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Steuerklassenwahl bei Unterhaltspflicht für minderjährige Kinder

1. Zur Bestimmung des unterhaltsrelevanten Einkommens eines barunterhaltspflichtigen Elternteils, der minderjährigen Kindern aus einer geschiedenen Ehe Barunterhalt schuldet und nach erneuter Eheschließung die Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse IV und nicht der günstigeren Steuerklasse III abführt.

2. Da den Unterhaltspflichtigen nach § 1603 Abs. 2 S. 1 BGB eine gesteigerte Unterhaltspflicht trifft, ist der aufgrund einer Wiederheirat bestehende Steuervorteil aus dem Ehegattensplitting zur Bedarfsdeckung einzusetzen. Hierbei ist auch zu berücksichtigen, dass sich die Lebensstellung des Kindes aus dem gesamten Einkommen seiner Eltern ableitet, sodass auch der Steuervorteil aus einer neuen Ehe zu erfassen ist.

3. Das unterhaltspflichtigen Einkommen ist deshalb fiktiv auf der Grundlage der Lohnsteuerklasse 3 zu bestimmen.

4. Zu den Voraussetzungen einer – hier abgelehnten – Ausfallhaftung des betreuenden Elternteils gemäß § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB, die bei Gefährdung des angemessenen Selbstbehalts des barunterhaltspflichtigen Elternteils eingreift.

OLG München, Beschl. v. 15.1.202512 UF 824/24 e

I. Der Fall

Der Antragsgegner wendet sich mit der Beschwerde gegen eine Entscheidung des Amtsgerichts Miesbach, die ihn zur Zahlung von Kindesunterhalt verpflichtet. Gegenständlich ist der laufende Kindesunterhalt ab 1.1.2024 sowie rückständiger Kindesunterhalt von September 2022 bis Dezember 2023. Er ist Vater zweier minderjähriger Kinder. Die Eltern sind rechtskräftig geschieden. Die Kinder leben bei ihrer Mutter. Die Mutter der Antragsteller 1) und 2) hat ein Einkommen von 4.100 EUR netto monatlich. Der Antragsgegner ist wieder verheiratet. Aus dieser zweiten Ehe sind zwei weitere minderjährige Kinder hervorgegangen. Die Ehefrau und Mutter dieser Kinder hat ein Nettoeinkommen von 885,40 EUR, davon nicht anrechenbares Elterngeld in Höhe von 300 EUR.

Die Beteiligten haben am 13.9.2018 zu notarieller Urkunde unter Ziffer C den Kindesunterhalt für die beiden gemeinsamen Kinder im Rahmen einer Scheidungsvereinbarung geregelt. Aufgrund Änderungen der Düsseldorfer Tabelle und aufgrund Änderungen der Einkommensverhältnisse des Antragsgegners sowie der Anzahl der unterhaltsberechtigten Kinder ist eine Neuregelung und Neutitulierung des Kindesunterhaltes für die Antragsteller notwendig geworden.

Der Antragsgegner lebt mit seiner Ehefrau und den gemeinsamen Kindern in einer Immobilie, die im Miteigentum der jetzigen Ehegatten steht. Der Wohnwert beträgt 2.700 EUR. Für Zins und Tilgung sowie Nebenkosten zahlte der Antragsgegner monatlich 3.221,97 EUR, ab 03/2024 3.601,97 EUR (Finanzierungskosten 2.636,67 EUR ab März 2024 2.981,67 EUR zzgl. Wohngeld 585 EUR).

Er bezog in 2023 einen Bruttoarbeitslohn von 131.933,75 EUR und in 2022 einen Bruttoarbeitslohn von 146.466 EUR. Sein Einkommen versteuerte er mit Steuer- klasse IV. Dem Antragsgegner steht ein Firmenfahrzeug zur Verfügung, das er vollumfänglich privat nutzen kann. Aus den Gehaltsabrechnungen ist ersichtlich, dass der Antragsgegner einen geldwerten Vorteil ausgewiesen bekommt, in 2022 in Höhe von 463,60 EUR, wobei dieser Betrag wieder abgezogen wird vom Nettoeinkommen und in 2023 in Höhe von 510,40 EUR, wobei auch hier der Betrag wieder abgezogen wird.

