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Herabstufung in der Düsseldorfer Tabelle bei Deckung des Wohnbedarfs durch Naturalleistung; Nachhilfe als Mehr-, kieferorthopädische Behandlung als Sonderbedarf

1. Deckt der barunterhaltspflichtige Elternteil den Wohnbedarf eines Kindes durch die (teilweise) Überlassung einer ihm zu 60 % gehörenden Wohnung an den betreuenden Elternteil, so rechtfertigt dies eine Herabstufung um eine Einkommensgruppe in der Düsseldorfer Tabelle, die einen Wohnkostenanteil von etwa 20 % für den Kindesunterhalt enthält; die Herabstufung erfolgt jedenfalls dann, wenn der betreuende Elternteil und weitere Miteigentümer keinen Ehegattenunterhalt geltend macht und keinen Nutzungsentschädigungsansprüchen ausgesetzt ist.

2. Regelmäßige Nachhilfe begründet einen unterhaltsrechtlich beachtlichen Mehrbedarf, wenn sachliche Gründe vorliegen, die sie als angemessene Kosten der Ausbildung erscheinen lassen oder der Unterhaltsschuldner mit ihr einverstanden war.

3. Eine kieferorthopädische Maßnahme (hier: Verordnung sogenannter Speed Brackets) kann auch ohne medizinische Notwendigkeit einen unterhaltsrechtlich beachtlichen Mehrbedarf begründen, wenn sie die Behandlungsdauer um drei Monate verkürzt, eine bessere Zahnreinigung während der Therapie gewährleistet, nach den Einkommensverhältnissen der Beteiligten und dem vom Unterhaltsschuldner für sich selbst beanspruchten Krankenversicherungsschutz angemessen erscheint.

OLG Frankfurt, Beschl. v. 26.6.2020 – 4 UF 176/19

I. Der Fall

Die getrennt lebenden Beteiligten streiten um Kindesunterhalt für die drei aus ihrer Ehe hervorgegangenen minderjährigen Kinder. Die Antragstellerin begehrt eine Erhöhung der auf 115 Prozent des Mindestunterhalts lautenden Unterhaltstitel und macht Mehr- bzw. Sonderbedarf für außerschulischen Förderunterricht und eine kieferorthopädische Behandlung geltend.

Die Kinder sind in der gesetzlichen Krankenversicherung über die Antragstellerin mitversichert. Der Antragsgegner trägt die monatlichen Beiträge von 34,11 EUR für eine Unfallversicherung der gesamten Familie sowie von 45,30 EUR für die Gebäudeversicherung der von der Antragstellerin und den Kindern bewohnten Immobilie. Deren sich aus dem Mietspiegel der Stadt2, dessen Anwendung die Stadt1 empfiehlt, ergebender Kaltmietwert beläuft sich auf 1.720,45 EUR.

Beide Beteiligte legen die Strecke zwischen ihren Wohnorten in Stadt1 und ihren Arbeitsplätzen in Stadt3 wie schon während des Zusammenlebens mit dem Kraftfahrzeug zurück. Die einfache Entfernung zwischen dem Wohnort des Antragsgegners und seinem Arbeitsplatz beträgt ausweislich der im Internet abrufbaren Routenplaner 19 km (über die (Straße1), die einfache Entfernung zwischen dem Wohnort der Antragstellerin und ihrem Arbeitsplatz 22 km (ebenfalls über die Straße1). Für die Finanzierung des von der Antragstellerin genutzten Fahrzeugs, über dessen Eigentum die Beteiligten ebenso streiten wie über das Eigentum an dem vom Antragsgegner genutzten Fahrzeug, zahlt der Antragsgegner monatliche Raten von 210 EUR. Beide Beteiligten tragen im Übrigen die Betriebskosten einschließlich der Kosten für Steuer und Versicherung des jeweils von ihnen genutzten und auf sie zugelassenen Fahrzeugs selbst. Auf einen aus der Überziehung des gemeinsamen Girokontos der Beteiligten resultierenden Kredit, über dessen Tilgung sich die Beteiligten nicht einigen können, zahlt der Antragsgegner monatliche Zinsen von 38,87 EUR. Der Antragsgegner ist Eigentümer einer geerbten Immobilie in Stadt4, aus deren Vermietung er im Jahr 2014 ausweislich des vorgelegten Einkommenssteuerbescheids Einkünfte von 1.389 EUR nach Abzug von Abschreibungen auf den Gebäudewert in Höhe von 1.435 EUR erzielte. Für Erhaltungs- und Renovierungsaufwendungen nahm der Antragsgegner in den Jahren 2011 und 2017 Darlehen auf, die er mit monatlichen Zins- und Tilgungsraten von gerundet 248 EUR bzw. 131 EUR bedient. Bis zum 30.4.2017 war die gesamte Immobilie an eine Stiftung vermietet. Derzeit, und zwar seit dem 1.9.2017, ist lediglich die Erdgeschosswohnung des Hauses für einen monatlichen Kaltmietzins von 252 EUR vermietet. Die Wohnung im ersten Obergeschoss und das Dachgeschoss stehen leer; die Beteiligten streiten über deren Vermietbarkeit. Der Einkommenssteuerbescheid für 2017 weist Verluste aus Vermietung und Verpachtung von 835 EUR nach Abzug linearer Abschreibungen auf den Gebäudewert in Höhe von 1.299 EUR aus. Der Einkommenssteuerbescheid für 2018 weist Verluste aus Vermietung und Verpachtung von 1.232 EUR aus. Die aus den genannten Einkommenssteuerbescheiden resultierenden Einkommenssteuererstattungen von 2.182,39 EUR bzw. 2.117,66 EUR flossen dem Antragsgegner im Jahr 2019 zu. Das ihm gehörende Ackerland hat der Antragsgegner im Jahr 2017 für 5.055,60 EUR verkauft, ein weiteres Gartengrundstück im Jahr 2019 für 600 EUR; die zuvor erzielte jährliche Pacht belief sich nach Angaben des Antragsgegners auf 25 EUR für das Ackerland und auf 65 EUR für das Gartengrundstück. An den Kosten der Klassenfahrten der gemeinsamen Kinder beteiligt der Antragsgegner sich hälftig.

Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Amtsgericht sämtliche Anträge der Antragstellerin zurück. Zur Begründung führt es aus, selbst mit dem von der Antragstellerin errechneten bereinigten monatlichen Nettoeinkommen von zuletzt 4.500,09 EUR schulde der Antragsgegner keinen höheren Unterhalt als 115 Prozent des Mindestunterhalts, weil wegen der Unterhaltsverpflichtung gegenüber drei Kindern und der teilweisen Deckung des Wohnbedarfs der Kinder durch den Antragsgegner eine Herabstufung um zwei Einkommensgruppen vorzunehmen sei. Der geltend gemachte Mehrbedarf sei schon deshalb nicht schlüssig dargelegt, weil die insoweit ebenfalls barunterhaltspflichtige Antragstellerin ihre eigenen Einkünfte nicht dargelegt habe, weshalb die von ihr in Ansatz gebrachte Mehrbedarfsquote nicht nachvollzogen werden könne. Außerdem datierten sämtliche den Mehrbedarf der Kinder begründenden Atteste und Schreiben aus den Jahren 2015 und 2016 und seien nicht geeignet, ein Fortbestehen des Bedarfs in den Jahren 2017 und 2018 zu begründen. Die medizinische Notwendigkeit der durch die Verwendung sogenannter Speed-Brackets veranlassten Zusatzkosten der kieferorthopädischen sei ebenfalls nicht dargelegt.

Mit ihrer am 1.7.2019 beim Amtsgericht eingegangenen und innerhalb der verlängerten Frist zur Beschwerdebegründung begründeten Beschwerde gegen den ihr am 3.6.2019 zugestellten Beschluss verfolgt die Antragstellerin ihr ursprüngliches Begehren weiter. Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt sie im Wesentlichen vor, dem Antragsgegner seien Einkünfte in Höhe der im Falle einer vollständigen Vermietung des Hauses in Stadt4 erzielbaren Mieteinkünfte von rund 800 EUR zuzurechnen. Die angefochtene Entscheidung berücksichtige außerdem nicht die vom Antragsgegner bezogenen Steuererstattungen. Für das Erreichen seines Arbeitsplatzes sei er auf die Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel zu verweisen. Jedenfalls könne er nicht die Fahrtkostenpauschale und die Finanzierungskosten des von der Antragstellerin genutzten Fahrzeugs geltend machen. Dieses stehe nämlich in seinem Eigentum, während das von ihm genutzte Fahrzeug, für welches keine Finanzierungskosten anfielen, in ihrem Eigentum stehe. Einen Tausch der beiden Fahrzeuge verweigere er. Schließlich sei auch die vom Amtsgericht vorgenommene Herabstufung um eine weitere Einkommensgruppe wegen des vom Antragsgegner gedeckten Wohnbedarfs nicht gerechtfertigt; der Barbedarf der Kinder werde dadurch nicht geschmälert. Ihr eigenes bereinigtes Einkommen unterschreite dasjenige des Antragsgegners, weshalb die von ihr geforderte hälftige Beteiligung des Antragsgegners am Mehrbedarf gerechtfertigt sei. Der aus der kieferorthopädischen Behandlung resultierende Sonderbedarf sei angemessen, weil der Antragsgegner selbst im Rahmen seiner privaten Krankenversicherung Wahlleistungen in Anspruch nehme. Kind1, der noch in der Grundschule ein Nachteilsausgleich bewilligt worden sei, habe ihre guten Noten nur der Fortführung der vom Antragsgegner selbst zuletzt im Jahr 2015 veranlassten außerschulischen Förderung zu verdanken. Ihre Leistungen gemäß der Hamburger Schreibprobe seien unterdurchschnittlich gewesen. Sie besuche ab dem kommenden Schuljahr die gymnasiale Oberstufe und erhalte dort wegen einer beim Eingangstest festgestellten Schwäche im Fach Deutsch eine spezielle Förderung. Kind2 leide sowohl unter einer Lese-Rechtschreib-Schwäche als auch unter einer Aufmerksamkeitsstörung, was der Antragsgegner zuletzt im Februar 2019 in einem Anamnesebogen des behandelnden Arztes bestätigt habe. Nur durch die außerschulische Förderung hätten seine Noten überhaupt auf das derzeitige Niveau gehoben werden können, wobei sein Leistungsniveau in Englisch weit unterdurchschnittlich sei.

II. Die Entscheidung

Der Senat hält die Beschwerde der Antragstellerin für teilweise begründet. Im Einzelnen führt der Senat folgendes aus:

Die Voraussetzungen einer Abänderung des in den Jugendamtsurkunden für den Zeitraum ab 04/2017 titulierten Elementarunterhalts oder einer Nachzahlung von Elementarunterhalt für den Zeitraum von 08/2016 bis 03/2017 sei nicht gegeben, weil der Antragsgegner im gesamten streitgegenständlichen Zeitraum keinen höheren als den titulierten bzw. gezahlten Elementarunterhalt von 115 Prozent des Mindestunterhalts schulde.

