Beitrag

Umfang des Vertretungsrechts eines Kindes und Anspruch auf Kindesunterhalt (Überstunden, Umzugskosten, Aufwand für doppelte Haushaltsführung, Kosten des Verfahrens aus der Scheidung sowie einer Kündigungsschutzklage, erhöhter Mietaufwand und Rückzahlung BAföG-Darlehen)

1. Das Vertretungsrecht des Obhutselternteils nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB umfasst zwar nicht die Befugnis des Obhutselternteils, für sein Kind eine Vereinbarung über die Rückübertragung der Unterhaltsansprüche zu schließen, er kann aber nach späterer Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge den schwebend unwirksamen Rückübertragungsvertrag – ausdrücklich oder konkludent – nach § 177 BGB genehmigen.

2. Begründet ein Unterhaltspflichtiger eine erhebliche Einkommenssteigerung mit einem über das zu erwartende Maß hinausgehenden außerordentlichen Einsatz, sodass dieser unterhaltsrechtlich nicht zu berücksichtigen sei, kann dies nur anerkannt werden, wenn diese Steigerung auf einer überobligationsmäßigen, nicht berufsüblichen Tätigkeit beruht. Hierzu gehören Überstunden jedenfalls dann nicht, wenn sie in dem ausgeübten Beruf üblich sind bzw. auf einer Mehrtätigkeit im Umfang von 10 % der üblichen Arbeitszeit beruhen.

3. Umzugskosten können als berufsbedingter Aufwand beachtlich sein, wenn sie dadurch veranlasst gewesen sind, dass der Unterhaltspflichtige eine recht weit von seinem bisherigen Arbeitsort entfernt liegende, neue Arbeitsstelle angetreten hat. Indessen müssen sie konkret nachgewiesen und steuerliche Vorteile angerechnet werden.

4. Die Anerkennung des Aufwands für doppelte Haushaltsführung setzt voraus, dass sowohl deren Begründung als auf ihre Aufrechterhaltung notwendig ist.

5. Unter bestimmten Voraussetzungen können Kosten des Verfahrens aus der Scheidung sowie einer Kündigungsschutzklage einkommensmindernd berücksichtigt werden.

6. Ein erhöhter Mietaufwand des Unterhaltsverpflichteten rechtfertigt keine Kürzung des unterhaltsrechtlichen Einkommens. Der Wohnungskostenanteil, der in die Selbstbehaltssätze der Düsseldorfer Tabelle eingearbeitet ist, ist lediglich im Mangelfall von Bedeutung; ansonsten ist der Mietaufwand allgemeiner Lebensbedarf, den der Unterhaltspflichtige aus den ihm nach Unterhaltszahlung verbleibenden Einkünften zu bestreiten hat.

7. Die Rückzahlung eines BAföG-Darlehens ist auch beim Kindesunterhalt einkommensmindernd zu berücksichtigen.

OLG Saarbrücken, Beschl. v. 23.2.20216 UF 160/20

I. Der Fall

Die Beteiligten streiten für den Zeitraum ab 03/2017, ob und ggf. in welcher Höhe der Antragsgegner verpflichtet ist, dem Antragsteller Unterhalt zu leisten.

Der einkommens- und vermögenslose Antragsteller ging am 19.8.2014 aus der geschiedenen Ehe der Kindsmutter und des Antragsgegners hervor. Die Eltern des Antragstellers trennten sich Ende 08/2016 voneinander und betreuten diesen zunächst im Rahmen eines paritätischen Wechselmodells. Der Antragsgegner wurde arbeitslos, bis er zum 1.3.2017 eine neue Arbeitsstelle fand, wohin er zeitgleich umzog und wo er seither in abhängiger Beschäftigung für verschiedene Arbeitgeber – unterbrochen durch eine Arbeitslosigkeit von 19.09. bis 31.12.2019 – tätig ist und zur Miete wohnt. Seit jenem Umzug lebt der Antragsteller bei der Mutter, der durch Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – die Alleinsorge für diesen übertragen wurde.