II. Die Entscheidung

Der Senat hält die Beschwerde des Antragstellers für zulässig, aber in der Sache für unbegründet. Er führt folgendes aus:

Zutreffend geht das Amtsgericht davon aus, dass für die Antragsteller 1) und 2) jeweils ein Anspruch auf Zahlung eines Kindesunterhalts in Höhe von 144 % des Mindestunterhalts ab 01/2024 gegen den Antragsgegner besteht. Zudem bestehen Rückstände im Zeitraum von 09/2022 bis 12/2023 in Höhe von insgesamt mindestens 6.679 EUR.

§ 1601 BGB

1. Grundsätzlich ergibt sich der Unterhaltsanspruch der noch minderjährigen Kinder aus erster Ehe aus § 1601 BGB. Sie sind gleichrangig zu behandeln mit den Kindern des Antragsgegners aus der zweiten Ehe und sind bedürftig. Der Unterhaltsbedarf der neuen Ehefrau ist bei der Unterhaltsberechnung nicht zu berücksichtigen, da diese gegenüber den minderjährigen Kindern aus erster Ehe nachrangig ist. Der Antragsgegner hat den Mindestunterhalt für die Antragsteller 1) und 2) anerkannt. Darüber hinaus beruft er sich auf seine Leistungsunfähigkeit.

Das Maß des zu gewährenden Unterhalts bemisst sich nach der Lebensstellung des Bedürftigen, die sich bei minderjährigen Kindern bis zum Abschluss ihrer Ausbildung von den Eltern ableitet. Dabei kommt es nach der Rechtsprechung beim Unterhalt minderjähriger Kinder auf die Lebensstellung beider Eltern an. Die Unterhaltspflicht ist aber auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss.

Rückständiger Unterhalt 2022

a) Unstreitig hat der Antragsgegner in 2022 ein Bruttoeinkommen in Höhe von 146.466,00 EUR verdient. Das ergibt sich aus dem Einkommenssteuerbescheid für 2022, in welchem das Einkommen der zweiten Ehefrau geschwärzt wurde. Nicht ersichtlich ist, was der Antragsgegner an Steuern tatsächlich gezahlt hat. Auch insofern wurden die Zahlen geschwärzt. Er erhielt jedoch eine Rückerstattung von 6.726,27 EUR.

Die Ermittlung des Nettoeinkommens hat auf der Grundlage eines fiktiven Steuersatzes der Klasse III zu erfolgen. Die zweite Ehefrau des Antragsgegners hat lediglich Erziehungsgeld zur Verfügung in Höhe von 885,40 EUR, so dass ein deutliches Einkommensgefälle vorliegt. Insofern ist die Steuerklasse III die für den Antragsgegner günstigere Steuerklasse. Der Antragsgegner versteuerte jedoch sein Einkommen in Steuerklasse IV.

Grundsätzlich ist der Unterhaltsverpflichtete aus unterhaltsrechtlicher Sicht gehalten, Steuervorteile, die er zumutbar erlangen kann, auch in Anspruch zu nehmen und die ihm günstigste Steuerklasse zu wählen, soweit keine erkennbaren Gründe für eine andere Wahl der Steuerklasse vorliegen. Dies kann dann gegeben sein, wenn der Unterhaltsverpflichtete wieder verheiratet ist und seine neue Ehefrau ebenfalls berufstätig ist. Darlegungs- und beweispflichtig für solche Umstände ist der Unterhaltsschuldner. Entsprechend sind die Lohnsteuerklasse III / V zu wählen, wenn er im Vergleich zu seiner „leistungsunfähigen“ Ehefrau das deutlich höhere Einkommen erzielt. Zwar richtet sich der Unterhaltsanspruch minderjähriger Kinder grundsätzlich nach dem tatsächlichen Nettoeinkommen des Unterhaltsverpflichteten, da die Höhe des kindlichen Bedarfs sich aus der Lebensstellung der Eltern ableitet. Dazu gehört aber auch der mit der Wiederheirat verbundene Steuervorteil. Für die Eingruppierung nach der Düsseldorfer Tabelle ist deshalb grundsätzlich auch der mit der Wiederheirat verbundene Steuervorteil bestimmend, also das durch Ehegattensplitting erhöhte Einkommen des Barunterhaltspflichtigen. Die gegenüber minderjährigen Kindern bestehende gesteigerte Unterhaltspflicht verpflichtet, alle verfügbaren Mittel mit den Kindern zu teilen. Daher treffen den Unterhaltspflichtigen im Rahmen des Zumutbaren die Obliegenheiten, sich so zu verhalten, dass der Unterhaltsanspruch nicht zulasten des Berechtigten verändert wird. Gegenüber einem unterhaltsberechtigten minderjährigen Kind muss der Unterhaltsschuldner den Vorteil einsetzen, der sich aus der Wahl einer günstigeren Steuerklasse mit seiner neuen Ehefrau für ihn. Bei Ansatz einer fiktiven Steuerklasse III ergibt sich für den Antragsgegner ein Nettoeinkommen von 94.474,35 EUR: 12 = 7.872,86 EUR monatlich netto. Dies wurde vom Antragsgegner nicht bestritten. Er ist jedoch der Auffassung, dass ein fiktiver Steuersatz nicht angenommen werden dürfe. Dem kann nicht gefolgt werden.