Der Antragsgegner verfüge ausweislich der Bezügemitteilung für 05/2020 aktuell über ein gesetzliches monatliches Nettoeinkommen von 4.335,83 EUR. Dieses sei um die dort ausgewiesene vermögenswirksame Anlage von 40 EUR (vgl. Ziffer 10.1 und 10.6 der Unterhaltsgrundsätze des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, Stand 1.1.2020, veröffentlicht unter www.hefam.de) und die ebenfalls dort ausgewiesenen Beiträge von 12,80 EUR zum Berufsverband des Antragsgegners zu bereinigen (vgl. Ziffer 10.2 der Unterhaltsgrundsätze). Des Weiteren seien die monatlichen Beiträge von 225,19 EUR zur privaten Kranken- und Pflegeversicherung in Abzug zu bringen (vgl. Ziffer 10.1 der Unterhaltsgrundsätze), außerdem die dem Antragsgegner durch seine Erwerbstätigkeit entstehenden Fahrtkosten (vgl. Ziffer 10.2.2 der Unterhaltsgrundsätze). Diese bemesse der Senat mit 209 EUR ausgehend von einer einfachen Fahrtstrecke von 19 km, 220 Arbeitstagen jährlich und einem Kilometersatz von 0,30 EUR. Auf eine Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel müsse sich der Antragsgegner deshalb nicht verweisen lassen, weil er den Weg zur Arbeit auch während des Zusammenlebens der Beteiligten mit dem eigenen Kraftfahrzeug zurückgelegt hat und weil kein Mangelfall vorliege.

Schließlich seien die monatlichen Beiträge von 34,11 EUR zur Familienunfallversicherung und von 45,30 EUR zur Wohngebäudeversicherung des von der Antragstellerin und den Kindern bewohnten Hauses sowie die monatlichen Zinsen von 38,87 EUR auf den von beiden Beteiligten gemeinsam in Anspruch genommenen Überziehungskredit und die monatlichen Zins- und Tilgungsraten von 210 EUR für die Finanzierung des von der Antragstellerin genutzten Fahrzeugs als berücksichtigungswürdige Verbindlichkeiten in Abzug zu bringen, weil diese Verbindlichkeiten der Antragstellerin und den Kindern gleichermaßen wie dem Antragsgegner oder sogar ausschließlich zugutekämen. Soweit sich die Antragstellerin eines Anspruchs auf Herausgabe des vom Antragsgegner genutzten (lastenfreien) Fahrzeugs Zug um Zug gegen Herausgabe des von ihr genutzten Fahrzeugs an ihn berühme, sei es ihr nicht gelungen, die zugunsten des jeweiligen Besitzers sprechende Eigentumsvermutung des § 1006 Absatz 1 Satz 1 BGB zu wiederlegen. Die Vorlage der an sie gerichteten Rechnung über den Kaufpreis für das vom Antragsgegner genutzte Fahrzeug reiche hierfür im Hinblick auf die erfolgte Zulassung beider Fahrzeuge auf den derzeitigen Besitzer und die Tragung der Betriebskosten durch den jeweiligen Besitzer nicht aus. Solange der Antragsgegner die Zins- und Tilgungsraten für die Finanzierung des Kaufpreises des von der Antragstellerin genutzten Fahrzeugs zahle, mindere dies daher sein unterhaltsrelevantes Einkommen.

Danach verbliebe ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 3.520,56 EUR.

Diesem seien die zu erwartende Steuererstattung und die Mieteinkünfte des Antragsgegners hinzuzurechnen. Der Antragsgegner habe für die Jahre 2017 und 2018 Einkommenssteuererstattungen von 2.182,39 EUR bzw. 2.117,66 EUR erhalten, deren Durchschnitt von 2.150,03 EUR bei weitgehend unveränderten Verhältnissen auch für das Veranlagungsjahr 2019 zu erwarten sei. Aus den Einkommenssteuerbescheiden ergebe sich unter Außerachtlassung der Gebäudewertabschreibungen von 1.299 EUR jährlich, die das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen wegen der gegenläufigen Entwicklung des Bodenwerts regelmäßig nicht schmälere (vgl. Ziffer 1.6 der Unterhaltsgrundsätze), Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung von 464 EUR im gesamten Jahr 2017 und von 67 EUR im gesamten Jahr 2018, im Durchschnitt also 265,50 EUR. Die monatlichen Einkünfte aus Steuererstattungen und Vermietung und Verpachtung beliefen sich damit auf 201,29 EUR. Fiktive Mieteinkünfte seien dem Antragsgegner nicht zuzurechnen. Im Hinblick auf die Höhe seiner Erwerbseinkünfte und die Höhe der aus einer Vollvermietung des Hausgrundstücks in Stadt4 im Jahr 2014 erzielten Einkünfte von ebenfalls nur 235,33 EUR monatlich nach Hinzurechnung der Gebäudewertabschreibungen treffe den Antragsgegner trotz seiner nach § 1603 Absatz 2 Satz 1 BGB gesteigerten Unterhaltspflicht gegenüber seinen minderjährigen Kindern keine Obliegenheit, die leer stehende Wohnung im Obergeschoss des Hauses in einen vermietbaren Zustand zu versetzen.

Die Zins- und Tilgungsleistungen auf die in den Jahren 2011 und 2017 für die Finanzierung von Erhaltungs- und Renovierungsaufwendungen aufgenommenen Darlehen schmälerten das Einkommen des Antragsgegners hingegen nicht. Die Schuldzinsen sein bei der Ermittlung der steuerlich in Ansatz zu bringenden Einkünfte bereits abgezogen worden. Die Tilgungsleistungen dienten der Finanzierung der bei der Ermittlung der steuerlich in Ansatz zu bringenden Einkünfte abgezogenen Erhaltungs- und Renovierungsaufwendungen. Würde man sowohl diese Aufwendungen als auch die Tilgungsleistungen in Abzug bringen, würde das zu einem doppelten Abzug der Erhaltungs- und Renovierungsaufwendungen führen. Nach Hinzurechnung monatlicher Einkünfte aus der Steuererstattung und aus Vermietung und Verpachtung von insgesamt 201,29 EUR verfüge der Antragsgegner damit über ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 3.721,85 EUR, was einem Einkommen nach Einkommensgruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle entspreche.

