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Streitwert einer Klage auf Feststellung der höchstzulässigen Miete (65 T 15/23)

§§ 41 Abs. 5 S. 1, 48 Abs. S. 1 GKG; §§ 3, 9 ZPO

Der Gebührenstreitwert einer Klage auf Feststellung der nach § 556d BGB höchst zulässigen Miete bestimmt sich nach § 48 Abs. S. 1 GKG i.V.m. den §§ 3, 9 ZPO. Die Vorschrift des § 41 Abs. 5 S. 1 GKG in der seit dem 1.1.2021 geltenden Fassung ist weder unmittelbar noch analog anwendbar.

LG Berlin, Beschl. v. 15.2.202365 T 15/23
I.

Sachverhalt

Die Klägerin hatte von der Beklagten eine Wohnung angemietet. Später hatten die Parteien eine Vereinbarung geschlossen, wonach die geschuldete Nettokaltmiete ab Juni 2021 auf 624,00 EUR im Monat angehoben wurde. Die Juni-Miete hatte die Klägerin daraufhin i.H.v. 624,00 EUR noch gezahlt. Hiernach hat sie geltend gemacht, dass die Vereinbarung insoweit unzulässig sei, als sie die höchst zulässige Miete übersteige. Da die Beklagte auf der höheren Miete bestand, hatte die Klägerin im Juli 2021 Klage auf Feststellung erhoben, dass die Vereinbarung über eine Nettokaltmiete i.H.v. 624,00 EUR im Monat seit Juli 2021 unwirksam sei, soweit sie einen Betrag i.H.v. 317 EUR im Monat übersteige. Gleichzeitig hat sie für Juni 2021 eine Überzahlung i.H.v. 307,00 EUR zurückverlangt. Das AG hat nach Abschluss des Verfahrens den Streitwert auf den Jahreswert der Differenz (12 x 307,00 EUR = 3.684,00 EUR) festgesetzt. Auf die hiergegen erhobene Streitwertbeschwerde des Klägervertreters hat das LG den Streitwert auf bis zu 13.000,00 EUR angehoben.

II.

Maßgebend sind die §§ 3, 9 ZPO

Der Streitwert einer Klage auf Feststellung, dass eine vereinbarte Miete unwirksam sei, ist gem. §§ 48 Abs. 1 S. 1 GKG i.V.m. §§ 3, 9 ZPO mit dem dreieinhalbfachen Jahreswert anzusetzen. Eine Begrenzung auf den Jahreswert kommt nicht in Betracht. Insbesondere ist die Vorschrift des § 41 Abs. 5 S. 1 GKG in der seit dem 1.1.2021 geltenden Fassung weder unmittelbar noch analog anwendbar. Ein Anspruch auf Feststellung der Höhe der zulässigen Miete wird vom Wortlaut des § 41 Abs. 5 S. 1 GKG nicht erfasst. Danach gilt der Jahreswert nur für Ansprüche auf Erhöhung einer Miete sowie auf Feststellung einer Minderung, für Ansprüche auf Durchführung von Instandsetzungsmaßnahmen und bei Ansprüchen des Vermieters auf Duldung der Durchführung von Modernisierungs- und Erhaltungsmaßnahmen. Keine der vorgenannten Alternativen regelt aber die Feststellung der höchst zulässigen Miethöhe.

III.

Keine analoge Anwendung des § 41 Abs. 5 S. 1 GKG

Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht. Eine Analogie ist ohnehin nur zulässig, wenn das Gesetz eine planwidrige Regelungslücke enthält. Diese Regelungslücke muss sich aus einem unbeabsichtigten Abweichen des Gesetzgebers von seinem, dem konkreten Gesetzgebungsvorhaben zugrundeliegenden, Regelungsplan ergeben. Eine solche Lücke ist hier nicht festzustellen. Mit dem 2. KostRMoG hatte sich der Gesetzgeber 2013 entschieden, aus sozialpolitischen Erwägungen punktuelle Begrenzungen des Gebührenstreitwerts vorzunehmen, um die Kosten der Streitigkeiten über Wohnraum zu dämpfen. Mit dem KostRÄG 2021 hat der Gesetzgeber dann diese Vorschrift nochmals 2021 ergänzt und den Fall der Feststellung einer Mietminderung mit aufgenommen. Auch insoweit gilt nunmehr der Jahresbetrag. Den Fall der Feststellung einer höchst zulässigen Miete nach § 556d BGB hat der Gesetzgeber aber nicht geregelt, obwohl ihm zum Zeitpunkt des KostRÄG 2021 diese Klagemöglichkeit jedenfalls bekannt war. Es lassen sich auch keine Umstände feststellen, dass dem Gesetzgeber diese Klageart verborgen geblieben ist oder, dass er nicht erkannt hat, dass die Vorschrift § 41 Abs. 5 S. 1 GKG für diese Klagen nicht greift. Nach alledem scheidet eine analoge Anwendung des § 41 Abs. 5 S. 1 GKG aus. Es bleibt damit bei der Verweisung des § 48 Abs. 1 S. 1 GKG auf die Vorschriften über die Zuständigkeitsstreitwerte, hier mithin auf die §§ 3 und 9 ZPO.

IV.

Bedeutung für die Praxis

Die Entscheidung ist zutreffend. In der Sache geht es um einen Zahlungsanspruch, auch wenn dieser in Form eines Feststellungsantrags zur Entscheidung gestellt worden ist. Für Zahlungsanträge ist die Vorschrift des § 41 Abs. 5 GKG aber nicht anwendbar, wie der BGH bereits mehrfach festgestellt hat (u.a. NJW-RR 2017, 204 = AGS 2016, 478). Zahlungsanträge sind vielmehr nach den allgemeinen Regelungen zu bewerten. Dies gilt auch für Feststellungsklagen oder negative Feststellungsklagen. Maßgebend ist damit der 3,5fache Jahreswert. Abzustellen ist hier allerdings nicht auf die vereinbarte Miete, sondern auf die Differenz, deren Unwirksamkeit geltend gemacht wird. Übersehen hat das LG nach meiner Auffassung allerdings, die bei Einreichung fälligen Beträge hinzuzurechnen. Es entspricht einhelliger Rspr., dass bei wiederkehrenden Leistungen – dies gilt auch bei Feststellungsklagen – die bei Einreichung fälligen Beträge gem. § 42 Abs. 3 GKG dem Wert der zukünftigen Leistungen hinzuzurechnen sind. Hier hätte also noch ein Monatsbetrag hinzugerechnet werden müssen. Damit hätte sich ein Streitwert i.H.v. (42 + 1) x 307,00 EUR = 13.201,00 EUR ergeben, was hier einen Gebührensprung ausgemacht hätte. Ein Feststellungsabschlag war dagegen nicht vorzunehmen, da im Rahmen des § 9 ZPO, der ohnehin einen privilegierten Streitwert enthält, keine Feststellungsabschläge geboten sind (BGH NJW-RR 2009,156). Abgesehen davon handelt es sich faktisch um eine negative Feststellungsklage, nämlich, nicht zur Zahlung verpflichtet zu sein. Dies ist Spiegelbild der entsprechenden positiven Leistungsklage, sodass auch aus diesem Grunde ein Feststellungsabschlag nicht gerechtfertigt ist.

https://www.juris.de/perma?d=jzs-AGS-2023-4-020-183

Rechtsanwalt Norbert Schneider, Neunkirchen

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