Bestellung des ersten Verwalters durch einseitige Bestimmung in der Gemeinschaftsordnung
BGH, Urt. v. 11.3.2022 – V ZR 77/21
I. Der Fall
Die Parteien, die Eigentümer einer in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft, streiten um die Gültigkeit von Beschlüssen. Nach der Gemeinschaftsordnung konnte die teilende Eigentümerin „bis zum vollständigen Bezug des Objekts für einen Zeitraum bis zum 31.12.2020“ einen Verwalter bestellen. Nachdem sie von dieser Befugnis Gebrauch gemacht hatte, lud die Verwalterin zu einer Eigentümerversammlung am 14.6.2019, die Beschlüsse über den Wirtschaftsplan und die Zuführung zur Instandhaltungsrücklage fasste. Die hiergegen gerichtete Anfechtungsklage blieb in der Berufungsinstanz erfolglos.
II. Die Entscheidung
Die vom Berufungsgericht zugelassene Revision blieb ohne Erfolg.
Zwar besteht ein praktisches Bedürfnis für die Bestellung eines Verwalters in der Teilungserklärung, da ab Entstehen der werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft Maßnahmen der Verwaltung anfallen. Die Berechtigung des teilenden Eigentümers, auch nach Entstehung der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft einen Verwalter zu bestellen, scheidet aber wegen § 26 Abs. 1 S. 5 WEG a.F. aus. Denn danach sind Beschränkungen in der Möglichkeit der Bestellung des Verwalters durch die Wohnungseigentümer ausgeschlossen. In der Konsequenz erfolgte die Einberufung der Eigentümerversammlung vom 14.6.2019 durch einen Nichtberechtigten. Für die Wirksamkeit dieser Beschlüsse kommt es aber darauf an, ob sich der Einberufungsmangel auf die gefassten Beschlüsse ausgewirkt hat. Dies ist jedenfalls dann nicht der Fall, wenn, wie im vorliegenden Fall, sämtliche Wohnungseigentümer an der Versammlung und Abstimmung teilnehmen. Dann ist der Einberufungsmangel geheilt. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ihnen der Einberufungsmangel bekannt war.
III. Der Praxistipp
Dass der BGH im Hinblick auf die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums ein praktisches Bedürfnis für die Bestellung des ersten Verwalters in der Gemeinschaftsordnung anerkennt, entspricht ganz h.M. Ohne diese Möglichkeit stünden die Mitglieder der (werdenden) Wohnungseigentümergemeinschaft nämlich vor der Schwierigkeit, dass niemand zu einer Eigentümerversammlung einberufen könnte, die Beschlüsse fassen und somit den ersten Verwalter bestellen könnte: Verwalter und Verwaltungsbeirat sind ja noch nicht bestellt. Einziger Ausweg neben der in größeren Gemeinschaften nur theoretischen Möglichkeit einer Vollversammlung wäre die Ermächtigung eines Wohnungseigentümers zur Einberufung einer Eigentümerversammlung durch das Gericht analog § 37 Abs. 2 BGB gewesen. Mithin hätten die Wohnungseigentümer die Verwaltung ihres gemeinschaftlichen Eigentums mit einem Prozess beginnen müssen. Diese Aporie wird indessen durch das neue Recht beseitigt. Denn nunmehr finden nach § 9a Abs. 1 S. 2 WEG mit der Anlegung der Wohnungsgrundbücher im Innenverhältnis die Vorschriften des WEG Anwendung, auch wenn der teilende Eigentümer noch einziger Wohnungseigentümer ist. Nunmehr kann also der teilende Eigentümer, solange er Eigentümer aller Einheiten ist, ohne weiteres eine Vollversammlung durchführen. Mithin kann er auch einen Verwalter bestellen. Das praktische Bedürfnis, den Verwalter entgegen § 26 Abs. 1 WEG nicht durch Beschluss, sondern in der Gemeinschaftsordnung zu bestellen, ist somit entfallen (so zu Recht etwa Lehmann-Richter/Wobst, WEG-Reform 2020 Rn 459 f., ähnlich Wicke, ZWE 2021, 21, 23).