Da die Düsseldorfer Tabelle auf den Fall zugeschnitten sei, dass der Unterhaltspflichtige zwei Berechtigten zu Unterhalt verpflichtet sei, sei wegen der im vorliegenden Fall bestehenden Unterhaltspflicht gegenüber drei minderjährigen Kindern eine Herabstufung um eine Einkommensgruppe vorzunehmen (vgl. Ziffer 11.2 der Unterhaltsgrundsätze). In Literatur und Rechtsprechung umstritten sei bislang die Frage, wie sich der Umstand, dass der barunterhaltspflichtige Elternteil den Wohnbedarf eines Kindes ganz oder teilweise durch Naturalleistungen – hier die mietfreie Überlassung der dem Antragsgegner zu 60 Prozent gehörenden vormaligen Ehewohnung – decke, auf die Höhe des geschuldeten Barunterhalts auswirke. Teilweise werde vertreten, die Deckung des Wohnbedarfs schmälere den Barbedarf des Kindes nicht, weil dem ohnehin mietfrei beim betreuenden Elternteil wohnenden Kind hierdurch kein Nutzungsvorteil entstehe (vgl. OLG Brandenburg, Beschl. v. 18.12.2014 – 9 UF 182/12; OLG Koblenz FamRZ 2009, 891; so im Ergebnis wohl auch Wendl/Dose/Gerhardt, Das Unterhaltsrecht in der familienrechtlichen Praxis, 10. Aufl. 2019, Rn 573). Nach anderer Auffassung sei der Barunterhaltsanspruch des Kindes zu reduzieren, wenn der im Tabellenunterhalt enthaltene Anteil für Wohnbedarf durch die Zurverfügungstellung von Wohnraum durch den Unterhaltspflichtigen gedeckt sei (vgl. Scholz/Kleffmann/Doering-Striening/Erdrich, Praxishandbuch Familienrecht, Stand Mai 2019, Teil 1, Kindesunterhalt, Rn 121). Eine höchstrichterliche Entscheidung zu dieser Frage stehe noch aus. Der Bundesgerichtshof habe bislang nur entschieden, dass bei der Ermittlung des Bedarfs von Ehegatten beim Ehegattenunterhalt der volle Wohnvorteil des mietfrei mit den Kindern im Eigenheim lebenden Ehegatten in Ansatz zu bringen sei, wenn für die Kinder der volle Tabellenunterhalt gezahlt bzw. in Ansatz gebracht werde (vgl. BGH FamRZ 1989, 1160; FamRZ 1992, 425; FamRZ 2013, 191). Ob den Kindern tatsächlich der volle Tabellenunterhalt geschuldet werde, habe der Bundesgerichtshof in den zitierten Entscheidungen nicht entscheiden müssen. Er habe an anderer Stelle allerdings ausgeführt, dass ein Unterhaltspflichtiger einen Teil seiner Unterhaltsleistung dadurch erbringe, dass er seinem Kind die Wohnung zur Verfügung stelle (vgl. BGH FamRZ 2009, 343, Rn 16). Jedenfalls für den vorliegenden Fall, in welchem weder der betreuende Elternteil Ehegattenunterhalt noch der barunterhaltspflichtige Elternteil die Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Überlassung der gemeinsamen Wohnung an den betreuenden Elternteil geltend mache, schließe sich der Senat der vom Amtsgericht in der angefochtenen Entscheidung vertretenen Auffassung an, wonach eine Deckung des Wohnbedarfs des Kindes durch den barunterhaltspflichtigen Elternteil durch eine angemessene Herabstufung der für die Unterhaltshöhe maßgeblichen Einkommensgruppe zu berücksichtigen sei. Auf die Frage, ob den Kindern durch die Überlassung der Wohnung ein geldwerter Nutzungsvorteil erwachse, komme es dabei nach Auffassung des Senats nicht an. Entscheidend sei vielmehr, dass der im Tabellenunterhalt enthaltene Anteil für Wohnbedarf (teilweise) nicht anfalle, weil der Wohnbedarf bereits durch die (teilweise) Überlassung der Wohnung des barunterhaltspflichtigen Elternteils an den betreuenden Elternteil und die Kinder gedeckt sei. Im vorliegenden Fall halte der Senat im Hinblick auf den 60-prozentigen Eigentumsanteil des Antragsgegners an dem der Antragstellerin und den Kindern zur Nutzung überlassenen Hausgrundstück und einen im Tabellenunterhalt enthaltenen Wohnkostenanteil von etwa 20 Prozent eine Herabstufung um eine weitere Einkommensgruppe für angemessen. Der Antragsgegner sei damit in die Einkommensgruppe 4 der Düsseldorfer Tabelle einzugruppieren und schulde danach laufenden Barelementarunterhalt in Höhe des durch die Jugendamtsurkunden titulierten Unterhalts von 115 Prozent des Mindestunterhalts.