Bei Auswahl der ungünstigeren Steuerklasse ist dies Verschiebung der Steuerbelastung durch einen tatrichterlich zu schätzenden Abschlag zu korrigieren. Der BGH lehnt es allerdings als fehlerhaft ab, die Steuerlast der Ehegatten nach Steuerklasse IV bezogen auf ihr jeweiliges Einkommen umzurechnen, weil damit ein geringeres Familieneinkommen zugrunde gelegt wird, als es den Ehegatten bei Zusammenveranlagung tatsächlich zusteht. Dabei ist die von den Eheleuten nach der tatsächlich gewählten Zusammenveranlagung auf Grundlage des Splitting-Verfahrens geschuldete Steuer anteilig bezogen auf ihr jeweiliges Einkommen unter zusätzlicher Berücksichtigung der steuerlichen Progression aufzuteilen. Dazu ist in Anlehnung an § 270 AO zunächst anhand der fiktiven Steuerlast bei einer Einzelveranlagung die Relation der individuellen Steuerlast zur gesamten Steuerlast und sodann anhand des entsprechenden Prozentsatzes die Steuerlast des Unterhaltspflichtigen am Maßstab der bei Zusammenveranlagung tatsächlich bestehenden Steuerschuld zu ermitteln. Hierdurch ist gewährleistet, dass das – nach Abzug der nach der konkreten Veranlagung anfallenden Steuerlast – verbleibende Einkommen insgesamt erfasst wird. Ferner wird so gewährleistet, dass die danach umzulegende Steuerlast nicht nur anteilig am Einkommen des Unterhaltspflichtigen bemessen wird, sondern dass zudem auch die Progression hinreichend Berücksichtigung finde.

Um eine solche Berechnung vornehmen zu können, müsste jedoch für 2022 der ungeschwärzte Steuerbescheid vorgelegt werden. Dies hat der Antragsgegner verweigert, so dass eine solche Berechnung nicht erfolgen kann. Die Ermittlung des Nettoeinkommens kann daher nur mit einer fiktiven Berechnung mit Steuerklasse III erfolgen. Zugrunde zu legen ist daher ein Nettoeinkommen in 2022 in Höhe von 7.872,86 EUR. Das Amtsgericht hat folgende unstreitige Abzüge bzw. unstreitige Zurechnung eines Wohnvorteils vorgenommen:

abzgl. zusätzlicher Altersvorsorge über 18,6 % hinaus

1.400,64 EUR

zzgl. Wohnwert

2.700,00 EUR

Einkommen

9.172,22 EUR

abzgl. Schulden 2.700 EUR

= 6.472,22 EUR

Abzug Finanzierungskosten und Wohngeld bis zur Höhe des Wohnwertes

Das für den Kindesunterhalt maßgebliche Einkommen beträgt daher 6.472,22 EUR. Ein weiterer Abzug für die Nutzung des Pkw erfolgt nicht, da dem Antragsgegner letztlich für die Privatnutzung ansonsten ein geldwerter Vorteil zuzurechnen wäre.

