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Feststellung der Ausnahme einer Unterhaltsforderung von der Restschuldbefreiung

1. Zur Zulässigkeit eines Feststellungsantrags eines Unterhaltsgläubigers sowie eines Unterhaltsschuldners, ob die geltend gemachte Unterhaltsforderung von der Restschuldbefreiung ausgenommen ist.

2. Ist der Unterhalt für die Vergangenheit tituliert, begründet dies eine Vermutung dafür, dass der Unterhaltsschuldner zu diesem Zeitpunkt den Bedarf und die Bedürftigkeit der Unterhaltsgläubigerin und seine eigene vom Gericht bejahte Leistungsfähigkeit kannte. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Anspruch aufgrund tatsächlicher Leistungsfähigkeit und nicht lediglich aufgrund fiktiven Einkommens festgestellt worden ist.

3. Dem steht nicht entgegen, dass der Unterhaltsschuldner den Einwand der Versagung des Unterhalts geltend gemacht hat, soweit er durch das Gericht nach durchgeführter Beweisaufnahme darauf hingewiesen wurde, dass dieser Einwand nicht durchgreift.

OLG Hamm, Beschl. v. 20.2.2020 – II-4 UF 153/19

I. Der Fall

Die am 15.6.1998 geschlossene Ehe der Beteiligten wurde nach Trennung in 01/2009 am 25.4.2014 rechtskräftig geschieden. Aus der Ehe sind die Kinder A, geboren am 27.2.2000, und B, geboren am 25.1.2002, hervorgegangenen; A lebt im Haushalt des Antragstellers und B lebt im Haushalt der Antragsgegnerin.

Die Antragsgegnerin nahm den Antragsteller im Wege des Stufenantrags auf die Zahlung von Kindes- und Ehegattenunterhalt in Anspruch. Die Beteiligten schlossen am 16.4.2010 einen Teilvergleich, in dem sich der Antragsteller u.a. zur Zahlung des Mindestunterhalts für die Kinder an die Antragsgegnerin ab 05/2010 verpflichtete. Der Antragsteller wurde im Wege des Teilanerkenntnisurteils vom 16.4.2010 verurteilt, der Antragsgegnerin Auskunft über die Höhe seines Einkommens zu erteilen.

Mit Beschluss wurde der Antragsgegner u.a. verpflichtet, an die Antragstellerin Kindesunterhalt für B in Höhe von 14.565,07 EUR für die Zeit vom 1.4.2009 bis 30.11.2014 sowie in Höhe von 160 % des Mindestunterhaltes abzüglich hälftigem Kindergeld ab dem 1.12.2014 und Ehegattenunterhalt in Höhe von 56.261,35 EUR für die Zeit vom 1.4.2009 bis zum 30.6.2013 zu zahlen. Für die Zeit danach ging das Amtsgericht von einer Verwirkung des Trennungsunterhaltsanspruchs gemäß § 1579 Nr. 2 BGB wegen einer verfestigten Lebensgemeinschaft der Antragsgegnerin aus.

Auf den Kindesunterhalt wurden im Wege der Zwangsvollstreckung Zahlungen in Höhe von 6.023,41 EUR geleistet; Zahlungen auf den Trennungsunterhalt wurden nicht erbracht. Die Antragsgegnerin pfändete ab Herbst 2010 den Kindesunterhalt aus dem Teilvergleich vom 16.4.2010.

Am 31.1.2017 wurde über das Vermögen des Antragstellers das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 6.2.2017 meldete die Antragsgegnerin zur Insolvenztabelle unter Nr. 2 Unterhaltsforderungen in Höhe von insgesamt 100.722,92 EUR an, die sich wie folgt zusammensetzten: Trennungsunterhalt 56.261,35 EUR, Unterhalt für A 19.714,70 EUR, Unterhalt für B 24.461,66 EUR und Kosten 285,21 EUR.

Dabei gab die Antragsgegnerin an, dass die angemeldeten Forderungen von der Restschuldbefreiung gemäß § 302 InsO ausgenommen sein sollen, da die Verbindlichkeiten des Schuldners aus rückständigem gesetzlichem Unterhalt resultierten, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe. Bei der Eintragung der Forderung in Höhe von 100.437,71 EUR (Unterhalt ohne Kosten) in der Insolvenztabelle wurde vermerkt, dass die Forderung von der Restschuldbefreiung nach § 302 Nr. 1 InsO ausgenommen ist.

Der Antragsteller legte Widerspruch gegen die Eintragung wegen der Höhe und gegen den Grund der vorsätzlichen unerlaubten Handlung ein. Die Antragsgegnerin korrigierte daraufhin die Anmeldung. Sie reichte für A eine neue Anmeldung ein und reduzierte die eigene Anmeldung auf 80.723,01 EUR zzgl. 285,21 EUR Kosten.

Der Antragsteller war bis zu seiner Kündigung als selbstständiger Versicherungsmakler tätig. Er bezog in der Zeit vom 1.2.2016 bis zum 30.9.2016 Arbeitslosengeld II und erzielte ab dem 1.10.2016 Einkommen in Höhe von 1.400 EUR brutto oder 1.054,47 EUR netto aus abhängiger Beschäftigung. Seit 11/2019 bezieht er Arbeitslosengeld I. Daneben bezieht er – wie bereits zu Zeiten des Beschlusses vom 19.12.2014 – eine Unfallrente in Höhe von aktuell ca. 460 EUR monatlich nach einem Unfall am 3.6.1983.

