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Verkündung eines Beschlusses über bauliche Veränderungen

BGH,Urt.v.29.5.2020–V ZR 141/19

I. Der Fall

Die Parteien, mehrere Wohnungseigentümer und die ehemalige Verwalterin einer in Wohnungseigentum aufgeteilten Liegenschaft, streiten um Schadensersatz. Die Eigentümerversammlung vom 20.5.2011 genehmigte den Umbau einer Teileigentumseinheit und die damit verbundenen baulichen Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums. Das hiergegen gerichtete Anfechtungsverfahren endete im Berufungsrechtszug mit einer übereinstimmenden Erledigungserklärung. Das Berufungsgericht erlegte die Verfahrenskosten den in diesem Verfahren Beklagten auf, da die Genehmigung der baulichen Veränderung wegen einer Umgestaltung des äußeren Erscheinungsbildes voraussichtlich für ungültig erklärt worden wäre. Nunmehr verlangen die Kläger von der Verwalterin die Erstattung ihrer Kosten aus diesem Verfahren, da sie den Beschluss nicht hätte verkünden dürfen. Die Klage hatte in den Tatsacheninstanzen keinen Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel blieb ohne Erfolg. Zwar kommt auch ein Schadensersatzanspruch einzelner Wohnungseigentümer aus dem Verwaltervertrag in Betracht, da dieser Schutzwirkung zu ihren Gunsten entfaltet. Die Beklagte hat ihre Pflichten aber nicht verletzt.

Ein Beschluss über bauliche Veränderungen kann nach nahezu einhelliger Auffassung mit einfacher Mehrheit gefasst werden, wobei auch die nicht beeinträchtigten Wohnungseigentümer stimmberechtigt sind. Liegt nicht zusätzlich die Zustimmung der beeinträchtigten Wohnungseigentümer vor, ist ein solcher Beschluss zwar nicht nichtig, aber anfechtbar. Keine Einigkeit herrscht aber darüber, ob der Verwalter ohne die Zustimmung der beeinträchtigten Wohnungseigentümer einen solchen Beschluss verkünden darf. Dies wird teilweise verneint (z.B. LG Bamberg ZMR 2015, 395; Jennißen/Schultzky, WEG, 6. Aufl., § 23 Rn 54, 66), teilweise bejaht (z.B. AG Hamburg-Blankenese ZMR 2016, 999, 1000; AG Oberhausen ZMR 2011, 76, 77 f.). Bisweilen wird der Verwalter sogar für verpflichtet gehalten, einen solchen Beschluss zu verkünden (Jennißen/Hogenschurz, WEG, 6. Aufl., § 22 Rn 21; Staudinger/Häublein, BGB [2018], § 23 Rn 60). Letztgenannte Auffassung trifft zu. Die Zustimmung der beeinträchtigten Wohnungseigentümer stellt kein Quorum dar. Ein solches schreibt regelmäßig eine feste, klar bezifferte Mehrheit vor, die nur eine Auszählung der abgegebenen Stimmen erfordert. Dies ist bei der Zustimmung der beeinträchtigten Wohnungseigentümer nicht der Fall. Vielmehr bedarf es hier einer Prüfung der baulichen Veränderung und ihrer Auswirkungen auf die einzelnen Wohnungseigentümer, bei der rechtlich nicht immer Sicherheit zu erlangen ist. Dies spricht dafür, das Zustimmungserfordernis nur als besondere Vorgabe für die ordnungsmäßige Verwaltung anzusehen. Dann handelt der Verwalter aber nicht pflichtwidrig, wenn er einen positiven Beschluss verkündet. Die Verantwortung für den Inhalt des gefassten Beschlusses tragen die Wohnungseigentümer, die das Risiko der Anfechtung bewusst eingehen dürfen. Die Verkündung dient nur der Fixierung des Beschlussergebnisses, nicht der Durchsetzung des Gebotes der ordnungsmäßigen Verwaltung. Dabei muss der Verwalter, der nicht Aufsichtsorgan der Wohnungseigentümer ist, die erfolgte Abstimmung respektieren.

Allerdings hat der Verwalter im Vorfeld zu prüfen, ob einzelne Wohnungseigentümer ihre Zustimmung erteilen müssen.

Er hat die Eigentümerversammlung über die tatsächlichen und rechtlichen Zweifelsfragen umfassend aufzuklären. Insbesondere hat er auf ein Anfechtungsrisiko hinzuweisen. Diese rechtlichen Hinweise gehören zum Kerngeschäft des Verwalters und stellen eine nach § 5 Abs. 2 Nr. 2 RDG erlaubte Rechtsdienstleistung dar. Hierbei hat er einen Rechtsirrtum nur dann gemäß § 276 BGB zu vertreten, wenn seine Einschätzung offenkundig falsch ist. Ist er nach sorgfältiger Prüfung zu einem nicht offenkundig falschen Ergebnis gekommen, kann es ihm nicht angelastet werden, wenn der Beschluss keinen Bestand hat. Hat er mangels Zustimmung eines beeinträchtigten Wohnungseigentümers Bedenken gegen die Wirksamkeit des Beschlusses, ist er nicht berechtigt, ohne weiteres einen Negativbeschluss zu verkünden (so aber LG München I WuM 2009, 426). Vielmehr hat er eine Weisung der Wohnungseigentümer im Wege eines Geschäftsordnungsbeschlusses einzuholen. Nach diesen Maßstäben ist die vorliegende Klage unbegründet, da eine Pflichtverletzung nicht nachgewiesen ist. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme ist eher davon auszugehen, dass die Beklagte auf das Zustimmungserfordernis und die damit verbundene Anfechtungsgefahr hingewiesen hat.

III. Der Praxistipp

Die Entscheidung schafft Klarheit in einer ebenso umstrittenen wie praxisrelevanten Frage. Im Ergebnis kann die Mehrheit, notfalls über den Geschäftsordnungsbeschluss, die Verkündung des Beschlusses über eine bauliche Veränderung erzwingen. Letzteres dürfte auch auf sonstige anfechtbare Beschlüsse übertragbar sein. In einem obiter dictum beschäftigt sich der BGH schließlich noch mit dem Verhältnis von baulicher Veränderung und Modernisierung (die allerdings dem WEMoG zum Opfer fallen dürfte). Hierbei stellt der BGH klar, dass die Wohnungseigentümer zwar zwischen beiden Möglichkeiten wählen können. Der Verwalter muss aber vor der Stimmabgabe klarstellen, nach welcher Vorschrift er abstimmen lässt.

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