Beitrag

I. Der Fall

BGH

, Urt. v. 28.4.2021 – VIII ZR 22/20

I. Der Fall

Die Mietvertragsparteien streiten um die Wirksamkeit einer Mieterhöhung. Die Vermieterin forderte ihre Mieter mit Schreiben vom 20.7.2017 unter Bezugnahme auf den Berliner Mietspiegel auf, einer Mieterhöhung um 66,86 EUR auf 654,64 EUR (8,10 EUR/qm) zuzustimmen. Der Berliner Mietspiegel weist für vergleichbare Wohnungen eine Nettokaltmietenspanne vom 5,52 EUR/qm bis 9,20 EUR/qm aus. Die Mieter stimmten der Mieterhöhung nicht zu. Das Berufungsgericht gab der Klage der Vermieterin nach Einholung eines Sachverständigengutachtens statt. Hiergegen richtet sich die vom Berufungsgericht zugelassene Revision.

II. Die Entscheidung

Das Rechtsmittel hatte einstweilen Erfolg.

Allerdings ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht die ortsübliche Miete nicht unter Heranziehung des als Tabellenspiegels ausgestalteten und mit einer Orientierungshilfe für die Spanneneinordnung versehenen Berliner Mietspiegels 2017 bestimmt hat, sondern mit Hilfe eines Sachverständigengutachtens. Denn das Gericht ist berechtigt, auch dann ein von der beweisbelasteten Partei angebotenes Gutachten einzuholen, wenn nicht über die Indizwirkung des Mietspiegels, sondern nur über die Einordnung der konkreten Einzelvergleichsmiete in die Spanne des einschlägigen Mietspiegelfeld Streit besteht (vgl. schon BGH v. 18.11.2020 – VIII ZR 123/20; Infobrief 1/21). Es kann ein solches Gutachten auch vor einer Beweiserhebung über die Frage einholen, ob der Mietspiegel nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt wurde. Auch die größere Datengrundlage des einfachen Mietspiegels führt nicht dazu, dass die Schätzung nach § 287 Abs. 2 ZPO anhand des einfachen Mietspiegels der Einholung eines Sachverständigengutachtens überlegen ist. Dies gilt insbesondere dann, wenn sich die breitere Datenbasis ausschließlich auf die Mietspiegelfelder bezieht und der Streit nur die Einordnung in die konkrete Spanne betrifft.

Die Revision beanstandet allerdings zu Recht, dass das Berufungsgericht bei der Ermittlung der Vergleichsmiete auf den falschen Zeitpunkt abgestellt hat. Maßgeblich ist nicht das Datum, ab dem die erhöhte Miete zu zahlen wäre, sondern der Zugang des Mieterhöhungsverlangens. Nach den Feststellungen des Berufungsgerichtes ist nicht auszuschließen, dass die vom Sachverständigen herangezogenen Mieten zwischen diesen beiden Zeitpunkten vereinbart oder geändert wurden und der Entscheidungsfindung deshalb nicht hätten zugrunde gelegt werden dürfen. Dies ist auch entscheidungserheblich, da die Vergleichsmiete ohne diese Mieten auf einen niedrigeren arithmetischen Mittelwert als die angenommene Vergleichsmiete hinausgelaufen wäre. Wegen dieses Rechtsfehlers ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

III. Der Praxistipp

Der BGH beschäftigt sich noch mit zahlreichen Einzelrügen gegen das Sachverständigengutachten. Von allgemeiner Bedeutung sind seine Ausführungen zur angemessenen Mischung von Neu- und Bestandsmieten und zur Repräsentativität der zum Vergleich herangezogenen Mieten. Zu ersterem führt der BGH aus, dass der Gutachter insoweit nicht an die im Methodenbericht des Mietspiegels angegebene Quote von Neuvermietungen und Bestandsmieten gebunden ist. Zu letzterem sind nähere Angaben des Sachverständigen erst geboten, wenn eine Partei die Befundtatsachen bestreitet.

Diesen Beitrag teilen

Facebook
Twitter
WhatsApp
LinkedIn
E-Mail

Unser KI-Spezial

Erfahren Sie hier mehr über Künstliche Intelligenz – u.a. moderne Chatbots und KI-basierte…