Der Antragsteller bezieht seit 03/2017 Leistungen nach dem UVG. Der Antragsgegner wurde vom Anspruchsübergang in Höhe der erbrachten UVG-Leistungen – und der fehlenden Befreiungswirkung von Zahlungen an den Antragsteller in dieser Höhe – unterrichtet. Mit weiterem Schreiben wurde vom Antragsgegner Auskunft über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse. Mit Rückübertragungsvertrag, den die Mutter in gesetzlicher Vertretung des Antragstellers abschloss, wurden die übergegangenen und noch übergehenden Unterhaltsansprüche des Antragstellers gegen den Antragsgegner auf den Antragsteller zurück übertragen.

II. Die Entscheidung

Das Oberlandesgericht Saarbrücken misst der Beschwerde lediglich einen verhältnismäßig geringfügigen Teilerfolg zu.

Zur Zulässigkeit der Beschwerde führt es aus, dass die Mutter den Antragsteller bei der Geltendmachung seiner Unterhaltsansprüche gegen den Antragsgegner gesetzlich wegen § 1629 Abs. 1 S. 3 BGB alleine vertritt, nachdem sie die alleinige elterliche Sorge für den Antragsteller innehat.

Seinen Beschl. v. 23.2.2021 begründet das Oberlandesgericht Saarbrücken wie folgt:

Barunterhalt

Das Unterhaltsbegehren des Antragstellers ist auch nahezu in dem Ausmaß begründet, in dem das Familiengericht dies angenommen hat. Unstreitig steht dem Antragsteller dem Grunde nach gegen den Antragsgegner ein Anspruch auf Barunterhalt zu (§ 1601 i.V.m. § 1589 Abs. 1 S. 1 BGB). Ohne Erfolg beruft sich der Antragsgegner darauf, dass der Antragsteller zur Geltendmachung dieses Unterhaltsanspruchs nicht aktivlegitimiert sei, weil dieser auf das Saarland übergegangen und der Rückübertragungsvertrag unwirksam sei. Denn das Familiengericht hat mit wohlerwogener Begründung, auf die Bezug genommen und die durch das Beschwerdevorbringen nicht ansatzweise entkräftet wird, in Übereinstimmung mit der jüngsten höchstrichterlichen Rechtsprechung angenommen, dass das Vertretungsrecht nach § 1629 Abs. 2 S. 2 BGB zwar nicht die Befugnis des Obhutselternteils umfasst, für sein Kind eine Vereinbarung über die Rückübertragung der Unterhaltsansprüche zu schließen, die Mutter indessen – nunmehr als alleinige gesetzliche Vertreterin des Antragstellers – den mithin wegen § 177 BGB schwebend unwirksamen Rückübertragungsvertrag (§ 7 Abs. 4 S. 3 UVG) – nach Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge – jedenfalls durch die Einreichung des Antrags im vorliegenden Verfahren konkludent genehmigt hat.

Barunterhaltsbedarf des Antragstellers

Für den Barunterhaltsbedarf des Antragstellers haftet der Antragsgegner alleine, da die Mutter ihre Unterhaltspflicht durch die Pflege und Erziehung des Antragstellers erfüllt (§ 1606 Abs. 3 S. 2 BGB). Vergebens macht der Antragsgegner – sinngemäß – geltend, dass sich der Unterhaltsbedarf des Antragstellers im gesamten Unterhaltszeitraum nach den ehelichen Lebensverhältnissen richtet, die bis zur Trennung der Eltern bestanden haben, sodass auf sein vormals erzieltes Monatsnettoeinkommen von rund 2.075 EUR abzustellen sei.

Denn der Bedarf bemisst sich beim Kindesunterhalt gemäß § 1610 Abs. 1 BGB nach der Lebensstellung des Kindes, die es regelmäßig bis zum Abschluss seiner Ausbildung von den Eltern ableitet. Auch beim Unterhalt minderjähriger Kinder kommt es auf die Lebensstellung beider Eltern an. Dabei ist die Unterhaltspflicht aber auf den Betrag begrenzt, den der barunterhaltspflichtige Elternteil aufgrund des von ihm erzielten Einkommens zahlen muss. Der Kindesunterhalt kann daher in der – hier vorliegenden – Fallkonstellation des sogenannten Residenzmodells in der Regel aufgrund des vom Barunterhaltspflichtigen jeweils aktuell erzielten Einkommens ermittelt werden. Die vom Antragsgegner ins Feld geführte Begrenzung des Kindesunterhaltsanspruchs durch die vormaligen ehelichen Lebensverhältnisse der Eltern ist dem Verwandtenunterhalt fremd; ebenso wenig können die höheren Lebenshaltungskosten eine Begrenzung des Unterhaltsbedarfs des Antragstellers rechtfertigen.

