1. Die Gewährung von Unterhaltsvorschuss setzt bei Mitbetreuung des Kindes durch den anderen Elternteil voraus, dass der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend, d.h. zu mehr als 60 % bei dem den Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteil liegt.
2. Die (Mit-)Betreuungsanteile und damit der durch die mit Betreuung eintretende Entlastungseffekt sind nicht monatsweise, sondern für längere Zeiträume ohne Wertung und Gewichtung einzelner Betreuungsleistungen ausschließlich im Hinblick auf die Zeit der tatsächlichen Betreuung zu ermitteln, also danach, welche Zeitanteile das Kind tatsächlich in der Obhut des einen oder des anderen Elternteils verbringt.
I. Der Fall
Die Beteiligten streiten um die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz.
Die Klägerin beantragte in 02/2020 die Gewährung von Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz für ihre siebenjährige Tochter und deren Zwillingsschwester, da die Kinder bei ihr lebten und der Kindesvater keinen Unterhalt zahle. Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 10.3.2020 ab und wies den hiergegen gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 16.4.2020 zurück. Die Kinder lebten nicht im Sinne des Gesetzes bei der Klägerin, weil sie gemäß einer familienrechtlichen Vereinbarung vierzehntägig von Mittwochnachmittag bis Montagmorgen beim Vater seien, der sie in dieser Zeit regelmäßig betreue und sie darüber hinaus auch während eines Krankenhausaufenthalts der Klägerin anlässlich der Geburt ihres dritten Kindes versorgt habe. Die auf Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen gerichtete Klage blieb in beiden Vorinstanzen erfolglos. Zur Begründung hat das Oberverwaltungsgericht im Wesentlichen darauf abgestellt, die Klägerin sei seit einem im 01/2017 gestellten und bestandskräftig abschlägig beschiedenen ersten Antrag auf Unterhaltsvorschussleistungen durchgängig bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides im 04/2020 angesichts der Mitbetreuung durch den Kindesvater nicht alleinerziehend im Sinne des Gesetzes. Die Eltern seien gemeinsam sorgeberechtigt und praktizierten dies auch. Der Mitbetreuungsanteil des Vaters betrage schon während der Schulzeiten 36 vom Hundert und führe zu einer wesentlichen Entlastung der Klägerin bei der Betreuung der Kinder.
Mit ihrer vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision macht die Klägerin insbesondere geltend, das gemeinsame Sorgerecht sage nichts über die tatsächliche Betreuung der Kinder aus. Ein Kind befinde sich in der Obhut desjenigen Elternteils, in dessen Wohnung es vorwiegend lebe und der die elementaren Lebensbedürfnisse des Kindes nach Pflege, Verköstigung, Kleidung, ordnender Gestaltung des Tagesablaufs und ständig abrufbereiter emotionaler Zuwendung vorrangig befriedige oder sicherstelle. Unterbrechungen durch regelmäßige Besuchsaufenthalte in der Wohnung des anderen Elternteils änderten hieran nichts.
Der Beklagte tritt der Revision unter Hinweis darauf entgegen, dass es auf eine exakte zeitliche Grenze der Betreuungsanteile nicht ankomme, entscheidend sei eine Einzelfallbetrachtung, ob und in welchem Umfang die Mitbetreuung eine Entlastung des hauptbetreuenden Elternteils bewirke.
II. Die Entscheidung
Die Revision der Klägerin ist begründet.
1. Der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts beruht sowohl auf einer Verletzung des § 88 VwGO (a) als auch des § 1 Abs. 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Sicherung des Unterhalts von Kindern alleinstehender Mütter und Väter durch Unterhaltsvorschüsse oder -ausfallleistungen (Unterhaltsvorschussgesetz – UVG) vom 17.7.2007.
a) [zur Verletzung § 88 VwGO]
Unterhaltsvorschussleistungen
b) Der angefochtene Beschluss verletzt darüber hinaus § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG, soweit er einen Anspruch auf Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen für den Zeitraum 02 bis 04/2020 mit der Begründung verneint, die Tochter lebe nicht im Sinne des Gesetzes bei der Klägerin. Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung einen unzutreffenden rechtlichen Maßstab zugrunde gelegt. Die Gewährung von Unterhaltsvorschuss setzt bei Mitbetreuung des Kindes durch den anderen Elternteil voraus, dass der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend, d.h. zu mehr als 60 vom Hundert bei dem den Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteil liegt (aa). Die Bemessung der (Mit-)Betreuungsanteile der Elternteile und damit der durch die Mitbetreuung eintretende Entlastungseffekt ist ohne Wertung und Gewichtung einzelner Betreuungsleistungen ausschließlich im Hinblick auf die Zeiten der tatsächlichen Betreuung zu ermitteln (bb). Die auf die Elternteile entfallenden Zeitanteile sind nicht monatsweise, sondern für längere Zeiträume zu ermitteln (cc). Dabei sind weitere Einzelheiten zu beachten (dd).
