Nimmt der Verteidiger an einem Anhörungstermin zur Prüfung teil, ob der Angeklagte zur Begutachtung gem. § 81 StPO einstweilig untergebracht werden soll, entsteht dadurch keine Terminsgebühr für den Verteidiger.
Sachverhalt
Mit der Eröffnung des Hauptverfahrens hatte die Kammer die psychologische Begutachtung des Angeklagten angeordnet. Da dieser mehrfach nicht zu Explorationsterminen beim Sachverständigen erschienen war, hatte die Kammer seine vorübergehende Unterbringung zur Vorbereitung des Gutachtens gem. § 81 StPO erwogen und ihn hierzu mündlich angehört. Zu dem Anhörungstermin hatte die Kammer auch den Pflichtverteidiger geladen. Die vorübergehende Unterbringung des Angeklagten ist nicht erfolgt, da dieser in dem Anhörungstermin mit dem ebenfalls anwesenden Sachverständigen Explorationstermine vereinbart hatte, die auch eingehalten wurden. Nach Abschluss des Verfahrens beantragte der Pflichtverteidiger die Festsetzung seiner Vergütung. Dabei berechnete er auch eine Terminsgebühr nach Nr. 4102 Nr. 3 VV für die Wahrnehmung des Anhörungstermins. Die Urkundsbeamtin hat diese Gebühr abgesetzt und darauf verwiesen, dass die Wahrnehmung des Anhörungstermins durch die allgemeine Verfahrensgebühr gem. Nr. 4112 VV abgegolten sei. Der hiergegen gerichteten Erinnerung des Verteidigers hat die Urkundsbeamtin nicht abgeholfen und diese der Kammer zur Entscheidung vorgelegt, die die Erinnerung zurückweist.
Keine Terminsgebühr nach Nr. 4102 VV
Dem Verteidiger steht für die Wahrnehmung des Anhörungstermins keine Gebühr gem. Nr. 4102 S. 1 Nr. 3 VV zu. Nach dieser Vorschrift kann ein Verteidiger für die Teilnahme an einem Termin außerhalb der Hauptverhandlung eine Terminsgebühr nur dann verlangen, wenn in dem Termin „über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung“ verhandelt wird. Nach dem Wortlaut der Regelung ist mit der „einstweiligen Unterbringung“ nur die – grds. bis auf Weiteres – angeordnete Freiheitsentziehung gem. § 126a StPO gemeint und nicht die – auf die Dauer der Untersuchung, längstens jedoch auf sechs Wochen befristete – vorläufige Unterbringung zur Begutachtung gem. § 81 StPO. Dies ergibt sich bereits aus dem Wortlaut der Regelung, die ausdrücklich die „einstweilige Unterbringung“, und damit die amtliche Überschrift von § 126a StPO, in Bezug nimmt. Hinzu kommt, dass die Vergütungsvorschrift die „einstweilige Unterbringung“ neben dem Haftbefehl aufführt, was ebenfalls – nur – auf § 126a StPO hinweist, da die einstweilige Unterbringung gem. § 126a StPO das Pendant zum Haftbefehl darstellt, wie die vielfältigen Verweise in § 126a Abs. 2 StPO auf das Haftbefehlsrecht belegen. Abgesehen hiervon erfordert die Unterbringung zur Begutachtung gem. § 81 StPO nicht zwingend eine Anhörung oder gar die Verkündung einer Entscheidung. Vor diesem Hintergrund wird in der Lit. – ganz selbstverständlich – davon ausgegangen, dass die Vergütungsregel in Nr. 4102 S. 1 Nr. 3 VV nur die Verkündungs- und Vorführungstermine gem. § 126a Abs. 2 i.V.m. §§ 115, 118 StPO erfasst, nicht jedoch Anhörungstermine im Vorfeld einer Entscheidung gem. § 81 StPO oder ähnliche Anhörungen (Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 6. Aufl., 2021, VV Nr. 4102). Eine entsprechende Anwendung der Nr. 4102 VV auf weitere, dort nicht bezeichnete Tätigkeiten des Rechtsanwalts außerhalb der Hauptverhandlung kommt nicht in Betracht. Bei der genannten Regelung handelt es sich nämlich um eine Ausnahmeregelung, die eng auszulegen und einer Analogie nicht zugänglich ist. Der Gesetzgeber hat dem Verteidiger enumerativ nur in den dort genannten Fallgestaltungen einen Vergütungsanspruch für Termine außerhalb der Hauptverhandlung zugesprochen. Dies ist die allgemeine Meinung in der Lit. (Burhoff/Volpert, a.a.O., Nr. 4102 Rn 47 f.), während in der Rspr. bisweilen trotzdem Analogien gezogen worden sind.
Analoge Anwendung ist unzulässig
Diese ausnahmsweise vorgenommenen Analogien sind jedoch systemwidrig, da Nr. 4102 VV selbst eine Ausnahmeregelung ist, die abschließend auflistet, für welche Termine außerhalb der Hauptverhandlung der Rechtsanwalt eine Gebühr beanspruchen kann. Abgesehen hiervon fehlt es an einer systemwidrigen Regelungslücke, die durch eine Analogie zu schließen wäre, da sich aus der Vorbem. 4.1 Abs. 2 VV ergibt, dass durch die im Vergütungsverzeichnis geregelten Gebühren die gesamte Tätigkeit des Verteidigers entgolten wird, soweit keine ausdrücklichen abweichenden Regelungen vorgesehen sind. Die Tätigkeit des Verteidigers im Anhörungstermin ist damit durch seine allgemeine Verfahrensgebühr gem. Nr. 4112 VV abgegolten.
Bedeutung für die Praxis:
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung hat das LG gem. § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 RVG die Beschwerde zugelassen, die auch eingelegt worden ist.