Düsseldorfer Tabelle

Zur Bemessung des angemessenen Unterhalts im Sinne von § 1610 BGB wird nach einhelliger Praxis der Familiengerichte und -senate die Düsseldorfer Tabelle verwendet. Diese dient als Richtlinie, um ausgerichtet an den wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern und dem Alter des Kindes eine gleichmäßige Behandlung gleicher Lebenssachverhalte zu ermöglichen, und ist vom Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung gebilligt worden.

Die Unterhaltsbedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle sind auf allgemeiner Erfahrung beruhende Richtsätze, die dem Rechtsanwender die Ausfüllung des unbestimmten Rechtsbegriffs des „angemessenen Unterhalts“ erleichtern sollen. Der Höhe nach sind sie auf den Durchschnittsfall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige zwei Unterhaltsberechtigten ohne Rücksicht auf den Rang Unterhalt zu gewähren hat. Weil die Werte nur Hilfsmittel für die Unterhaltsbemessung sind, ist das mit ihrer Hilfe gewonnene Ergebnis nach den jeweiligen Umständen des Einzelfalls stets auf seine Angemessenheit und Ausgewogenheit hin zu überprüfen. Hierzu hält die Düsseldorfer Tabelle die Möglichkeit der Herauf- oder Herabstufung nach der Anzahl der Unterhaltsberechtigten bzw. mittels der Bedarfskontrollbeträge bereit. Liegt eine über- oder unterdurchschnittliche Unterhaltsbelastung mit mehr oder weniger Unterhaltsberechtigten vor, soll durch eine Höher- oder Niedrigergruppierung in den Gehaltsstufen oder durch Bildung von individuell geschätzten Zu- oder Abschlägen eine den Besonderheiten des Falles angemessene Unterhaltsbemessung erreicht werden.

Leistungsfähigkeit

Ein Kindesunterhaltsanspruch gegen einen nach § 1601 BGB unterhaltsverpflichteten Elternteil setzt neben Unterhaltsbedarf (§ 1610 BGB) und Bedürftigkeit (§ 1602 BGB) voraus, dass der Unterhaltsverpflichtete während des Unterhaltszeitraums nicht leistungsunfähig war (§ 1603 BGB). Dementsprechend trifft das Kind die Darlegungs- und Beweislast bezüglich des Unterhaltsbedarfs und seiner Bedürftigkeit während des streitbefangenen Unterhaltszeitraums. Dagegen hat der Verpflichtete seine etwa mangelnde oder eingeschränkte Leistungsfähigkeit darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen. Die Darlegungs- und Beweislast des Unterhaltsberechtigten für seinen Unterhaltsbedarf erfährt nur dann eine Einschränkung, wenn er sich auf den jeweils gesetzlich festgelegten Mindestbedarf beschränkt, der nach heutiger Rechtslage in § 1612a Abs. 1 Satz 2 BGB als Mindestunterhalt festgelegt ist; in dessen Höhe ist das Kind von einer Darlegung seines Unterhaltsbedarfs befreit.

Konkretisierung von § 1610 BGB

Nach Maßgabe dessen benachteiligt es den Antragsgegner nicht, dass das Familiengericht den Unterhaltsbedarf des Antragstellers, den es beanstandungsfrei unter Anwendung der vom Senat in ständiger Übung zwecks Konkretisierung von § 1610 BGB herangezogenen Düsseldorfer Tabelle mit jeweiligem Stand bestimmt hat, der Düsseldorfer Tabelle entnommen hat. Denn der Antragsteller hat insoweit dargelegt und – soweit erforderlich – bewiesen, dass sein Bedarf diesen Einkommensgruppen entspricht. Den hiergegen gerichteten Angriffen des Antragsgegners bleibt im Ergebnis der Erfolg versagt. Anders ist die Lage im Zeitraum 01/2019 bis 10/2020.