aa) Leistungen nach dem Unterhaltsvorschussgesetz tragen der doppelten Belastung mit Erziehung und Unterhaltsgewährung Rechnung. Sie dienen der Behebung oder zumindest Milderung einer gegenwärtigen Notlage, die nach der Wertung des Gesetzes durch die alleinige Betreuungsleistung eines Elternteils einerseits und ausbleibende oder nur unzureichende Unterhaltszahlungen des barunterhaltspflichtigen anderen Elternteils andererseits gekennzeichnet ist. Der Anspruch auf Unterhaltsvorschussleistung setzt demgemäß neben unzureichenden Unterhaltszahlungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG) gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG voraus, dass das Kind „bei einem seiner Elternteile lebt“. Ein Kind lebt im Sinne des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bei einem seiner Elternteile, wenn es mit ihm eine auf Dauer angelegte häusliche Gemeinschaft unterhält, in der es auch betreut wird. Das Tatbestandsmerkmal knüpft damit nach seinem Wortlaut, der Gesetzessystematik und dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten Sinn und Zweck an die durch das Alleinerziehen geprägte prekäre Situation an. Diese besteht darin, dass das Kind „nur“ bei diesem Elternteil lebt, weil er die Betreuung (Pflege und Erziehung) des Kindes tatsächlich wahrnimmt und hiermit wegen des Ausfalls des anderen Elternteils besonders belastet ist. Außer in den Fällen vollständigen Alleinerziehens liegt eine solche Belastung dann vor, wenn – wovon auch das Oberverwaltungsgericht ausgegangen ist – nach den Umständen des Einzelfalles auch angesichts der Betreuungsleistungen des anderen Elternteils der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend bei dem Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteil liegt, der deshalb bei wertender Betrachtung der Gesamtsituation tatsächlich die alleinige Verantwortung für die Sorge und Erziehung des Kindes trägt.
Betreuungsanteil von mehr als 60 vom Hundert
Dies ist anzunehmen, wenn dessen Betreuungsanteil mehr als 60 vom Hundert beträgt. Umgekehrt ist eine wesentliche Entlastung dieses Elternteils, welche die faktische Gesamtlage der gesetzlich in Bezug genommenen Alleinerziehung und damit den Anspruch auf Unterhaltsvorschuss ausschließt, gegeben, wenn sich der andere (barunterhaltspflichtige) Elternteil in der Weise an der Pflege und Erziehung des Kindes beteiligt, dass sein Betreuungsanteil 40 vom Hundert erreicht oder überschreitet. Die prozentuale Zuordnung von Betreuungsanteilen trägt dem im Gesetzeswortlaut, der Gesetzessystematik sowie dem in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck gebrachten unterhaltsvorschussrechtlichen Gewährungsgrund des Alleinerziehens Rechnung, der darin liegt, dass der betreffende Elternteil bei Betreuung und Versorgung des Kindes im Wesentlichen auf sich allein gestellt ist. Die Gesetzesbegründung benennt ausdrücklich „alleinerziehende Elternteile“ und vergleicht („ähnliche Belastung“) deren Situation mit derjenigen beim Tod des anderen Elternteils. Umgekehrt erkennt sie die doppelte Belastung mit Erziehungs- und Versorgungsaufgaben nicht mehr an, wenn der alleinerziehende Elternteil einen anderen als den leiblichen Elternteil heiratet. Ausschlaggebend hierfür ist ungeachtet der unterhaltsrechtlichen Lage die „faktische Gesamtlage“, für die regelmäßig kennzeichnend ist, dass sich auch der Stiefelternteil an Betreuung und Versorgung des Kindes beteiligt. Bei einer Mitbetreuung durch den anderen Elternteil kann von einem Alleinerziehen somit nur dann die Rede sein, wenn der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend, also zu deutlich mehr als der Hälfte, bei dem Elternteil liegt, der Unterhaltsvorschussleistungen beansprucht. Der Gesichtspunkt des Alleinerziehens als der für die Leistung gesetzliche Anknüpfungspunkt des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG bliebe demgegenüber in seiner Bedeutung unberücksichtigt, wenn erst ein noch höherer (etwa an die Hälfte heranreichender) Mitbetreuungsanteil des anderen Elternteils die Gewährung von Unterhaltsvorschussleistungen ausschließen würde. Andererseits lässt sich die mitunter vertretene Annahme, bereits bei einem Mitbetreuungsanteil von (nur) einem Drittel liege kein Alleinerziehen mehr vor, vor