Bisher drehten sich Diskussionen um Formerfordernisse an ordnungsgemäße Anwaltsrechnungen meist um die Schriftform. Jetzt kommt aus steuerrechtlicher Sicht eine weitere neue Anforderung hinzu: die elektronische Rechnung im B2B-Verkehr.
I. Hintergrund
Bereits seit Ende 2020 besteht die Pflicht, gegenüber öffentlichen Auftraggebern Lieferungen und Leistungen mittels Rechnung in elektronischer Form (eRechnung) abzurechnen. Mit dem Wachstumschancengesetz wird die Pflicht zu elektronischen Rechnungen auf den unternehmerischen Verkehr ausgeweitet.
Bislang ist in § 14 UStG der Vorrang der Papierrechnung vor der elektronischen Rechnung (eRechnung) geregelt. Rechnungen durften danach nur vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers in elektronischer Form übermittelt werden.
Mit der jetzigen beschlossenen obligatorischen Pflicht zur elektronischen Rechnung verfolgt der Gesetzgeber zwei Ziele:
- Zum einen soll das Verfahren für die zu einem späteren Zeitpunkt einzuführende Verpflichtung zur transaktionsbezogenen Meldung von Umsätzen im B2B-Bereich durch Unternehmer an ein bundeseinheitliches elektronisches System der Verwaltung (Meldesystem) vorbereitet und für die Unternehmer entzerrt werden.
- Zum anderen soll die Nutzung der bestehenden Möglichkeiten der Digitalisierung in der Wirtschaft gefördert und unternehmensinterne Prozesse bei der Rechnungsverarbeitung vereinfacht werden, was auch dem Bürokratieabbau dient. Durch eine medienbruchfreie Übermittlung der Rechnungsdaten können Fehler bei einer manuellen Erfassung auf Seiten des Rechnungsempfängers vermieden werden (S. Gesetzesbegründung in BT-Drucks 20/8628, 204: https://dserver.bundestag.de/btd/20/086/2008628.pdf).
Rechnungsprozesse sollen also vereinfacht und Mehrwertsteuerbetrug eingedämmt werden.
II. Anwendungsbereich
Die Pflicht zum Empfang und zur Erstellung elektronischer Rechnungen gilt für alle inländischen Umsätze im zwischenunternehmerischen Bereich. Umsätze an Unternehmer in anderen EU-Mitgliedstaaten sind nicht betroffen. Ist die Mandantschaft Verbraucher, gilt die Pflicht ebenfalls nicht. Betroffen ist nur der B2B-Bereich im Inland.
Außerdem sind von der Verpflichtung zur eRechnung Kleinbetragsrechnungen bis zu 250,00 EUR (§ 33 UStDV) sowie Verkäufe von Fahrausweisen (§ 34 UStDV) dauerhaft befreit.
III. Definition
In § 14 Abs. 1 S. 2 UStG n.F. wird künftig zwischen einer elektronischen Rechnung und einer sonstigen Rechnung unterschieden.
1. Elektronische Rechnung
Nach der Legaldefinition ist eine elektronische Rechnung eine Rechnung, die in einem strukturierten elektronischen Format ausgestellt, übermittelt und empfangen wird und eine elektronische Verarbeitung ermöglicht (§ 14 Abs. 1 S. 3 UStG n.F.).
Das strukturierte elektronische Format einer elektronischen Rechnung muss entweder
- der europäischen Norm für die elektronische Rechnungsstellung und der Liste der entsprechenden Syntaxen gem. der Richtlinie 2014/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates v. 16.4.2014 über die elektronische Rechnungsstellung bei öffentlichen Aufträgen entsprechen oder
- kann zwischen Rechnungsaussteller und Rechnungsempfänger vereinbart werden, sofern das Format die richtige und vollständige Extraktion der nach diesem Gesetz erforderlichen Angaben aus der elektronischen Rechnung in ein Format ermöglicht, das der Norm nach Nr. 1 entspricht oder mit dieser interoperabel ist.