Vorjahresdurchschnittseinkommen

Ist ein Unterhaltsjahr abgeschlossen und vollständig dokumentiert, so ist auf der Grundlage dieser belegten Zahlen – und nicht auf der Basis derjenigen des Vor- oder Folgejahres – zu rechnen, während für ein laufendes, im Entscheidungszeitpunkt nicht abgeschlossenes Unterhaltsjahr – vorbehaltlich dargelegter Änderungen – das Vorjahresdurchschnittseinkommen fortgeschrieben werden kann.

Für 09/2019 hat der Antragsgegner vorgetragen, von seinem Gehalt habe ein unbegründeter Abzug in Höhe von 1.156,83 EUR stattgefunden, dessen Nachzahlung aufgrund der Insolvenz der Firma nahezu ausgeschlossen sei. Diesen Tatsachenvortrag hat der Antragsteller in der Folgezeit nicht bestritten. Soweit das Familiengericht davon abweichend auf dem Boden der Meldung zur Sozialversicherung und des Gehaltsnachweises des Antragsgegners unterstellt hat, der Antragsgegner habe auch in 09/2019 ein volles Gehalt erhalten, kann dies keinen Bestand haben. Denn mangels wirksamen Bestreitens kommt es weder auf den Grad der Wahrscheinlichkeit der Behauptung des Antragsgegners noch darauf an, dass dieser keinen Kontoauszug über den Zahlungszufluss für 09/2019 vorgelegt hat.

Fiktives Einkommen

Hingegen dringt nach dem sich dem Senat im Beschwerdeverfahren zuletzt darbietenden Sach- und Streitstand die Rüge des Antragsgegners, das Familiengericht habe ihm zu Unrecht im Zeitraum 10 bis 12/2019 fiktiv ein Einkommen in Höhe von 3.800 EUR netto zugerechnet, nicht durch. Denn der Antragsgegner hat nicht ausreichend substantiiert dargestellt, dass der Verlust seines Arbeitsplatzes nicht unterhaltsrechtlich leichtfertig gewesen ist. Er hat zwar einen Kündigungsschutzklageschriftsatz – aus dem hervorgeht, dass ihm ordentlich gekündigt worden sei – und den (geänderten) Arbeitslosengeldbescheid vorgelegt. Aus letzterem ist auch ersichtlich, dass dem Antragsgegner Arbeitslosengeld ab dem 1.10.2019 bewilligt, ihm also insbesondere keine Sperrfrist auferlegt worden war.

Indessen hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 14.1.2021 ausdrücklich und wirksam bestritten, dass der Antragsgegner tatsächlich ein Kündigungsschutzverfahren durchgeführt hat. Es sei zwar die Kopie einer Klageschrift vorgelegt; dass diese tatsächlich beim Arbeitsgericht Frankfurt eingereicht worden und ein entsprechendes Verfahren In Gang gekommen sei, ergebe sich daraus nicht. Bezeichnenderweise teile der Antragsgegner auch das gerichtliche Aktenzeichen nicht mit und mache keinerlei Angaben zum Gang des Verfahrens und ob und mit welchem Ergebnis es inzwischen beendet worden sei.