dem Hintergrund, dass die Betreuungsanteile der Elternteile ausschließlich nach Zeitanteilen zu ermitteln sind (hierzu sogleich), bereits mit dem Wortlaut wie auch dem aufgezeigten Sinn und Zweck des Gesetzes nicht vereinbaren. So legt die Regelung des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG schon nach ihrem Wortsinn nahe, dass ein zu zwei Dritteln von einem Elternteil betreutes Kind auch im Sinne des Gesetzes „bei“ diesem lebt. Dieses Verständnis gebietet auch der Gewährungsgrund des Unterhaltsvorschusses, der schwierigen Lage des im Hinblick auf Alltag und Erziehung weitgehend auf sich gestellten Elternteils bei Ausfall von Unterhaltsleistungen durch die Gewährung von Leistungen Rechnung zu tragen.
Bemessung der (Mit-)Betreuungsanteile der Eltern
bb) Die Bemessung der (Mit-)Betreuungsanteile der Eltern richtet sich nach der tatsächlichen Betreuungssituation. Hierüber sagt die Erbringung von in § 1 Abs. 1 Nr. 3 UVG eigens geregelten Unterhaltszahlungen nichts aus. Dies gilt ebenso für ein gemeinsames Sorgerecht der Eltern, aus dem sich nicht ergibt, in welchem Umfang die Elternteile sich jeweils tatsächlich um Betreuung und Versorgung des Kindes kümmern. Demgegenüber betrifft eine Vereinbarung der Elternteile oder eine familiengerichtliche Entscheidung zur Aufteilung der Betreuung die künftige tatsächliche Situation, weshalb ihr indizielle Bedeutung zukommt, die widerlegt werden kann, wenn sie tatsächlich nicht praktiziert wird. Dieselbe (bloße) Indizwirkung hat wegen der Anknüpfung in § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG an das Obhutsprinzip.
Entlastungseffekt durch die Mitbetreuung
Der durch die Mitbetreuung eintretende Entlastungseffekt ist ohne Wertung und Gewichtung einzelner Betreuungsleistungen ausschließlich im Hinblick auf die Zeiten der tatsächlichen Betreuung zu ermitteln, also danach, welche Zeitanteile das Kind tatsächlich in der Obhut des einen oder des anderen Elternteils verbringt. Das Unterhaltsvorschussrecht ist als Sozialleistung (vgl. § 68 Nr. 14 SGB I) auf eine umgehende Hilfe in einer aktuellen Notlage, wie sie oben beschrieben worden ist, ausgerichtet. Dieser Zweck der Unterhaltsvorschussleistungen gebietet es, deren Leistungsvoraussetzungen und insbesondere das Merkmal des Lebens bei einem Elternteil im Sinne von § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG möglichst schnell, unkompliziert und verlässlich festzustellen. Aus Gründen der Rechtssicherheit sowie unter Berücksichtigung der nach dieser Zwecksetzung gebotenen möglichst praktikablen Handhabung sowohl für die Eltern als auch für die Verwaltung ist daher für die Ermittlung der Betreuungsanteile allein auf die Zeitanteile abzustellen, in denen der eine oder der andere Elternteil Betreuung und Versorgung des Kindes gewährleistet. Dieses Kriterium setzt lediglich eine Auflistung der Betreuungszeiten voraus, die im Bedarfsfall ohne allzu großen Aufwand rechtssicher überprüft werden kann. Im Unterschied zu einer auf den Entlastungseffekt einzelner Betreuungsleistungen bezogenen qualitativen Bewertung ist es – auch im Hinblick auf das Verhältnis der Elternteile zueinander – weniger streitanfällig und vermeidet unterschiedliche Bewertungen vergleichbarer Sachverhalte. Eine einfache Feststellung des Tatbestandsmerkmals des Lebens bei einem Elternteil ist schließlich auch deshalb geboten, weil der Staat zumindest nach der Gesetzeslage vielfach nur vorläufig und nicht endgültig leistet. Ein bestehender Unterhaltsanspruch des Kindes gegen den anderen Elternteil geht vielmehr auf das Land über, das auch künftige Unterhaltsansprüche gerichtlich geltend machen kann, wenn die Unterhaltsleistung voraussichtlich auf längere Zeit gewährt werden muss. Der Senat vermag sich daher der in der Rechtsprechung vertretenen Auffassung nicht anzuschließen, die Betreuungsleistungen der Elternteile seien (ggf. ab Erreichen eines zeitlichen Schwellenwerts der Mitbetreuung) qualitativ daraufhin zu beurteilen, ob der Schwerpunkt der Betreuung bei dem Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteil liege. Sofern die Ausführungen des Senats im Urt. v. 11.10.2012 – 5 C 20.11 – (BVerwGE 144, 306 Rn 20) in diesem Sinne zu verstehen sein könnten, wäre hieran nicht festzuhalten.