Da unklar ist, was der Antragsgegner tatsächlich an Steuern in 2022 gezahlt hat, kann auch nicht argumentiert werden, dass bei Steuerklasse III eine Nachzahlung hätte erfolgen müssen. Ein entsprechender Nachweis wurde nicht erbracht. Auf die Zurechnung einer Steuererstattung aus 2022 in Höhe von 6.726,27 EUR (bei Steuerklasse IV) kommt es letztlich nicht an. Diese bleibt unberücksichtigt. Die Kinderbetreuungskosten kann der betreuende Elternteil geltend machen. Die zweite Ehefrau ist jedoch nicht erwerbstätig und erhält Erziehungsgeld, so dass Betreuungskosten nicht in Ansatz gebracht werden können.

Damit ist maßgebend das Nettoeinkommen des Antragsgegners in Höhe von 6.472,22 EUR.

Grundsätzlich ergäbe sich bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle ausgehend vom Einkommen des Antragsgegners die Stufe 12. Zutreffend hat das Amtsgericht eine Herabstufung auf Stufe 10 vorgenommen, da im Jahr 2022 neben der zweiten Ehefrau noch drei Kinder unterhaltsberechtigt sind. Es ergibt sich somit bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle ein Kindesunterhalt in Höhe von 160 %.

Nach Abzug des Kindesunterhalts in Höhe von 1.362 EUR verbleiben für die Familie des Antragsgegners 5.110,22 EUR. Auch unter Berücksichtigung des Unterhalts für die zweite Ehefrau und die Kinder aus zweiter Ehe wird der Selbstbehalt des Antragsgegners in Höhe von 1.510 EUR gewahrt. Zudem wäre der notwendige Selbstbehalt des Antragsgegners um 10 % zu reduzieren, weil wegen des Zusammenlebens mit seiner neuen Ehefrau eine Kostenersparnis besteht.

Eine Erhöhung des Selbstbehalts wegen hoher Wohnkosten kommt nicht in Betracht. Hier ist zu berücksichtigen, dass die zu finanzierende Immobilie nicht nur den Wohnbedarf des Antragsgegners, sondern auch der zweiten Ehefrau und der gemeinsamen Kinder deckt. Lebt in der Wohnung nicht nur der Unterhaltspflichtige, sondern auch Kinder und ggf. eine neue Ehefrau oder Partnerin, erfolgt grundsätzlich nur eine anteilige Berücksichtigung der anfallenden Wohnkosten beim unterhaltspflichtigen Beteiligten. Es könnte sich hier allenfalls die Frage stellen, ob dem Antragsgegner nicht der volle Wohnwert zugerechnet werden kann, da die zweite Ehefrau Miteigentümerin ist. Allerdings würde das im Ergebnis keine Rolle spielen, da dann die Finanzierungskosten auch nur bis zur Höhe des Wohnwertes angesetzt werden könnten und die Möglichkeiten der sekundären Altersvorsorge bereits ausgeschöpft sind. Dass der Selbstbehalt zu erhöhen wäre wegen hoher Kredite zur Hausfinanzierung sieht der Senat nicht. Der Antragsgegner hat nicht dargelegt, dass er den Versuch unternommen hat, seine Kreditverbindlichkeiten im Einvernehmen mit der Bank zu reduzieren. Zudem betreibt der Antragsgegner eine sehr hohe sekundäre Altersvorsorge, so dass er ausreichend Möglichkeiten hätte, seine monatlichen Belastungen zu reduzieren.

[Konkrete Zahlbeträge und Rückstand]

Rückständiger Unterhalt 2023 bei Steuerklasse III

b) Unstreitig hat der Antragsgegner in 2023 ein Bruttoeinkommen in Höhe von 131.933,75 EUR verdient. Das ergibt sich aus dem Einkommenssteuerbescheid für 2023. Die zweite Ehefrau hatte Einkünfte in Höhe von 9.783 EUR. Der Steuerfreibetrag in 2023 betrug 10.908 EUR. Die Ehefrau hätte daher in 2023 bei Einzelveranlagung keine Steuern zahlen müssen. Der Splittingvorteil kommt daher allein dem Antragsgegner zugute. Die Ermittlung des Nettoeinkommens kann daher auf der Grundlage eines fiktiven Steuersatzes der Klasse III erfolgen.