Gehaltssteigerungen seit 2019

Vergebens macht der Antragsgegner geltend, dass die erheblichen Gehaltssteigerungen seit 2019 außer Ansatz bleiben müssten, weil er diese lediglich aufgrund eines Karrieresprungs aufgrund über die normal zu erwartende und vertraglich vereinbarte Leistung hinausgehende, mit privatem Verzicht erkaufte Anstrengungen erreicht habe. Allerdings ist auch beim Verwandtenunterhalt (§ 1601 BGB) das Einkommen des Unterhaltspflichtigen nur eingeschränkt zu berücksichtigen, wenn es auf einer überobligatorischen Tätigkeit beruht und eine vollständige Heranziehung des Einkommens zu Unterhaltszwecken gegen Treu und Glauben nach § 242 BGB verstieße. Überobligatorisch ist eine Tätigkeit dann, wenn für sie keine oder nur eine eingeschränkte Erwerbsobliegenheit besteht und deshalb derjenige, der sie ausübt, unterhaltsrechtlich nicht daran gehindert ist, sie jederzeit zu beenden oder zu reduzieren. Einkünfte aufgrund geleisteter Überstunden sind dabei grundsätzlich in vollem Umfang anzusetzen. Denn sie bleiben ausnahmsweise nur dann ganz oder teilweise unberücksichtigt, wenn sie auf einer überobligatorischen, nicht berufsüblichen Tätigkeit beruhen, wobei Überstunden- oder Mehrarbeitsvergütungen einschließlich etwaiger Zuschläge jedenfalls dann zum unterhaltsrechtlich maßgeblichen Einkommen gehören, wenn die Mehrarbeit in geringem Umfang – bis zu 10 % der regulären Arbeitszeit – anfällt oder wenn sie im ausgeübten Beruf üblich ist. Hieran gemessen hat der Antragsgegner nicht ansatzweise substantiiert dargestellt, welche überobligatorischen Anstrengungen insbesondere in zeitlicher Hinsicht er unternommen haben will, aufgrund derer er sich die Gehaltssteigerungen verdient hat. Dabei ist zu berücksichtigen, dass intensive Anstrengungen im ausgeübten Beruf bereits aufgrund der Erwerbsobliegenheit geschuldet werden und Überstunden gerade dann berufsüblich sind, wenn der abhängig Beschäftigte – wie hier der Antragsgegner – ein monatliches Pauschalgehalt erhält, das nicht auf Stundenbasis errechnet wird.

Bereinigung des Monatsnettoeinkommens

Gemäß der unangefochtenen und rechtsbedenkenfreien Handhabung des Familiengerichts ist das Monatsnettoeinkommen des Antragsgegners um den Aufwand für ergänzende Altersvorsorge zu bereinigen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs wird aus unterhaltsrechtlicher Sicht die zusätzliche Altersvorsorge beim Kindesunterhalt einkommensmindernd berücksichtigt, solange der Mindestunterhalt gewahrt bleibt. Das gilt unabhängig davon, ob eine solche Vorsorge bereits während des Zusammenlebens betrieben oder erst nach der Trennung aufgenommen worden ist. Ein fiktiver Abzug für ergänzende Altersvorsorge kommt nach höchstrichterlicher, vom Senat geteilter Rechtsprechung nicht in Betracht; stets ist Voraussetzung, dass die Aufwendungen tatsächlich geleistet werden. Hat der Unterhaltsschuldner dies nicht dargelegt, kommt ein fiktiver Abzug für eine zusätzliche Altersversorgung nicht in Betracht.

[Ausführungen zur konkreten Höhe der einkommensmindernd zu berücksichtigenden Altersvorsorgeaufwendungen]

Umzugskosten

Die vom Antragsgegner geltend gemachten, im Jahr 2017 angefallenen Umzugskosten nach F. sind zwar im rechtlichen Ausgangspunkt als berufsbedingter Aufwand beachtlich, nachdem sie unstreitig dadurch veranlasst gewesen sind, dass der Antragsgegner eine recht weit von seinem bisherigen Arbeitsort entfernt liegende, neue Arbeitsstelle angetreten hat. Allerdings müssen sie konkret nachgewiesen und steuerliche Vorteile angerechnet werden. Der Antragsgegner hat die Umzugskosten bereits nicht substantiiert dargetan, sondern sie lediglich in eine Tabelle aufgenommen, die seiner Antragserwiderung beigefügt ist, und sie dort völlig pauschal beziffert. Dies genügt schon nicht den höchstrichterlichen Anforderungen an beachtlichen Sachvortrag, da es nicht Aufgabe des Tatrichters ist, sich wesentlichen Vortrag der Beteiligten aus den eingereichten Anlagen zusammenzusuchen.