Zeitanteile
cc) Die auf die Elternteile entfallenden Zeitanteile sind, sofern nicht das Leistungsbegehren von vornherein nur auf einen Monat oder einen noch kürzeren Zeitraum beschränkt ist, nicht monatsweise, sondern – abhängig vom Inhalt des Antrags – für längere Zeiträume zu ermitteln. Dies ergibt sich aus Folgendem: Dem Unterhaltsvorschussgesetz liegt als kennzeichnender Grundsatz das Prinzip der monatsweisen Betrachtung zugrunde, was länger andauernde, ggf. auch zeitlich offene Bewilligungszeiträume (vgl. § 7 Abs. 4 Satz 1 UVG) allerdings nicht ausschließt. Die monatsweise Betrachtung verlangt nicht, dass das Vorliegen jeder Leistungsvoraussetzung auch monatsweise gesondert festzustellen wäre. Dies hängt vielmehr vom jeweiligen Tatbestandsmerkmal ab. Das Merkmal „bei einem seiner Elternteile lebt“ (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG) ist bereits nach seinem Wortlaut („lebt“) auf eine gewisse Dauer und Kontinuität angelegt. Gesetzessystematisch unterscheidet es sich damit strukturell von den anderen Tatbestandsmerkmalen des § 1 Abs. 1 UVG (Alter des Kindes, Personenstand des alleinerziehenden Elternteils, Unterhaltszahlungen des anderen Elternteils), deren Vorliegen oder Nichtvorliegen jeweils tagesgenau festgestellt werden kann. Demgegenüber lässt sich die Frage, ob ein Elternteil die Betreuung eines Kindes ganz überwiegend wahrnimmt und er somit die alleinige bzw. maßgebliche Verantwortung hierfür trägt, jedenfalls bei Mitbetreuung durch den anderen Elternteil sinnvollerweise nur über einen längeren Zeitraum hinweg beurteilen. Diese Betrachtungsweise trägt auch dem Sinn und Zweck des Merkmals Rechnung, die besondere Belastungssituation des Alleinerziehens abzumildern, die auch dann etwa durch Vorhalten von Wohnraum für das Kind und hierdurch anfallende Kosten sowie etwaige Einschränkungen in der Berufstätigkeit fortbestehen kann, wenn sich das Kind beispielsweise während der Schulferien für einen längeren, innerhalb eines Kalendermonats fallenden Zeitraum bei dem anderen Elternteil aufhält. Schließlich ergibt sich auch aus den Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber selbst davon ausging, das Merkmal des Lebens bei einem Elternteil wechsele nicht in kurzen, etwa monatlichen Zeitabständen zwischen den Elternteilen hin und her.