Aus dem Umstand, dass der Antragsgegner im Jahr 2019 die Einkommenssteuererstattung für 2017 und für 2018 bezogen habe, folge auch für das Jahr 2019 keine höhere Elementarunterhaltsverpflichtung. Selbst wenn man für das gesamte Jahr 2019 das jedenfalls ab Oktober 2019 bezogene monatliche gesetzliche Nettoeinkommen von 4.195,22 EUR zugrunde lege, stehe im Vergleich zur obigen Berechnung für das Jahr 2020 der zusätzlichen Einkommenssteuererstattung von umgerechnet 179,17 EUR monatlich ein um 140,61 EUR monatlich geringeres gesetzliches Nettoeinkommen gegenüber. Daraus folge bei im Übrigen unveränderten Verhältnissen ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 3.760,41 EUR, mit dem der Antragsgegner vor der vorzunehmenden Herabstufung ebenfalls in die Einkommensgruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle einzuordnen sein. Entsprechendes gelte für die Jahre 2016 bis 2018, in denen das gesetzliche Nettoeinkommen noch deutlich unter dem Betrag von 4.195,22 EUR monatlich gelegen habe. Dass der Antragsgegner im genannten Zeitraum höhere als die für die Veranlagungsjahre 2017 und 2018 erhaltenen Steuererstattungen vereinnahmt habe, habe die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Antragstellerin ebenso wenig dargelegt wie die Mieteinkünfte des Jahres 2016. Selbst wenn man für das Jahr 2016 im Hinblick auf die Vollvermietung des Hauses in Stadt4 von Mieteinkünften in Höhe der im Jahr 2014 erzielten Mieteinkünfte von 235,33 EUR monatlich statt der für das Jahr 2020 berücksichtigten Mieteinkünfte von 22,13 EUR monatlich ausgehe, stehe dem im Vergleich zum Jahr 2020 ein um 570,33 EUR monatlich geringeres gesetzliches Nettoerwerbseinkommen (3.765,50 EUR statt 4.335,83 EUR) gegenüber. Bei im Übrigen unveränderten Verhältnissen folge daraus ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 3.364,72 EUR, mit welchem der Antragsgegner damals ebenfalls in die Einkommensgruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle einzugruppieren gewesen sei. Nach der gebotenen Herabstufung um zwei Einkommensgruppen ergebe sich auch daraus ein Barunterhalt in Höhe von 115 Prozent des Mindestunterhalts. Selbst wenn die vom Antragsgegner im Jahr 2016 noch erzielten Pachteinkünfte nicht in den versteuerten Einkünften aus Vermietung und Verpachtung enthalten sein sollten, würde sich an der Eingruppierung durch ihre zusätzliche Berücksichtigung nichts ändern. Höhere als die vom Antragsgegner zugestandenen Pachteinkünfte von nicht einmal 10 EUR monatlich habe die insoweit darlegungs- und beweispflichtige Antragstellerin nicht dargelegt. Entsprechendes gelte für das Jahr 2017, in welchem der Antragsgegner Mieteinkünfte von umgerechnet 38,67 EUR monatlich und ausweislich der vorgelegten Lohnsteuerbescheinigung ein gesetzliches Nettoerwerbseinkommen von 3.966,61 EUR monatlich bezogen habe. Bei im Übrigen unveränderten Verhältnissen folge daraus ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 3.369,17 EUR, das ebenfalls der damaligen Einkommensgruppe 6 der Düsseldorfer Tabelle entspreche und nach der gebotenen Herabstufung um zwei Einkommensgruppen zu einer Barunterhaltsschuld in Höhe von 115 Prozent des Mindestunterhalts führe. Im Jahr 2018, in welchem der Antragsgegner ausweislich der vorgelegten Lohnsteuerbescheinigung ein gesetzliches Nettoeinkommen von 4.007,97 EUR monatlich, jedoch keine Steuererstattung und Mieteinkünfte von nur 5,58 EUR bezogen habe, beliefe sich sein bereinigtes Nettoeinkommen bei im Übrigen unveränderten Verhältnissen auf 3.198,27 EUR, womit er wegen der Neuordnung der Einkommensgruppen im Jahr 2018 nach der gebotenen Herabstufung um zwei Einkommensgruppen sogar nur in die Einkommensgruppe 3 der Düsseldorfer Tabelle einzuordnen gewesen wäre.

Der Antragsgegner schulde damit für den gesamten streitgegenständlichen Zeitraum ab 08/2016 den ab 04/2017 titulierten Unterhalt in Höhe von 115 Prozent des Mindestunterhalts abzüglich das hälftigen Kindergelds. Soweit er für den Monat 08/2016 geringfügig niedrigeren Unterhalt gezahlt habe, lägen die in § 1613 Abs. 1 BGB normierten Voraussetzungen für die Geltendmachung weiteren Unterhalts nicht vor, weil der gezahlte Unterhalt dem von der Antragstellerin geforderten Unterhalt entsprochen haben. Soweit die Zahlungen des Antragsgegners ab dem Jahr 2018 hinter dem titulierten Betrag zurückgeblieben seien, weil der Antragsgegner zwischenzeitliche Wechsel der Altersstufe oder Anpassungen des gesetzlichen Mindestunterhalts nicht beachtet habe, könne das der Beschwerde der Antragstellerin nicht zum Erfolg verhelfen. Unterhalt in Höhe von 115 Prozent des Mindestunterhalts sei für diesen Zeitraum bereits tituliert; die Antragstellerin möge etwaige Unterhaltsrückstände aus den bestehenden Titeln vollstrecken.

An dem geltend gemachten Mehrbedarf für Kind1 und Kind2 sei der Antragsgegner in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu beteiligen.