Miete

Soweit der Antragsgegner in den Monaten 03 bis 05/2017 unstreitig noch den Mietzins für die vormals ehegemeinsame Mietwohnung absetzen möchte, käme eine Berücksichtigung dieser Aufwendungen allenfalls als Kosten doppelter Haushaltsführung in Betracht, nachdem der Antragsgegner ausweislich des von ihm selbst vorgelegten Mietvertrages seit 03/2017 eine Wohnung an seinem Beschäftigungsort unterhalten hat. Die Anerkennung des Aufwandes für doppelte Haushaltsführung setzt indessen voraus, dass sowohl deren Begründung als auch ihre Aufrechterhaltung notwendig gewesen ist.

Der Antragsteller hat unwidersprochen dargestellt und belegt, dass die Kindesmutter bereits 08/2016 aus dieser vormalig gemeinsamen Wohnung ausgezogen ist und sie damals beim Vermieter angefragt hatte, ob sie aus dem Mietvertrag entlassen werden könne. Unstreitig hat der Vermieter ihr daraufhin einen vorbereiteten Änderungsvertrag geschickt, den sie unterschrieben und an diesen weitergeleitet hat. Durch vom Antragsteller vorgelegte Quittung der Vermieter ist außerdem die in der Beschwerdebegründung aufgestellte Behauptung des Antragsgegners, die Mutter habe während der gesamten Mietzeit durch eigene Schlüssel Zugang zur Wohnung gehabt, widerlegt; denn in dieser Quittung wird bestätigt, dass die Mutter den Vermietern je einen Haustür-, Wohnungs-, Briefkasten- und Garagenschlüssel ausgehändigt hat.

Prozesskosten

Nichts Anderes gilt, soweit der Antragsgegner ihm entstandene Prozesskosten einkommensmindernd anerkannt wissen will. Zwar sind solche Kosten – unter Ausnahme allerdings derjenigen, die in Unterhaltsverfahren gegen den Unterhaltsberechtigten entstehen, weil dieser sonst über seinen Unterhalt diese Kosten mitfinanzieren würde – grundsätzlich, wenn sie nicht mutwillig entstanden sind, abzugsfähig, sodass im rechtlichen Ansatzpunkt insbesondere die Kosten für das Scheidungsverfahren und Kosten eines Kündigungsschutzprozesses im Prinzip anerkennungsfähig sind. Auch hinsichtlich dieser Kosten fehlt es an einer substantiierten Darlegung, nachdem der Antragsgegner in der Beschwerdeschrift lediglich Gesamtkosten aller Verfahren angegeben, diese aber nicht aufgegliedert hat, sodass der Senat, wie in der Beschwerdeverhandlung ausgeführt, nicht in der Lage ist, die nach Ausscheiden der nicht berücksichtigungsfähigen Verfahrenskosten verbleibenden Kosten zu errechnen. Keiner Vertiefung bedarf danach noch, dass der Antragsgegner auch diese Kosten mangels gegenteiliger Darstellung seinerseits nicht aus laufendem Einkommen, sondern wohl aus seinem Vermögen aufgebracht hat.

Der erhöhte Mietaufwand des Antragsgegners rechtfertigt keine Kürzung des unterhaltsrechtlichen Einkommens des Antragsgegners. Soweit der Antragsgegner den Wohnkostenanteil, der in die Selbstbehaltssätze der Düsseldorfer Tabelle eingearbeitet ist, als Grenze ansieht und seinen darüber hinausgehenden Mietaufwand einkommensmindernd berücksichtigt wissen will, verkennt er, dass diese Grundsätze nur für den – nicht gegebenen – Mangelfall gelten. Ansonsten ist der Mietaufwand allgemeiner Lebensbedarf, den der Unterhaltspflichtige aus den ihm nach Unterhaltszahlung verbleibenden Einkünften zu bestreiten hat, zumal hier durchgehend der Bedarfskontrollbetrag der Düsseldorfer Tabelle gewahrt bleibt.

