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„Verhandeln“ im Haftprüfungstermin

Die Terminsgebühr Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG entsteht auch dann, wenn im Haftprüfungstermin der Haftprüfungsantrag zwar zurückgenommen worden ist, dem jedoch eine Erörterung der Fortdauer der Untersuchungshaft im Hinblick auf das Fortbestehen des Haftgrundes der Fluchtgefahr vorangegangen ist. (Leitsatz des Verfassers)

LG Bad Kreuznach, Beschl. v. 10.8.2020 – 2 KLs 1042 Js 12567/18

I. Sachverhalt

Der Rechtsanwalt hat den Angeklagten in einem BtM-Verfahren verteidigt. Nach Rechtskraft der Verurteilung des Angeklagten hat der Pflichtverteidiger Vergütungsfestsetzung beantragt. Er hat u.a. auch eine Gebühr nach Nrn. 4103, 4102 Nr. 3 VV RVG für einen Haftprüfungstermin geltend gemacht. Um diese Gebühr wird nun noch gestritten.

Der Bezirksrevisor ist der Auffassung, dass die Voraussetzungen für das Entstehen der Gebühr nicht vorliegen. Ein Verhandeln über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft sei nämlich nicht festzustellen. Die hierfür erforderlichen Erklärungen oder Stellungnahmen, die ein solches Verhandeln belegen, seien dem Protokoll des Haftprüfungstermins nicht zu entnehmen. Dort sei lediglich festgehalten, dass der Verteidiger und der Beschuldigte den Haftprüfungsantrag zurückgenommen haben, was kein Verhandeln i.S.d. Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG darstelle.

Der Pflichtverteidiger hat demgegenüber erklärt, dass sich aus dem Protokoll nicht der gesamte Inhalt des Termins ergebe. Im Termin habe er Ausführungen zur fehlenden Fluchtgefahr und zu den festen Bindungen seines Mandanten an seine Frau und die Kinder gemacht. So habe er dargelegt, dass der Mandant sich dem Verfahren nicht entziehe, sondern nur zurück zu seiner Familie wolle. Nachdem der Staatsanwalt dann jedoch im Termin bekanntgegeben habe, dass sich die Ehefrau samt Kindern nach Tunesien abgesetzt habe und zwischenzeitlich ebenfalls per Haftbefehl gesucht werde, habe er den Haftprüfungsantrag zurückgenommen, weil er vor diesem Hintergrund eine Erfolgsaussicht für sein Anliegen, die Untersuchungshaft zu beenden, nicht mehr zu erkennen vermocht habe.

Der UdG hat die Gebühr nicht festgesetzt. Die dagegen gerichtete Erinnerung des Pflichtverteidigers hatte beim LG Erfolg.

II. Entscheidung

Nach Auffassung des LG ist die Terminsgebühr nach Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG angefallen. Die Vorschrift sehe eine Terminsgebühr für die Teilnahme an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung vor, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt werde. Zwar setze das vorausgesetzte Verhandeln über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft mehr als die bloße Erklärung einer Antragsrücknahme voraus (OLG Saarbrücken RVGreport 2014, 428 = StRR 2014, 517; LG Osnabrück JurBüro 2018, 467). Nach gebotener Sachaufklärung habe sich jedoch herausgestellt, dass über die nicht wortgetreue Dokumentation im Protokoll hinaus der Antragsrücknahme eine Erörterung der Fortdauer der Untersuchungshaft im Hinblick auf das Fortbestehen des Haftgrundes der Fluchtgefahr vorangegangen sei. Diese Vorgänge, die der Pflichtverteidiger ausgeführt und sodann mit Erinnerungsschreiben durch anwaltliche Versicherung glaubhaft gemacht habe, habe auch der Staatsanwalt nach telefonischer Rückfrage des Gerichts bestätigt. Mit diesen Erklärungen oder Stellungnahmen des Pflichtverteidigers, die dazu bestimmt waren, die Fortdauer der Untersuchungshaft abzuwenden, habe eine Verhandlung i.S.d. Gebührenziffer Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG stattgefunden.

III. Bedeutung für die Praxis

1. Die Entscheidung ist zutreffend. Nach dem dargestellten Ablauf des Haftprüfungstermins ist in ihm i.S.d. Nr. 4102 Nr. 3 VV RVG „verhandelt“ worden (vgl. dazu auch Burhoff/Volpert/Burhoff, RVG, Nr. 4102 VV Rn 30 ff. m.w.N.).

2. Man fragt sich allerdings, warum man für die Entscheidung ein LG braucht. Warum muss erst die Strafkammer den Telefonhörer in die Hand nehmen und beim Staatsanwalt nach dem Ablauf des Haftprüfungstermins fragen? Warum kann das nicht auch sofort der Bezirksrevisor tun und sich damit von dem offenbar wenig aussagekräftigen Protokoll lösen? Nein, man schreibt lieber viel hin und her, warum die Gebühr nicht entstanden ist. Dem Pflichtverteidiger muss man allerdings den Vorwurf machen, dass er nicht auf ein aussagekräftiges Protokoll geachtet und den Ermittlungsrichter gebeten hat festzuhalten, wozu im Termin Stellung genommen worden ist. Das hätte das Vergütungsfestsetzungsverfahren erheblich vereinfacht.

RA Detlef Burhoff, RiOLG a.D., Leer/Augsburg

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