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Verwendung eines gefälschten Impfausweises (Neufall)

Zur Strafbarkeit und Strafzumessung (Generalprävention) bei Verwendung eines gefälschten Impfausweises nach dem 24.11.2021

(Leitsatz des Verfassers)

AG Landstuhl, Urt. v. 25.1.2022 – 2 Cs 4106 Js 15848/21

I. Sachverhalt

Das AG hat den Angeklagten wegen Urkundenfälschung zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten bei Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Am 14.12.2021 legte der Angeklagte in einer Apotheke einen auf seinen Namen und sein Geburtsdatum lautenden Impfpass vor, den er zuvor zum Preis von 200 EUR von einer Vermittlerin gekauft hatte. Die in dem Impfpass eingetragenen Schutzimpfungen gegen Covid-19 haben tatsächlich nicht stattgefunden. Hierdurch wollte der Angeklagte die Mitarbeiter der Apotheke dazu veranlassen, ihm ein digitales Covid-Zertifikat der EU mit QR-Code auszustellen, wozu es aber nicht mehr kam.

II. Entscheidung

Es liege ein Gebrauchen einer unechten Urkunde gem. § 267 Abs. 1 StGB vor. Der Rückgriff auf § 267 Abs. 1 StGB sei nicht (mehr) durch die Vorschriften der §§ 277 ff. StGB n.F. gesperrt. Dabei könne dahinstehen, ob eine solche Sperrwirkung der §§ 277 ff. StGB a.F. nach alter Rechtslage bestand (in diesem Sinne OLG Bamberg StRR 2/2022, 24 [Deutscher), da die Tat am 14.12.2021, also nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung am 24.11.2021, begangen wurde. Eine Sperrwirkung bestehe jedenfalls nach neuer Rechtslage nicht mehr.

Ausnahmsweise sei bei der Strafzumessung auch der generalpräventive Gesichtspunkt der Abschreckung strafschärfend zu berücksichtigen. Bei der Generalprävention handele es sich auch bei der Strafhöhenbemessung um einen legitimen Strafzweck, dessen Ziel es sei, durch die Härte des Strafausspruchs bei möglichen künftigen Tätern ein Gegengewicht zu der Versuchung oder Neigung zu schaffen, Gleiches oder Ähnliches wie der Angeklagte zu tun. Dabei habe das Gericht bedacht, dass sich die Strafe auch bei Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte noch im Rahmen des Schuldangemessenen halten muss. Die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte sei zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung geeignet. Ungeeignet sei sie regelmäßig bei Ausnahmesituationen, Konflikttaten oder bei Taten eines vermindert schuldfähigen Täters, was vorliegend indes nicht der Fall sei. Straftaten im Zusammenhang mit der derzeit vorherrschenden Pandemielage, hierbei insbesondere Straftaten im Zusammenhang mit Impfpassfälschungen, seien Gegenstand erschöpfender medialer Berichterstattung und erregten regelmäßig erhebliches Aufsehen. Die Presse reagiere bereits auf die Einleitung von Ermittlungsverfahren wegen Impfpassfälschung zum Teil mit ausführlichen Berichterstattungen. Aus diesem Grund sei davon auszugehen, dass insbesondere auch Verurteilungen im Zusammenhang mit der Fälschung von Impfpässen, die zum Urteilszeitpunkt wenn überhaupt nur vereinzelt festzustellen waren, medial aufgegriffen werden. Eine Berichterstattung über die zeitnahe Verhängung einer empfindlichen Strafe anlässlich einer solchen Straftat werde eine abschreckende Wirkung auf potenzielle Täter ausüben und sie von der Begehung vergleichbarer Taten abschrecken. Die Berücksichtigung generalpräventiver Gesichtspunkte sei zur Erzielung einer abschreckenden Wirkung auch erforderlich. Erforderlichkeit liege nach der obergerichtlichen Rechtsprechung vor, wenn bei der abzuurteilenden Tat die Gefahr der Nachahmung besteht oder bereits eine gemeinschaftsgefährliche Zunahme solcher oder ähnlicher Straftaten festzustellen ist (BGH NStZ 1986, 358; 2007, 702; NStZ-RR 2013, 240). Davon sei regelmäßig dann auszugehen, wenn eine offenkundige Zunahme bestimmter Kriminalität vorliegt (BGH NStZ-RR 2013, 169 (170)). So liege der Fall hier. Das Gericht habe in der Beweisaufnahme verschiedene Presseartikel auszugsweise verlesen, die von einem starken Anstieg der Zahl gefälschter Impfpässe in der Bundesrepublik Deutschland berichten. So berichte beispielsweise „Die Zeit“ online darüber, dass bundesweit mehr als 11.000 Ermittlungsverfahren wegen gefälschter Impfpässe geführt werden. Nach Angaben des SWR seien vom LKA Rheinland-Pfalz bereits zu Beginn des Monats Dezember 2021 483 Ermittlungsverfahren gezählt worden; Anfang Januar 2022 seien es bereits 924 Ermittlungsverfahren gewesen. Aus diesen Zahlen werde ein linearer Anstieg entsprechender Straftaten erkennbar, sodass es der Ergreifung von Gegenmaßnahmen zur Verhinderung eines weiteren Anstiegs der entsprechenden Kriminalität und zur Abschreckung von Nachahmungstätern dringend bedürfe. Die Verhängung einer kurzen Freiheitsstrafe sei nach § 47 Abs. 1 StGB zur Einwirkung auf den Angeklagten aus den dargestellten Gründen zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich.

III. Bedeutung für die Praxis

Ein interessanter und überzeugend begründeter Einblick in die aktuelle Perspektive des Tatrichters bei der Sachbehandlung der Vorlage gefälschter Impfausweise. Dem AG ist bei der Beurteilung der Notwendigkeit zur Berücksichtigung generalpräventiver Erwägungen bis zur Unerlässlichkeit der Verhängung kurzer Freiheitsstrafen beizupflichten. Es handelt sich um ein aufgrund der Corona-Pandemie und der Einschränkungen für Ungeimpfte schlagartig aufgetretenes Massenphänomen, dem nach der Reform zum 24.11.2021 schnell und entschieden entgegengetreten werden muss, wie es das AG hier tut. Allerdings gelten diese Erwägungen nur für eine Übergangszeit, bis die impfabhängigen Einschränkungen entfallen. Danach wird die Anzahl einschlägiger Fälle deutlich abnehmen und damit auch die generalpräventive Notwendigkeit zur Abschreckung.

RiAG Dr. Axel Deutscher, Bochum

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