Als Mehrbedarf sei der Teil des Lebensbedarfs (§ 1610 BGB) anzusehen, der regelmäßig während eines längeren Zeitraums anfällt und das Übliche derart übersteigt, dass er beim Kindesunterhalt mit den Tabellensätzen nicht – zumindest nicht vollständig – erfasst werden könne, andererseits aber kalkulierbar sei und deshalb bei der Bemessung des laufenden Unterhalts berücksichtigt werden könne. Zum Mehrbedarf würden auch die Kosten eines vom betreuenden Elternteil im Rahmen seiner Alltagssorge veranlassten Besuchs einer privaten Bildungseinrichtung rechnen, welche der Unterhaltsberechtigte allerdings nicht unbeschränkt, sondern nur beim Vorliegen sachlicher Gründe geltend machen könne. Sachliche Gründe sein gegeben, wenn für die kostenauslösende Inanspruchnahme eines privaten Lehrinstituts im Vergleich zu den schulischen Förderangeboten so gewichtige Gründe vorlägen, dass es gerechtfertigt erscheine, die dadurch verursachten Mehrkosten zu Lasten des nicht betreuenden Elternteils als angemessene Kosten der Ausbildung im Sinne von § 1610 Abs. 2 BGB anzuerkennen. Das Fehlen sachlicher Gründe könne der nicht betreuende Elternteil dem geltend gemachten Mehrbedarf nicht entgegenhalten, wenn er mit der Maßnahme einverstanden gewesen sei. Für berechtigten Mehrbedarf hafteten beide Elternteile anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen nach Abzug eines Sockelbetrags in Höhe des angemessenen Selbstbehalts (§§ BGB § 1606 Abs. 3 Satz 1, 1603 Abs. 1 BGB; vgl. Ziffer 12.4 der Unterhaltsgrundsätze). Der Senat gehe vom Vorliegen sachlicher Gründe im vorbeschriebenen Sinne für den durch die private außerschulische Förderung der Kinder Kind1 und Kind2 entstandenen Mehrbedarf aus. Die Förderung des Kindes1 in den Fächern Deutsch und Englisch im Institut D (jetzt D1) sei auf einvernehmliche Veranlassung beider Eltern im Hinblick auf schwache Lese- und Rechtschreibleistungen bereits im Jahr 2012 aufgenommen worden. Sie sei vom Antragsgegner selbst noch im Jahr 2015 um ein weiteres Jahr verlängert worden, obwohl Kind1 im Abschlusszeugnis des Schuljahres 2014/2015 in keinem einzigen Fach eine schlechtere Note als eine 2 gehabt hätte und obwohl der Fachdienst X des A-Kreises mit Schreiben vom 22.7.2015 eine Förderung des Kindes1 abgelehnt habe. Da Kind1 bei der sogenannten Hamburger Schreibprobe zwischenzeitlich ein unterdurchschnittliches Ergebnis erzielt habe und beim Eingangstest für die gymnasiale Oberstufe erneut eine Schwäche in Deutsch festgestellt worden sei, deretwegen Kind1 eine spezielle schulische Förderung erhalte, spreche Vieles dafür, dass die gute Realschulabschlussnote des Jahres 2019 zumindest auch Folge der kontinuierlichen außerschulischen Förderung im Institut D bzw. D1 sei. Der von der Antragstellerin auch nach der Trennung der Beteiligten auf Wunsch des Kindes fortgeführten Förderung könne der Antragsgegner vor diesem Hintergrund nicht das Fehlen sachlicher Gründe entgegenhalten. Der geltend gemachte Mehrbedarf des Kindes2 sei ebenfalls in voller Höhe als berechtigt anzuerkennen. Die außerschulische Förderung des Kindes2 wegen einer Lese- und Rechtschreibschwäche und einer Aufmerksamkeitsstörung seien ebenfalls bereits im Jahr 2012 von beiden Eltern veranlasst und vom Antragsgegner zuletzt im Jahr 2015 um ein weiteres Jahr verlängert worden. Dass Kind2 in Folge der Förderung bis zum Jahr 2017 erhebliche Fortschritte erzielt, sich im Frankfurter Leseverständnistest erheblich verbessert und nach Abschluss der Förderstufe für das 2017 beginnende siebte Schuljahr eine Realschulempfehlung erhalten habe, rechtfertige nicht die Annahme, die Förderung sei nicht über das Jahr 2017 hinaus notwendig gewesen. Vielmehr spreche der im Jahr 2018 einsetzende deutliche Abfall der Noten und die ebenfalls im Jahr 2018 wieder aufgenommene medikamentöse Behandlung der Aufmerksamkeitsstörung dafür, dass gewichtige Gründe für eine Fortführung der zunächst ohnehin mit Zustimmung des Antragsgegners begonnenen außerschulischen Förderung des Kindes2 im Institut D bzw. D1 vorlägen. Dies gelte auch für die dortige Förderung des Kindes2 im Fach Englisch. Kind2 habe im Abschlusszeugnis des Schuljahrs 2015/2016 in Englisch eine 4 gehabt; ihm hätte ausweislich des Schreibens seiner Schule vom 17.5.2016 eine Zurückstufung vom Erweiterungskurs in den Grundkurs gedroht. Mit Hilfe der zusätzlichen Sprachförderung hätten sich seine Leistungen im Fach Englisch zunächst erheblich (Note 2 im Halbjahreszeugnis 2017/2018) verbessert, bevor sie sich erneut verschlechtert hätten. Das derzeitige Leistungsniveau lasse eine zusätzliche Förderung jedenfalls im Hinblick auf die bei beiden Eltern schon während des Zusammenlebens zum Ausdruck gebrachte Aufgeschlossenheit gegenüber außerschulischen Förderangeboten als sachlich gerechtfertigt erscheinen. An dem berechtigten Mehrbedarf müssen beide Eltern sich entsprechend ihrer Einkommensverhältnisse beteiligen.