Bei Ansatz einer fiktiven Steuerklasse III ergibt sich für den Antragsgegner ein Nettoeinkommen von 88.013,72 EUR:12= 7.334,48 EUR monatlich netto. Dies wurde vom Antragsgegner nicht bestritten. Zugrunde zu legen ist daher ein Nettoeinkommen in 2023 in Höhe von 7.334,48 EUR.

Das Amtsgericht hat folgende unstreitige Abzüge bzw. Zurechnung eines Wohnvorteils vorgenommen:

abzgl. zusätzlicher Altersvorsorge über 18,6 % hinaus

1.126,95 EUR

Grundsätzlich wären 4 % vom Bruttoeinkommen ansatzfähig.

zzgl. Wohnwert

2.700,00 EUR

Einkommen

8.907,53 EUR

abzgl. Schulden 2.700 EUR

= 6.207,53 EUR

Abzug Finanzierungskosten und Wohngeld bis zur Höhe des Wohnwertes

Das für den Kindesunterhalt maßgebliche Einkommen beträgt daher 6.207,53 EUR. Die Berücksichtigung einer sich fiktiv ergebenden zu leistenden Nachzahlung in Höhe von 4.791,88 EUR bei Steuerklasse III kann nicht erfolgen, da insofern ein entsprechender Nachweis durch die vorgelegte Berechnung des Steuerberaters nicht substantiiert geführt ist. Die in der Berechnung enthaltenen Zahlen zum Einkommen, auch der zweiten Ehefrau, sind nicht näher erläutert oder belegt.

Von 01/2023 bis 08/2023 ergibt sich bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle ausgehend vom Einkommen des Antragsgegners in Höhe von 6.207,53 EUR Stufe 12, aber es erfolgt wiederum eine Herabstufung durch das Amtsgericht auf Stufe 10, da im Jahr 2023 neben der zweiten Ehefrau drei Kinder unterhaltsberechtigt sind. Es besteht ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 160 %. Nach Abzug des Kindesunterhalts in Höhe von 1.495 EUR verbleiben für die Familie des Antragsgegners 4.712,53 EUR. Auch unter Berücksichtigung des Unterhalts für die Kinder aus zweiter Ehe und für die zweite Ehefrau wird der Selbstbehalt des Antragsgegners in Höhe von 1.510 EUR gewahrt.

Von 09/2023 bis 12/2023 ergibt sich bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle ausgehend vom Einkommen des Antragsgegners in Höhe von 6.207,53 EUR Stufe 12, aber es erfolgt eine Herabstufung durch das Amtsgericht auf Stufe 9, da im Jahr 2023 neben der zweiten Ehefrau vier Kinder unterhaltsberechtigt sind.

Es besteht ein Unterhaltsanspruch in Höhe von 152 %. Nach Abzug des Kindesunterhalts in Höhe von 1.408 EUR verbleiben für die Familie des Antragsgegners 4.799,53 EUR. Auch unter Berücksichtigung des Unterhalts für die zweite Ehefrau und die Kinder aus zweiter Ehe wird der Selbstbehalt des Antragsgegners in Höhe von 1.510 EUR gewahrt. Der Rückstand beträgt für beide Kinder von 09/2023 bis 12/2023 8.839 EUR. Die Antragsteller haben einen Rückstand von 6.679 EUR geltend gemacht, welcher auch zugesprochen wurde.

Kontrollberechnung bei Ansatz der Steuerklasse IV anhand der vorlegten Steuererklärung

Eine hilfsweise Berechnung mit der vom Antragsgegner beanspruchten Ermittlung des Nettoeinkommens mit Lohnsteuerklasse IV ergibt, dass unter Berücksichtigung der tatsächlich errechneten Rückstände sich auch bei Lohnsteuerklasse IV kein Vorteil gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidung ergeben würde. Der im Termin vom 18.12.2024 vorgelegte Einkommenssteuerbescheid für das Jahr 2023 weist ein Bruttoeinkommen in Höhe von 131.933 EUR aus und es wird eine Rückerstattung in Höhe von 8.000,54 EUR ausgewiesen. Es ergäbe sich folgendes Nettoeinkommen bei Lohnsteuerklasse IV (Abzüge gemäß Lohnsteuerbescheinigung 2023):

