1. Bei der nach § 73c Abs. 1 S. 2 Alt. 1 StGB a.F. zu treffenden Ermessensentscheidung, ob ein Härtefall gegeben ist, wonach vom Verfall abgesehen wird, ist zu prüfen, ob das Vermögen des Verfallsbeteiligten noch werthaltig ist.
2. Handelt es sich beim Vermögen des Verfallsbeteiligten um eine Forderung gegen einen Dritten, der sich in Insolvenz befindet, ist ausschlaggebend, ob die Insolvenzmasse zur Befriedigung vorrangiger Forderungen ausreicht bzw. ob noch verwertbares Vermögen vorhanden ist. (Leitsätze des Verfassers)
BGH,Beschl.v.14.1.2020–1 StR 531/19
I. Sachverhalt
Der Gesellschafter-Geschäftsführer (A) der I GmbH – Verfallsbeteiligte – erwirkte in den Jahren 2003 bis 2009 durch Bestechung hochrangiger Amtsträger der Republik K – u.a. eines Staatssekretär für Verteidigung sowie eines Divisionsgenerals – insgesamt fünf Lieferaufträge für Wasserwerfer etc. an die Sicherheitskräfte der Republik K. A ist rechtskräftig deshalb u.a. wegen Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen geschäftlichen Verkehr gem. § 334 Abs. 1 StGB i.V.m. Art. 2 § 1 IntBestG verurteilt (vgl. BGH, Beschl. v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13, NStZ 2014, 469). Das Gesamtauftragsvolumen betrug hierbei 8.580.490 EUR.
In die erlangte Vergütung waren zuvor mit Kenntnis der bestochenen Amtsträger deren Bestechungsgelder in Höhe von insgesamt 855.229 EUR eingerechnet worden und die Bestechungssumme floss sodann an diese zurück.
Die Bezahlung der Lieferungen erfolgte in vier Fällen über inländische Geschäftskonten der I GmbH und in einem Fall über das Konto der von A in der Schweiz zwecks Verschleierung gegenüber den deutschen Strafverfolgungsbehörden gegründeten IS GmbH – auf letzterem Weg wurden 991.551,36 EUR von der Republik K überwiesen. Zusätzlich veranlasste A im Jahr 2010 eine Überweisung von der I GmbH an die IS GmbH in Höhe von 600.000 EUR, deklariert als Darlehen. Die IS GmbH befindet sich inzwischen im Konkursverfahren.
Die I GmbH ist im Jahr 2010 auch in Insolvenz geraten. Wobei sämtliche Insolvenzgläubiger bis auf die Staatskasse bezüglich der Verfahrenskosten befriedigt sind. Als verbliebenes Aktivvermögen sind bei der I GmbH 597.090,59 EUR zuzüglich der Darlehensrückzahlungsforderung gegenüber der IS GmbH in Höhe von 600.000 EUR sowie einer durch Grundschuld gesicherten Forderung gegen A in Höhe von 200.000 EUR – insgesamt 1.397.090,59 EUR – vorhanden.
Die Vorinstanz hat nach bereits erfolgter vorhergehender Zurückverweisung der Sache durch den BGH durch Beschl. v. 13.2.2014 – 1 StR 336/13 (NJW-Spezial 2014, 377) in das Vermögen der I GmbH (Beschwerdeführerin) den Verfall des Wertersatzes in Höhe von 1.397.090,59 EUR gem. §§ 73 Abs. 1 S. 1, 73a S. 1 StGB a.F., Art. 316h S. 2 EGStGB angeordnet, wobei in Höhe von 600.000 EUR dies gesamtschuldnerisch mit der IS GmbH erfolgte.
II. Entscheidung
Der BGH reduzierte den Verfall von Wertersatz in das Vermögen der I GmbH auf 797.090,59 EUR. Dabei stellt der BGH darauf ab, dass die nach § 73c Abs. 1 S. 2 Alt. 1 StGB a.F. getroffene Ermessensentscheidung insofern Rechtsfehler aufweist, als der Wert des bei der I GmbH noch vorhandenen Vermögens bezüglich der Darlehensrückzahlungsforderung gegenüber der IS GmbH nicht zutreffend bestimmt ist. Insofern hätte es nämlich einer Prüfung bedurft, ob diese Forderung noch werthaltig ist, was sich danach bestimmt, ob die Insolvenzmasse zur Befriedigung vorrangiger Forderungen ausreicht bzw. ob noch verwertbares Vermögen der IS GmbH vorhanden ist (BGH, Urt. v. 30.5.2008 – 1 StR 166/07, GRUR 2008, 818).
Da die Vorinstanz gestützt auf den Darlehensbetrag von 600.000 EUR und den Betrag von 991.551,36 EUR, welcher direkt von der Republik K an die IS GmbH überwiesen wurde, wegen Annahme eines Verschiebungsfalles gegen die IS GmbH den Verfall des Wertersatzes nach § 73 Abs. 3 StGB a.F. in Höhe von 1.152.069,12 EUR anordnete, ist die IS GmbH aber gänzlich vermögenslos, so dass sich die Rückzahlungsforderung der I GmbH gegen die IS GmbH als wertlos erweist.
Der BGH lässt dabei die Frage unbeantwortet, ob sich das Erlangte nach dem vereinnahmten Kaufpreis oder dem Wert der Auftragsvergabe bestimmt. Denn der verbleibende Abschöpfungsbetrag sei durch die wieder abgeflossenen Bestechungsgelder in Höhe von 855.229 EUR gedeckt, die als zuvor der I GmbH zugeflossener Betrag Teil des kalkulierten Überschusses aus der Bestechungstat waren.
Ansprüche der Republik K aus § 826 BGB i.V.m. Art. 40 Abs. 1 EGBGB stehen demgegenüber nach § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a.F. dem Verfall nicht entgegen, da diese inzwischen nach § 199 BGB verjährt sind (BGH, Beschl. v. 9.12.2014 – 3 StR 438/14, BeckRS 2015, 1257).
III. Bedeutung für die Praxis
Beim entschiedenen Fall fand noch nicht das am 1.7.2017 in Kraft getretene Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung v. 13.4.2017 (BGBl I 2017, S. 872) Anwendung. Insofern wäre nach heutigem Recht nicht mehr zu prüfen, ob Ansprüche Verletzter nach § 73 Abs. 1 S. 2 StGB a.F. dem Verfall respektive der Einziehung entgegenstehen.
Grundsätzlich ist nach aktueller Rechtslage einzuziehen. Jedoch erlaubt § 421 StPO eine Abweichung von diesem Grundsatz aus Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten. Zudem ist unter den näheren Voraussetzungen nach § 73e Abs. 2 StGB der Dritteinzug bei Entreicherung ausgeschlossen (Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 674). Insofern können hier m.E. auch bei der aktuellen Rechtslage die Erwägungen des BGH Bedeutung erlangen.
Dr. Matthias Gehm, Limburgerhof