Der für die Beurteilung, ob in Mitbetreuungsfällen das Kind bei dem Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteil lebt, in den Blick zu nehmende Zeitraum richtet sich nach dem jeweiligen Antrag. Unabhängig davon, ob die Behörde über den Antrag nur bis zur letzten Behördenentscheidung befindet oder ob ihre Entscheidung einen darüber hinausgehenden Zeitraum abdeckt, hat sie die Betreuungsanteile den Elternteilen im Rahmen einer auf diesen Zeitraum bezogenen Gesamtbetrachtung zuzuordnen. Dieser Betrachtung hat sie hinsichtlich des im Entscheidungszeitpunkt bereits vergangenen Zeitraums die festgestellte tatsächliche Betreuungssituation zugrunde zu legen. Den vom Antrag erfassten künftigen Zeitraum hat sie anhand des von den Eltern beabsichtigten Betreuungskonzepts prognostisch einzubeziehen. Für einen zeitlich unbegrenzten und mithin zukunftsoffenen Antrag auf Unterhaltsvorschuss gilt das Gleiche mit der Maßgabe, dass der prognostischen Beurteilung aus Praktikabilitätserwägungen ein Zwölfmonatszeitraum zugrunde zu legen ist. Die gleiche Gesamtbetrachtung ist im Zuge etwaig nachfolgender Leistungsüberprüfungen oder in Rückforderungsfällen vorzunehmen.
Ermittlung der den Elternteilen jeweils zuzuordnenden Zeitanteile
dd) Für die Ermittlung der den Elternteilen jeweils zuzuordnenden Zeitanteile kommt es bei ganztägig wechselweiser Betreuung typisierend darauf an, bei welchem Elternteil sich das Kind zu Beginn des Tages aufhält. Diese Vorgehensweise ist fachlich anerkannt und überdies sowohl für die Eltern als auch die Behörde praktikabel. Ob bei einem Betreuungsmodell, in dem sich das Kind täglich oder nahezu täglich stundenweise in der Obhut des anderen Elternteils befindet, ebenfalls eine typisierende Betrachtungsweise möglich und geboten ist oder die fraglichen Zeiten „spitz“ zu ermitteln sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Zeiten, in denen das Kind von Dritten (etwa Großeltern, Nachbarn) betreut wird oder sich in einer Kindertagesstätte oder Schule befindet, sind dem Elternteil zuzuordnen, dem die Betreuung nach dem Betreuungskonzept obliegt. Ferner sind Urlaubsaufenthalte bei dem anderen (barunterhaltspflichtigen) Elternteil während der (Schul-)Ferien in die Ermittlung der Betreuungsanteile einzubeziehen. Solche Aufenthalte sind als Bestandteil eines von den Eltern praktizierten Betreuungskonzepts üblich und können in einer Gesamtbetrachtung zur Entlastung des hauptbetreuenden Elternteils beitragen. Anders verhält es sich hingegen mit vom Betreuungskonzept nicht erfassten singulären Betreuungssituationen, wenn etwa der andere Elternteil die Kindesbetreuung für einen begrenzten Zeitraum außerplanmäßig übernimmt, weil der hauptbetreuende Elternteil vorübergehend ausfällt (etwa wegen eines stationären Krankenhausaufenthalts oder aus beruflichen Gründen). Eine solche Betreuungsübernahme durch den anderen Elternteil gibt ungeachtet ihrer punktuellen Entlastungswirkung einem Alleinerziehen, das durch die über einen längeren Zeitraum bestehenden Verhältnisse gekennzeichnet ist, kein anderes Gepräge.
2. [Zurückverweisung an das Oberverwaltungsgericht]
III. Der Praxistipp
Der Problemkreis „Leistungen nach dem UVG“ begegnet dem Praktiker regelmäßig.
Die vorliegende Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 12.12.2023 macht deutlich, dass allein der pauschale Hinweis auf die Beantragung solcher Leistungen wohl nicht ausreichend sein dürfte, um die anwaltlichen Sorgfaltspflichten zu erfüllen.
Das Bundesverwaltungsgericht setzt sich im Einzelnen mit den Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 2 UVG auseinander und macht deutlich, dass grundsätzlich „alleinerziehende“ Elternteile anspruchsberechtigt sind. Nach seiner Auffassung gilt ein Elternteil als alleinerziehend, sofern und sobald der Schwerpunkt der Betreuung ganz überwiegend, d.h. zu mehr als 60 % bei dem Unterhaltsvorschuss beantragenden Elternteil liegt.
Aber auch bei der Beratung des Unterhaltsschuldners ist entsprechende Sorgfalt geboten, da schließlich die Ansprüche übergehen. Auch aufseiten des Unterhaltsschuldners wird der Betreuungsanteil konkret zu ermitteln sein.