KfW-Darlehen/BAFöG-Leistungen

Nach der unangefochtenen Handhabung des Familiengerichts ist das KfW-Darlehen abzusetzen. Die Rückzahlung der dem Antragsgegner bewilligten BAFöG-Leistungen ist nunmehr zweitinstanzlich belegt. Diese Schuld ist – allemal auf der Ebene der Bedarfsermittlung – berücksichtigungswürdig, weil minderjährige Kinder sich grundsätzlich jedenfalls außerhalb des Mangelfalls diejenigen Kreditverbindlichkeiten entgegenhalten lassen müssen, die in der Zeit des Zusammenlebens der Eltern zum Zwecke gemeinsamer Lebensführung – und nicht lediglich zur Wahrnehmung persönlicher Bedürfnisse des Unterhaltspflichtigen – eingegangen worden sind. Hinzu kommt, dass der Antragsteller per Saldo in Form höherer Unterhaltsansprüche an den besseren Einkommensverhältnissen teilhat, die der Antragsgegner durch sein Studium erreicht hat.

Dass der Antragsgegner die BAFöG-Schuld nicht in gesetzlich vorgeschriebener Ratenhöhe von 315 EUR vierteljährlich, sondern im Wege einer Einmalzahlung von 4.133,27 EUR zurückgeführt hat, rechtfertigt vorliegend keine andere Sicht; denn dies hat zu einem nicht unerheblichen Nachlass der zur Rückzahlung offenstehenden Schuld geführt, was ebenfalls im Unterhaltsinteresse des Antragstellers gelegen hat. Soweit der Antragsgegner die Kosten für seine Risikolebensversicherung geltend macht, verfängt dies nicht. Denn diese dient weder der Vermögensbildung noch der Altersvorsorge. Ihre Berücksichtigung kommt allenfalls in Betracht, wenn sie eine Hausfinanzierung oder – verbunden mit einer Berufsunfähigkeitszusatzversicherung – den Ausfall der Arbeitskraft absichert.

Private Personen- und Sachversicherungen

Ebenso wenig kommt ein Abzug der vom Antragsgegner behaupteten Kosten für seine private Haftpflicht-, Rechtsschutz- und Hausratversicherung in Betracht. Denn nach ständiger höchstrichterlicher und Senatsrechtsprechung sind solche privaten Personen- und Sachversicherungen dem allgemeinen Lebensbedarf zuzuordnen und daher aus dem Selbstbehalt zu bestreiten.

Anders ist die Lage hingegen hinsichtlich der Kosten der privaten Krankenzusatzversicherung des Antragsgegners. Diese sind beim Kindesunterhalt auch zugunsten eines gesteigert unterhaltspflichtigen Elternteils berücksichtigungsfähig, wenn hierdurch der Mindestunterhalt für ein minderjähriges Kind nicht gefährdet wird.

[Darstellung der konkreten monatlichen Einkünfte des Antragsgegners]

III. Der Praxistipp

Die vorliegende Entscheidung ist für den Praktiker unter dem Gesichtspunkt interessant, dass sich das OLG Saarbrücken mit einzelnen Themen bzw. Positionen im Rahmen der Einkommensermittlung beim Unterhaltsschuldner auseinandersetzt, die regelmäßig in erstinstanzlichen Verfahren problematisch sind. Von praktischem Interesse ist insbesondere die einkommenserhöhende – oder eben nicht – Berücksichtigung von Überstunden und Umzugskosten, sofern der Wohnort in die Nähe zur Arbeitsstätte verlagert, und so der Erwerbsaufwand des Unterhaltsschuldners verringert wird. Aber auch die Frage der einkommensmindernden Berücksichtigung von Umzugskosten, des Aufwands für eine doppelte Haushaltsführung sowie der Kosten eines Scheidungs- oder Kündigungsschutzverfahrens sind von praktischem Interesse.

Die Thematik, ob ein erhöhter Mietaufwand des Unterhaltsverpflichteten eine Kürzung des unterhaltsrechtlichen Einkommens gestattet, ist im Hinblick auf den hohen Kostenanteil der Selbstbehaltssätze der Düsseldorfer Tabelle geklärt. Gleiches gilt für die Frage, dass die Rückzahlung eines BAföG-Darlehens auch beim Kindesunterhalts berücksichtigungswürdig ist.

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