Um der Praxis möglichst frühzeitig Rechts- und Planungssicherheit zu geben, haben das Bundesministerium der Finanzen (BMF) und die obersten Finanzbehörden der Länder vorab eine Einschätzung zur Zulässigkeit bereits in der Praxis verwendeter Formate vorgenommen. Sie sind dabei zu dem Ergebnis gekommen, dass insbesondere sowohl eine Rechnung nach dem XStandard (sog. XRechnung) als auch eine nach dem ZUGFeRD-Format ab Version 2.0.1 grds. die Anforderungen an das geforderte strukturierte elektronische Format erfüllen. Daneben können aber auch weitere Rechnungsformate die genannten Anforderungen erfüllen.
2. Sonstige Rechnung
Eine sonstige Rechnung ist eine Rechnung, die in einem anderen elektronischen Format oder auf Papier übermittelt wird (§ 14 Abs. 1 S. 4 UStG n.F.). Darunter fallen künftig auch Rechnungen im PDF-Format, da diese in Zukunft nicht mehr den Anforderungen an eine elektronische Rechnung entsprechen.
IV. Zeitlicher Rahmen
Bei der zeitlichen Umsetzung der Pflicht zur eRechnung unterscheidet der Gesetzgeber zwischen dem Rechnungsempfang und der Rechnungserstellung. Die Umsetzung erfolgt stufenweise.
1. Rechnungsempfang
Bereits ab dem 1.1.2025 besteht für alle inländischen Unternehmer, und damit auch die Anwaltschaft, die Pflicht, elektronische Rechnungen entgegenzunehmen. Während dies derzeit noch von der Zustimmung des Rechnungsempfängers abhängt, ist diese ab dem kommenden Jahr nicht mehr nötig. Die in § 27 Abs. 38 UStG n.F. enthaltene Möglichkeit, in der Einführungsphase auch eine sonstige Rechnung zu verwenden, betrifft nur die Ausstellung der Rechnung. Unternehmer können daher ihre Rechnungen ohne Absprache in elektronischer Form in allen Formaten, die den gesetzlichen Anforderungen entsprechen, übersenden, z.B. als XRechnung oder im ZUGFeRD-Format.
Da Anwält:innen nicht nur Leistungserbringer, sondern auch Leistungsempfänger sind, müssen auch sie bis Ende des Jahres darauf vorbereitet sein.
2. Rechnungserstellung
Die Pflicht zur Erstellung einer elektronischen Rechnung hingegen erfolgt gestaffelt.
In der ersten Übergangsphase können bis Ende 2026 alle Unternehmer für 2025 und 2026 ausgeführte Umsätze noch Rechnungen in Papierform oder vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers in einem elektronischen Format, das nicht den neuen Anforderungen entspricht (z.B. PDF-Format), übermitteln.
Ab dem 1.1.2027 gilt diese Ausnahme nur noch für die Rechnung ausstellende Unternehmer, deren Gesamtumsatz im vorangegangenen Kalenderjahr nicht mehr als 800.000,00 EUR betragen hat. Alle Unternehmer mit einem höheren Umsatz sind ab diesem Zeitpunkt zur Ausstellung einer den neuen Anforderungen entsprechenden elektronischen Rechnung verpflichtet. Ebenfalls noch zulässig wäre vorbehaltlich der Zustimmung des Empfängers eine Rechnung, wenn diese mittels elektronischem Datenaustausch (EDI) nach Art. 2 der Empfehlung 94/820/EG der Kommission v. 19.10.1994 über die rechtlichen Aspekte des elektronischen Datenaustausches übermittelt wird.
Ab dem 1.1.2028 müssen dann alle Unternehmer uneingeschränkt elektronische Rechnungen i.S.d. § 14 Abs. 1 S. 3 UStG n.F. ausstellen.
V. Umsetzung in der Praxis
Ein bestimmtes Format für die elektronische Rechnung ist nicht vorgeschrieben. Es muss daher damit gerechnet werden, dass verschiedene zulässige Formate im Rahmen des Rechnungsempfangs in der Kanzlei eingehen. Bisher gängig sind die XRechnung und das ZUGFeRD-Format. Anwält:innen, die auch für öffentliche Auftraggeber tätig werden, konnten bereits Erfahrungen damit sammeln.