Bruttoarbeitslohn

131.933,00 EUR

abzgl. Rentenversicherung

6.811,63 EUR

abzgl. Arbeitslosenversicherung

952,16 EUR

abzgl. Krankenversicherung

3.728,09 EUR

abzgl. Pflegeversicherung

1.418,54 EUR

Abzgl. Lohnsteuer

41.313,00 EUR

Abzgl. Soli

1.781,54 EUR

Einkommen

75.928,04 EUR

zzgl. Rückerstattung

8.000,54 EUR

Nettoeinkommen

83.928,04 EUR: 12 = 6.994,00 EUR

abzgl. gewährter Altersvorsorge

6.994,00 EUR – 1.126,95,00 EUR = 5.767,00 EUR

Bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle würde sich unter Berücksichtigung der zweiten Ehefrau sowie der Kinder ein Unterhalt von Stufe 9 ergeben, statt 10 wie bei fiktiver Lohnsteuerklasse III im Zeitraum 01/2023 bis 08/2023. Im Zeitraum 09/2023 bis 12/2023 würde sich eine Einordnung bei Stufe 8 ergeben statt 9. Das Amtsgericht hat den beantragten Rückstand von 6.679 EUR zugesprochen, tatsächlich lag jedoch ein Rückstand von 8.839 EUR vor, weshalb das Amtsgericht auf Seite 30 ausführt: „Es verbleibt ein Gesamtrückstand von mindestens der beantragten 6.679 EUR.“ Auch unter Berücksichtigung eines um 1.048 EUR geringeren Rückstandes verbleiben daher immer noch Rückstände in Höhe von 7.791 EUR, so dass der erstinstanzliche Beschluss, der von einem Rückstand in Höhe von 6.679 EUR ausgeht, nicht zu korrigieren wäre. Damit spielt es auch keine Rolle, inwiefern sich der Vorteil aus dem Ehegattensplitting auf das Einkommen des Antragsgegners auswirken würde bei fiktiver Berechnung des Nettoeinkommens bei Steuerklasse III.

Laufender Kindesunterhalt ab 1.1.2024

c) Prognostisch ist in 2024 das Einkommen des Antragsgegners aus 2023 zugrunde zu legen. Ein Steuerbescheid für 2024 kann noch nicht vorgelegt werden. Sofern der Antragsgegner sein Einkommen im Termin bis November mitteilte, ist dies nicht aussagekräftig, da im Dezember etwaige Boni, Weihnachtsgeld usw. ausgezahlt werden. Bei einem prognostizierten Einkommen von 6.207,53 EUR ergibt sich bei Einordnung in die Düsseldorfer Tabelle ein Kindesunterhalt aus Stufe 12. Da neben der zweiten Ehefrau zwei weitere unterhaltsberechtigte Kinder vorhanden sind, erfolgt die Herabstufung auf Stufe 9 (152 %).

Auch unter Zugrundelegung eines Einkommens nach Steuerklasse IV in Höhe von 5.767 EUR ergibt die Einordnung in der Düsseldorfer Tabelle einen laufenden Kindesunterhalt in Höhe von 144 %. Das Einkommen von 5.767 EUR führt zur Einordnung in Stufe 11 und unter Berücksichtigung der zweiten Ehefrau und der Kinder zu Stufe 8. Dies entspricht 144 %

