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Mitwirkung des Verteidigers an der Einstellung des Bußgeldverfahrens

Zum erforderlichen Umfang der Mitwirkung des Verteidigers an der Einstellung des Verfahrens.

(Leitsatz des Verfassers)

AG Dresden, Beschl. v. 9.3.2022 – 217 OWi 635 Js 16243/21

I. Sachverhalt

Am 11.7.2020 kam es in Dresden zu einem Verkehrsunfall, an dem der vom Betroffenen geführte Pkw und ein Radfahrer beteiligt waren. Gegen den Betroffenen wurde deswegen ein Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung geführt, das die Staatsanwaltschaft mit Verfügung vom 25.9.2020 eingestellt und das Verfahren gem. § 43 OWiG an die Verwaltungsbehörde abgegeben hat. Daraufhin wurde gegen den Betroffenen durch Bußgeldbescheid vom 10.11.2020 eine Geldbuße von 55,00 EUR festgesetzt.

Nachdem der Verteidiger des Betroffenen sich bereits im Ermittlungsverfahren am 9.9.2020 angezeigt und mit der Begründung, der Vorwurf sei nicht nachzuweisen, beantragt hatte, das Verfahren einzustellen, legte er am 17.11.2020, diesmal ohne weitere Begründung, Einspruch ein. Mit Beschluss vom 13.8.2021 hat das AG das Verfahren gem. § 47 Abs. 2 OWiG eingestellt und die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen der Staatskasse auferlegt.

Im Rahmen der Kostenfestsetzung hat der Verteidiger auch die Festsetzung einer Gebühr Nr. 5115 VV RVG beantragt. Die Festsetzung dieser Gebühr wurde abgelehnt. Gegen die Versagung der Gebühr hat der Verteidiger erinnert. Seine Erinnerung hatte keinen Erfolg.

II. Entscheidung

Der Verteidiger hat – so das AG – keinen Anspruch auf die begehrte Verfahrensgebühr nach Nr. 5115 VV RVG. Der Verteidiger verdiene diese besondere Erledigungsgebühr nur dann, wenn er sich erkennbar mit dem Fall zumindest inhaltlich auseinandergesetzt habe, auch wenn sein Vorbringen für die endgültige Einstellung nicht kausal zu sein brauche. Unbeachtlich sei auch, wann die Einlassung erfolge, ob – oder gegebenenfalls nur – im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren oder erst gesondert im Bußgeldverfahren, denn es sei anerkannt, dass eine Tätigkeit aus einem früheren Verfahrensabschnitt fortwirke und dann später zur Einstellung führe (vgl. BGH AGS 2008, 491 = RVGreport 2008, 431 = VRR 2008, 438 = RVGprofessionell 2008, 205 = StRR 2009, 77).

Irrig sei aber die Auffassung des Verteidigers, „für das Entstehen der Gebühr genügt jedes aktive Mitwirken des Verteidigers“. Denn auch in der angeführten Entscheidung, die einen gleichgelagerten Sachverhalt zum Gegenstand gehabt habe – auch dort wurde das ursprüngliche Ermittlungsverfahren wegen fahrlässiger Körperverletzung anlässlich einer Vorfahrtsverletzung zunächst von der Staatsanwaltschaft, später nach Abgabe an die Verwaltungsbehörde dort eingestellt –, habe sich der Anwalt in zwei Schriftsätzen mit konkreten, auf den Unfallhergang bezogenen Erwägungen sowohl zum Vorwurf einer fahrlässigen Körperverletzung als auch des fahrlässigen Vorfahrtsverstoßes befasst. Nach den Vorgaben dieser Entscheidung habe der Verteidiger hier zu wenig geleistet, um die begehrte Gebühr verdient zu haben. Im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren beschränkte sich seine Tätigkeit in seiner schriftlichen Stellungnahme vom 9.9.2020 nur auf die Erklärung, „aus hiesiger Sicht ist bis zum heutigen Tage der Vorwurf meines Mandanten nicht nachgewiesen“. Dies ist keine auf den Unfallhergang bezogene Erwägung im oben genannten Sinn, zumal der Verteidiger diese Ausführung noch vor Erhalt der Akteneinsicht abgegeben hatte. Im Bußgeldverfahren habe der Verteidiger seinen Einspruch zudem nicht begründet.

III. Bedeutung für die Praxis

1. M.E. ist die Entscheidung unzutreffend. Denn nach allgemeiner Meinung in der Rechtsprechung reicht als Mitwirkung i.S.d. Nr. 5115 VV RVG bzw. der 4141 VV RVG jede zur Förderung der Einstellung geeignete Tätigkeit aus (s. außer dem BGH a.a.O., noch OLG Stuttgart RVGreport 2010, 263 = RVGprofessionell 2010, 119 = AGS 2010, 292 m. abl. Anm. N. Schneider, AGS 2010, 295 = VRR 2010, 320; LG Hamburg DAR 2008, 611 = AGS 2008, 597; LG Köln AGS 2007, 351 = StraFo 2007, 305; LG Oldenburg VRR 2013, 316 = RVGreport 2013, 320 = RVGprofessionell 2013, 114 = zfs 2013, 467 [für Nr. 5115 VV]; LG Stralsund RVGreport 2005, 272 = AGS 2005, 442; AG Gießen RVGreport 2016, 348 = AGS 2016, 394 = RVGprofessionell 2017, 62). Eine besondere Qualität der Tätigkeit, wie offenbar das AG meint, ist nicht erforderlich. Insbesondere muss der Verteidiger den Einspruch und/oder einen Einstellungsantrag nicht besonders begründen. Diese Forderung stünde auch im diametralen Gegensatz dazu, dass allein die Mitteilung, dass der Mandant schweigen werde, als Mitwirkung ausreicht, wenn dann das Ermittlungsverfahren eingestellt wird. Offenbar war es hier ja auch so, dass die Erklärung im Ermittlungsverfahren dazu geführt hat, dass die Staatsanwaltschaft das Strafverfahren eingestellt und dann das Verfahren an die Bußgeldbehörde abgegeben hat. Dort wirkte die Erklärung dann offenbar so nach, dass auch das AG eingestellt hat. Die Gebühr Nr. 5115 VV RVG hätte also festgesetzt werden müssen. Es ist allerdings darauf hinzuweisen, dass ein paar Worte mehr in dem Einstellungsantrag die Entscheidung noch sicherer machen würden.

2. Und: Aus dem Volltext der Entscheidung ist nicht klar ersichtlich, was der Verteidiger nun eigentlich zur Festsetzung angemeldet hat. Es scheint so, dass er nur die Gebühren nach Teil 5 VV RVG für seine Tätigkeiten im Bußgeldverfahren, also die Nrn. 5101, 5107, 5115, 5107 VV RVG, angemeldet hat. Er hätte aber auch die für das Strafverfahren, in dem er zuvor ja auch tätig gewesen ist, anmelden können, also die Gebühren Nrn. 4100, 4104 VV RVG und, da es sich bei Straf- und Bußgeldverfahren nach § 17 Nr. 10b VV RVG um verschiedene Angelegenheiten handelt, auch noch die Nr. 4141 VV RVG (siehe das Fallbeispiel bei Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 5115 Rn 8). Insoweit wurde also wahrscheinlich Geld verschenkt.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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