Die Antragstellerin habe ausweislich der vorgelegten Verdienstbescheinigungen im Jahr 2017, für welches erstmalig Mehrbedarf geltend gemacht werde, ein durchschnittliches monatliches gesetzliches Nettoeinkommen von 1.691,71, im Jahr 2018 von 1.781,16 EUR und im Jahr 2019 (ausgehend vom Bezug eines Gehalts in Höhe des Gehalts für den Monat 10/2019 auch in den Monaten 11 und 12/2019) von 1.843,38 EUR erzielt. Das Einkommen sei um die Fahrtkosten zu bereinigen, die sich bei einer einfachen Entfernung von 22 km zwischen Wohnung und Arbeitsplatz und 220 Arbeitstagen im Jahr auf 242 EUR monatlich beliefen. Die vom Antragsgegner zulässigerweise mit Nichtwissen bestrittenen Aufwendungen für eine Direktversicherung und für eine Riester-Rentenversicherung habe die Antragstellerin nicht belegt und habe hierfür auch sonst keinen geeigneten Beweis angeboten. Dem Einkommen hinzuzurechnen sei die im Jahr 2019 in Folge der erstmaligen getrennten steuerlichen Veranlagung der Beteiligten im Veranlagungsjahr 2017 erhaltene Steuererstattung von umgerechnet 117,41 EUR. Von einer Steuererstattung in dieser Höhe sei auch für die Folgejahre auszugehen. Ferner sei dem Einkommen der aus dem mietfreien Wohnen im eigenen Heim resultierende Wohnvorteil hinzuzurechnen, der bis zum endgültigen Scheitern der Ehe mit dem subjektiven Wohnwert in Höhe der ersparten Miete für eine angemessene Wohnung und anschließend mit dem objektiven Mietwert in Höhe der ortsüblichen Vergleichsmiete in Ansatz zu bringen sei (vgl. Ziffer 5 der Unterhaltsgrundsätze). Den mangels anderweitiger Angaben der Beteiligten zum endgültigen Scheitern der Ehe bis einschließlich 2017 in Ansatz zu bringenden subjektiven Wohnwert veranschlagen der Senat mit einem Betrag von 900 EUR, den die Antragstellerin für eine ihren wirtschaftlichen Verhältnissen angemessene Wohnung für sie und die drei Kinder in Stadt1 mindestens hätte aufbringen müssen. Die ab dem Jahr 2018 in Ansatz zu bringende ortsübliche Vergleichsmiete, zu deren Höhe die Antragstellerin selbst keine Angaben gemacht habe, belaufe sich nach dem Mietspiegel der Stadt2, auf den die Verwaltung der Stadt1 verweise, auf 1.720,75 EUR monatlich. Da bei dem vom Antragsgegner gezahlten Kindesunterhalt ein Abschlag um eine Einkommensgruppe wegen der Deckung des Wohnbedarfs vorgenommen worden sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der von der Antragstellerin vereinnahmte Kindesunterhalt den Wohnbedarf der Kinder in voller Höhe abdecke. Bei wertender Betrachtung erscheine daher der Ansatz eines Wohnvorteils von 1.600 EUR ab dem Jahr 2018 angemessen. Irgendwelche von ihr im Zusammenhang mit dem Wohnen im eigenen Heim getragenen Belastungen, die nicht auf einen Mieter umgelegt werden könnten, habe die Antragstellerin nicht dargelegt.

Daraus folge ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen der Antragstellerin von 2.349,71 EUR im Jahr 2017, von 3.139,16 EUR im Jahr 2018 und von 3.318,79 EUR im Jahr 2019 und den Folgejahren. Fiktive Einkünfte seien der Antragstellerin nicht zuzurechnen, weil sie gegenüber den von ihr betreuten Kindern im Hinblick auf § 1606 Abs. 3 Satz 2 BGB keine gesteigerte Erwerbsobliegenheit treffe.

Dem Einkommen der Antragstellerin stehe auf Seiten des Antragsgegners nach Abzug des Elementarkindesunterhalts von 115 Prozent des Mindestunterhalts abzüglich des hälftigen Kindergelds ein bereinigtes monatliches Nettoeinkommen von 2.147,17 EUR von 04 bis 12/2017, von 1.954,27 EUR im Jahr 2018, von 2.407,41 im ersten Halbjahr 2019, von 2.422,41 im zweiten Halbjahr 2019 und von 2.311,85 EUR ab dem Jahr 2020 gegenüber. Die geringen Einkommensunterschiede zwischen den Beteiligten im Jahr 2017 rechtfertigten für dieses Jahr eine hälftige Beteiligung beider Eltern am anfallenden Mehrbedarf der Kinder, wie sie von beiden Eltern im Hinblick auf die Kosten der Klassenfahrten der Kinder ohnehin praktiziert worden ist. Ab dem Jahr 2018 sei eine hälftige Beteiligung beider Eltern wegen des nun deutlich höheren bereinigten Nettoeinkommens der Antragstellerin hingegen nicht mehr angemessen. Die Haftungsquote des Antragsgegners belaufe sich nach Abzug des angemessenen Selbstbehalts von 1.300 EUR bis einschließlich 2019 und von 1.400 EUR ab 2020 (vgl. Ziffer 13.3 und 21.3 der Unterhaltsgrundsätze) auf 654,27/2.493,43 = 26,2 Prozent im Jahr 2018, auf 1.107,41/3.126,20 = 35,4 Prozent im ersten Halbjahr 2019, auf 1.122,41/3.141,20 = 35,7 Prozent im zweiten Halbjahr 2020 und auf 911.85/2.830,64 = 32,2 Prozent ab dem Jahr 2020. Die errechneten Haftungsquoten ließen eine durchgängige Haftung des Antragsgegners in Höhe von einem Drittel des Mehrbedarfs ab dem Jahr 2018 angemessen erscheinen.