Beteiligung der Mutter der Antragsteller 1) und 2) am Barunterhalt

d) Eine Pflicht der Mutter der Antragsteller, sich am Barunterhalt für die Kinder zu beteiligen, sieht der Senat nicht. Der BGH weist auf den rechtlichen Ausgangspunkt des § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB hin, wonach auch der betreuende Elternteil als weiterer unterhaltspflichtiger Verwandter in Betracht kommt, der dem Kind barunterhaltspflichtig ist, wenn der nicht betreuende und deshalb primär barunterhaltspflichtige Elternteil hierzu bei Beachtung seines angemessenen Selbstbehalts außerstande ist. Die Regel der Gleichwertigkeit von Bar- und Betreuungsunterhalt darf dabei aber nicht ins Leere laufen. Deshalb kommt dann, wenn der primär barunterhaltspflichtige Elternteil bei Zahlung des vollen Kindesunterhalts seinen angemessenen Selbstbehalt verteidigen kann, eine vollständige oder anteilige Haftung des betreuenden Elternteils für die Aufbringung des Barunterhalts nur in besonderen Ausnahmefällen in Betracht. Ein solcher Ausnahmefall kann nicht schematisch, sondern nur im Rahmen einer umfassenden Billigkeitsabwägung angemessen gewürdigt werden. Als berücksichtigungsfähige Kriterien gelten auf Seiten des nicht betreuenden Elternteils die Sicherung seines eigenen Unterhalts in neuer Lebensgemeinschaft, auf Seiten des betreuenden Elternteils die mit der Betreuung neben der Erwerbstätigkeit einhergehende zusätzliche Belastung, dessen Belastung mit weiteren, auch nachrangigen Unterhaltspflichten, ebenso der durch eine wirtschaftliche Besserstellung des betreuenden Elternteils erzeugte zusätzliche Barbedarf innerhalb der gehobenen Lebensverhältnisse.

Grenzen des BGH

Folgende Grenzen zeigt der BGH auf:

Verfügt der betreuende Elternteil etwa über das Dreifache der unterhaltsrelevanten Nettoeinkünfte des nicht betreuenden Elternteils, kann es der Billigkeit entsprechen, dass der betreuende Elternteil für den Barunterhalt des Kindes in voller Höhe allein aufkommt. Unterhalb dieser Schwelle wird eine vollständige Enthaftung des nicht betreuenden Elternteils häufig ausscheiden. Zur Frage, in welchem Umfang der nicht betreuende Elternteil entlastet werden kann, kann rechnerisch auf den Verteilungsmaßstab der elterlichen Einkommens- und Vermögensverhältnisse zurückgegriffen werden. Wird bei der Quotenberechnung der angemessene Selbstbehalt als Sockelbetrag abgezogen, müssen die so ermittelten Haftungsanteile in aller Regel zugunsten des betreuenden Elternteils wertend verändert werden.

Die Darlegungs- und Beweislast für die Voraussetzungen des § 1603 Abs. 2 S. 3 BGB trägt der Unterhaltspflichtige, der geltend macht, er könne den Unterhaltsbedarf des Unterhaltsberechtigten nicht ohne Gefährdung seines eigenen angemessenen Lebensbedarfs bestreiten.

Unter keiner steuerrechtlichen Einordnung des Bruttoeinkommens des Antragsgegners ergibt sich ein dreifach erhöhtes Einkommen der Mutter der Antragsteller in Höhe von 4.100 EUR. Eine Beteiligung am Barunterhalt kommt daher nicht in Betracht.

2. [Zur Kostenentscheidung der 1. Instanz]

III. Der Praxistipp

Die vorliegende Entscheidung beschäftigt sich mit einem – beim Praktiker regelmäßig recht unbeliebten – steuerlichen Thema, nämlich der fiktiven Einkommensberechnung unter Zugrundelegung der Lohnsteuerklasse III anstatt der vom Unterhaltspflichtigen gewählten Lohnsteuerklasse IV.

Das OLG München bereitet diese fiktive Berechnung dogmatisch nachvollziehbar auf und macht deutlich, dass mit der Wahl der Lohnsteuerklasse IV der Splittingvorteil alleine dem unterhaltspflichtigen Vater minderjähriger Kinder zugute kommt, sofern die neue Ehefrau lediglich Einkünfte unter dem Steuerfreibetrag erzielt (hat).

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass das Bundesverfassungsgericht in einer grundlegenden Entscheidung angenommen hat, dass bei der Ermittlung des unterhaltspflichtigen Einkommens eines geschiedenen Ehegatten ein steuerlicher Vorteil nicht berücksichtigt werden kann, der sich bei Eingehen einer neuen Ehe aus der gemeinsamen Veranlagung ergibt. Dieser Entscheidung ist der BGH gefolgt. Dabei verlangte er jedoch grundsätzlich eine Zuordnung des Splittingvorteils sowohl bei der Bestimmung des Bedarfs des Kindes als auch der Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen.

Auf die lesenswerte Anmerkung zum Beschluss des OLG München vom 15.1.2025 von Borth in FamRZ 2025, 682 wird hingewiesen und Bezug genommen.

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