch demonstrativen, zeichenhaften Protest bis hin zu aufsehenerregenden Regelverletzungen einer als verhängnisvoll oder ethisch illegitim angesehenen Entscheidung entgegentritt bzw. in einer Angelegenheit von wesentlicher allgemeiner Bedeutung, insbesondere zur Abwendung schwerer Gefahren für das Allgemeinwesen, in dramatischer Weise auf den öffentlichen Meinungsbildungsprozess einwirken möchte (BVerfGE 73, 206, Rn 91 = NJW 1987, 43). Eine Rechtfertigung tatbestandlichen Verhaltens vor dem Hintergrund eines zivilen Ungehorsams sei jedoch ausgeschlossen. Niemand sei berechtigt, in die Rechte anderer einzugreifen, um auf diese Weise die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit zu erregen und eigenen Auffassungen Geltung zu verschaffen (BGHSt 23, 46, Rn 16 = NJW 1969, 1770). Dies ergebe sich bereits aus Art. 20 Abs. 4 GG. Denn durch die Beschränkung des Rechts zum Widerstand auf eine Situation, in der die grundgesetzliche Ordnung der Bundesrepublik im Ganzen bedroht ist, bestehe im Umkehrschluss eine Friedenspflicht zu allen anderen Zeiten. Wer auf den politischen Meinungsbildungsprozess einwirken möchte, könne dies daher in Wahrnehmung seiner Grundrechte aus Art. 5 GG (Meinungsfreiheit), Art. 8 GG (Versammlungsfreiheit), Art. 17 GG (Petitionsrecht) und Art. 21 Abs. 1 GG (Freiheit der Bildung politischer Parteien), nicht aber durch die Begehung von Straftaten tun. Würde die Rechtsordnung insoweit einen Rechtfertigungsgrund akzeptieren, der allein auf der Überzeugung des Handelnden von der Überlegenheit seiner eigenen Ansicht beruht, so liefe dies auf eine grundsätzliche Legalisierung von Straftaten zur Erreichung politischer Ziele hinaus, wodurch eine Selbstaufgabe von Demokratie und Rechtsfrieden durch die Rechtsordnung verbunden wäre und die mit den Grundsätzen der freiheitlichen demokratischen Rechtsordnung schlechthin unverträglich ist (BGHSt a.a.O.).

III. Bedeutung für die Praxis

Nichts hinzuzufügen

Kürzlich haben einige AG mit ellenlangen Ausführungen versucht, eine Straflosigkeit von Aktionen des Festklebens auf Straßen oder Hausfriedensbrüchen zu begründen, wenn dies zu dem Zweck geschieht, auf den Klimawandel aufmerksam zu machen (AG Berlin-Tiergarten StRR 1/2023, 24 [Deutscher]). Diesen Irrwegen tritt das OLG Celle mit knappen und deutlichen Worten entgegen. Der treffenden Begründung des OLG ist nichts hinzuzufügen (s. Deutscher a.a.O.).

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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