Daraus folge sowohl für Kind1 als auch für Kind2 eine hälftige Haftung des Antragsgegners für den, für den Zeitraum von 04 bis 12/2017 geltend gemachten Mehrbedarf von je 192 x 9 = 1.728 EUR, also in Höhe von je 864 EUR. Für den im Zeitraum vom 1.1.2018 bis zum 30.6.2019 angefallenen Mehrbedarf des Kindes1 in Höhe von insgesamt 192 + 17 x 119 = 2.215 EUR würde der Antragsgegner zu einem Drittel, also in Höhe von 738,33 EUR haften. Für den im Zeitraum vom 1.1.2018 bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung am 5.6.2020 angefallenen Mehrbedarf des Kindes2 von insgesamt 192 + 29 x 199 = 5.963 EUR würde der Antragsgegner ebenfalls zu einem Drittel, also in Höhe von 1.987,67 EUR haften. Entsprechendes gelte für den laufenden Mehrbedarf des Kindes2 in Höhe von 199 EUR ab 07/2020. Für diesen würde der Antragsgegner ebenfalls zu einem Drittel, also in Höhe von je 66,33 EUR haften.

Der erstmals im zweiten Rechtszug gestellte Feststellungsantrag betreffend die Beteiligung des Antragsgegners an den nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung getragenen Kosten der kieferorthopädischen Behandlung der Tochter Kind3 sei nach §§ 113 Abs. 1 FamFG, 256 Abs. 1, 264 Nr. 2 ZPO zulässig, weil die Höhe der Kostenbeteiligung der gesetzlichen Krankenversicherung und damit die Höhe der vom Kind selbst zu tragenden Behandlungskosten bis zum Abschluss der Behandlung noch nicht feststehe und der Antragsgegner sowohl die Angemessenheit der Kosten der Behandlung mit sogenannten Speed Brackets als auch die von der Antragstellerin geltend gemachte Haftungsquote bestreite. Bei dem aus einer kieferorthopädischen Behandlung resultierenden Zusatzbedarf handele es sich um Sonderbedarf im Sinne des § 1613 Abs. 2 Nr. 1 BGB, also um einen unregelmäßigen, vorher nicht abschätzbaren außerordentlich hohen Bedarf, der nicht auf Dauer bestünde und daher zu einem einmaligen, jedenfalls aber zeitlich begrenzten Ausgleich neben dem regelmäßig geschuldeten Barunterhalt führe. Soweit der geltend gemachte Sonderbedarf angemessen sei und dem unterhaltsberechtigten Kind eine Finanzierung des Sonderbedarfs aus dem laufenden Unterhalt nicht zumutbar sei, würden beide Eltern für den Sonderbedarf ebenso wie für regelmäßigen Mehrbedarf anteilig nach ihren Einkommensverhältnissen haften. Die grundsätzliche Angemessenheit der kieferorthopädischen Behandlung, welcher beide Eltern im Rahmen ihrer gemeinsamen Ausübung der elterlichen Sorge zugestimmt hätten, stehe im vorliegenden Fall ebenso außer Frage wie der Umstand, dass die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung übernommenen Behandlungskosten von voraussichtlich über 2.000 EUR nicht aus dem laufenden Unterhalt in Höhe von nur 115 Prozent des Mindestunterhalts bestritten werden könnten. Die Beteiligten stritten um die Angemessenheit der durch eine vom Antragsgegner abgelehnte Behandlung mit sogenannten Speed Brackets entstehenden zusätzlichen Kosten sowie um den Haftungsschlüssel. Eine medizinische Notwendigkeit der Verwendung von Speed Brackets werde zwar auch von der Antragstellerin nicht vorgetragen. Die zur Begründung der Behandlung mit Speed Brackets vorgetragene Verkürzung der Behandlungsdauer um drei Monate bei gleichzeitiger Gewährleistung einer besseren Zahnreinigung während der Therapie reiche im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse der Beteiligten und den vom Antragsgegner für sich selbst in Anspruch genommenen Krankenversicherungsschutz für die Annahme einer Angemessenheit nach Einschätzung des Senats aus. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass die zusätzlichen Kosten einer Behandlung mit Speed Brackets von der Beihilfe nicht erstattet würden, weil der Antragsgegner ausweislich der vorgelegten Unterlagen über eine Beihilfe-Ergänzungsversicherung verfüge.

Für die nicht von der gesetzlichen Krankenversicherung erstatteten Kosten der kieferorthopädischen Behandlung des Kindes3 hafte der Antragsgegner mit dem oben für den Mehrbedarf errechneten Haftungsanteil von einem Drittel.

III. Der Praxistipp

Diese Entscheidung bearbeitet Themenkomplexe, die dem Praktiker im kindesunterhaltsrechtlichen Mandat regelmäßig begegnen.

Beispielhaft zu nennen sind die „Nachhilfe“ als Mehrbedarf, die „kieferorthopädische Behandlung“ als Sonderbedarf und insbesondere die konkrete Ermittlung der Haftungsanteile der jeweiligen Eltern.

Von besonderem Interesse sind die Ausführungen des 4. Senats des OLG Frankfurt hinsichtlich der Deckung des Wohnbedarfs der minderjährigen Kinder durch Naturalleistung, da die von der Kindesmutter zusammen mit den minderjährigen Kindern bewohnte Immobilie im Miteigentum der Kindsmutter (zu 40 %) und des Kindesvaters (zu 60 %) steht. Auf die detaillierte Darstellung des Streitstands und die – guten – Argumente des Senats, der den Sachverhalt über eine Herabstufung um eine Einkommensstufe in der Düsseldorfer Tabelle löst, wird an dieser Stelle Bezug genommen.

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