Während bei der XRechnung reine XML-Datensätze übermittelt werden, stellt das ZUGFeRD-Format eine hybride Form zur Verfügung, mit der sich die Dateien wie ein PDF lesen, ausdrucken und per E-Mail verschicken lassen und gleichzeitig die Rechnungsdaten in einem standardisierten XML-Format enthalten. Aber auch für XRechnungen existieren bereits Generatoren, mit welchen die Datensätze nicht nur automatisiert verarbeitet, sondern auch gelesen und gedruckt werden können.
Wird in der Kanzlei bereits jetzt Software zur Rechnungserstellung genutzt, ist davon auszugehen, dass im Laufe des Jahres entsprechende Updates durch die Anbieter zur Verfügung gestellt werden. Bereits heute bieten einige gängige Kanzleisoftware-Anbieter die Möglichkeit, den neuen Anforderungen entsprechende elektronische Rechnungen zu erstellen. Die Übrigen dürften da nachziehen. Und auch Buchhaltungsprogramme dürften – sofern nicht bereits vorhanden – entsprechende Funktionen zur Verfügung stellen.
Darüber hinaus gibt es auch einige Unternehmen, die unabhängig von Buchhaltungs- oder Kanzleiprogrammen Lösungen für die Erstellung und den Empfang elektronischer Rechnungen anbieten. Hier dürften in den nächsten Monaten noch einige Entwicklungen zu beobachten sein.
Die Anwaltschaft trifft dabei natürlich eine besondere Sorgfalt hinsichtlich der anwaltlichen Verschwiegenheitspflicht. Auch wenn davon bereits die Person des Auftraggebers umfasst ist, dürften sich hier hinsichtlich der Rechnungsdaten allerdings keine Änderungen ergeben. Denn bereits jetzt erfordert eine umsatzsteuerrechtlich ordnungsgemäße Rechnung nach § 14 UStG die Angabe des Leistungsempfängers und der Leistung. Bei der Inanspruchnahme von entsprechenden Dienstleistern gilt § 43e BRAO.
VI. Kollision mit Anforderungen des RVG?
Anders als im Umsatzsteuergesetz ist nach dem RVG für eine ordnungsgemäße Berechnung gem. § 10 Abs. 1 S. 1 RVG noch die Schriftform erforderlich. Dies könnte im Zusammenhang mit der elektronischen Rechnung möglicherweise zu praktischen Schwierigkeiten führen. Allerdings dürfte es dazu nicht mehr kommen. Denn mit dem Gesetz zur weiteren Digitalisierung der Justiz, mit dem Bundestag und Bundesrat bereits befasst sind, soll das Schriftformerfordernis abgeschafft werden. Textform, die auch durch elektronische Rechnungen gewahrt ist, soll dann genügen.
Und auch die Pflichtangaben nach § 10 Abs. 2 RVG sollten kein Grund zur Sorge sein, da auch bei elektronischen Rechnungen neben den reinen umsatzsteuerrelevanten Daten entsprechende Möglichkeiten für ergänzende Angaben vorgesehen sein dürften.
VII. Fazit
Die Anwaltschaft muss sich dringend mit dem Thema beschäftigen. Und die Umstellung ist mit Aufwand verbunden. Panik ist dabei aber nicht angebracht. Die Pflicht trifft nicht nur die Anwaltschaft, sondern alle Unternehmer und Selbstständigen.
Zudem sollten auch die Chancen in den Blick genommen werden, die mit der Einführung und damit der weiteren Digitalisierung der Arbeitsabläufe verbunden sind. Gerade in Zeiten des Fachkräftemangels können digitalisierte Arbeitsabläufe wertvolle Ressourcen freisetzen. Neben erspartem Papier und Porto ermöglichen elektronische Rechnungen eine automatisierte Verarbeitung, größere örtliche Flexibilität, eine Beschleunigung der Zahlungsabläufe, eine geringere Fehleranfälligkeit als bei händischer Verarbeitung und Übertragung der Daten und damit weniger Personalaufwand.
Die Entwicklung sollte daher aufmerksam begleitet werden.