Das Familiengericht hat unter Antragszurückweisung im Übrigen festgestellt, dass der zur Insolvenztabelle angemeldete Ehegattenunterhaltsrückstand (56.261,35 EUR) keine Verbindlichkeit aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt darstellt, den der Antragsteller vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt hat, und dass der Widerspruch des Antragstellers gegen die Eintragung in die Insolvenztabelle insoweit begründet ist.

Hiergegen wendet sich die Antragsgegnerin mit der Beschwerde und begehrt abändernd Antragszurückweisung.

II. Die Entscheidung

Das OLG Hamm hält die zulässige Beschwerde auch für begründet, da der negative Feststellungsantrag des Antragstellers zurückzuweisen ist.

Der Feststellungsantrag sei zulässig, da der Antragsteller ein aus § 302 Nr. 1 InsO folgendes rechtliches Interesse an der Feststellung habe. Ebenso wie der Gläubiger ein rechtlich anerkennenswertes Interesse an der Feststellung habe, dass seine Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO von der Restschuldbefreiung ausgenommen sei, hat der Schuldner ein Interesse an der Feststellung, dass dies nicht der Fall sei. Dass diese Feststellung „alsbald“, also bereits vor der Erteilung der Restschuldbefreiung getroffen werde, liegt typischerweise ebenso im Interesse des Schuldners wie des Gläubigers. Dem stehe nicht entgegen, dass in dem Beschl. v. 19.12.2014 nicht aufgenommen worden sei, dass es sich um eine Forderung nach § 302 Nr. 1 InsO handele. Eine Bindungswirkung an einem bestehenden Titel könne bestehen, wenn die Parteien auch den Rechtsgrund einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung in einem Vergleich außer Streit stellen wollten. In dem Beschl. v. 19.12.2014 sei jedoch gerade keine Aussage zur Wirkung des § 302 InsO in einem – erst am 31.1.2017 eingeleiteten – Insolvenzverfahren getroffen worden; dies wäre nicht Streitgegenstand des mit Beschl. v. 19.12.2014 abgeschlossenen Verfahrens gewesen. Für diese Frage sei gerade das vorliegende Verfahren vorgesehen.

Der Feststellungsantrag sei unbegründet. Voraussetzung für die Feststellung, dass eine streitgegenständliche Unterhaltsforderung von einer dem Insolvenzschuldner erteilten Restschuldbefreiung nicht berührt werde, sei in Verfahren, die ab dem 1.7.2014 beantragt worden seien, gemäß § 302 Abs. 1 InsO, dass es sich um eine Forderung aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung handele oder aus rückständigem gesetzlichen Unterhalt, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe.

Bei dem mit Beschl. v. 19.12.2014 titulierten Trennungsunterhalt handele es sich um rückständigen, gesetzlichen Unterhalt für die Zeit vom 1.4.2009 bis zum 30.6.2013. Da das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Antragstellers am 31.1.2017 eröffnet geworden sei, sei nach der Neuregelung des § 302 InsO unerheblich, ob der Unterhaltsberechtigte durch die Pflichtverletzung in seinem Lebensbedarf gefährdet sei oder ohne die Hilfe anderer gefährdet wäre. Ausreichend sei allein die Nichtzahlung. Der Antragsteller erfülle die Forderung der Antragsgegnerin auf rückständigen Unterhalt in Höhe von 56.261,35 EUR nicht.

Der Senat ist der Auffassung, dass der Antragsteller bei der Nichtzahlung des Trennungsunterhalts zumindest mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe.

Der Schuldner müsse zum einen seine gesetzliche Unterhaltspflicht, den Bedarf sowie die Bedürftigkeit des Berechtigten und seine eigene Leistungsfähigkeit kennen. Zum anderen müsse er die Verletzung der Unterhaltspflicht zumindest billigend in Kauf nehmen. Bei titulierten Ansprüchen stehe Vorsatz nicht bindend fest; es könne aber jedenfalls im Titulierungszeitraum davon ausgegangen werden, dass der Schuldner in Höhe der titulierten Unterhaltsansprüche leistungsfähig und der Unterhaltsgläubiger bedürftig gewesen sei, sodass bei Nichterfüllung der Unterhaltsansprüche von Vorsatz ausgegangen werden könne. Dies gelte allerdings dann nicht zwingend, wenn der Unterhaltsanspruch unter Zugrundelegung fiktiver Einkünfte des Schuldners berechnet worden sei. Den Schuldner treffe in diesem Fall aber die Beweislast für den fehlenden Vorsatz. Ob der Schuldner mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe, erfordere eine umfassende Würdigung sämtlicher Umstände des Einzelfalls. Damit sei eine allgemeine Regel nicht vereinbar, dass ein Schuldner stets Umstände darzulegen habe, die einen Vorsatz ausschlössen, sobald objektiv festgestellt sei, dass der Schuldner einen bestehenden Unterhaltsanspruch nicht erfüllt habe. Vielmehr bedürfe es regelmäßig zusätzlicher, vom Gläubiger zu beweisender Indizien, aus denen sich entnehmen lasse, dass sich der Schuldner seiner Unterhaltspflicht oder seinen Handlungspflichten bewusst gewesen sei.

So sei der Schluss auf bedingten Vorsatz regelmäßig möglich, wenn objektiv feststehe, dass der Schuldner seine Unterhaltspflicht verletzt habe, der Unterhaltsanspruch bereits tituliert und dem Schuldner aufgrund der Titulierung des Unterhalts seine Zahlungsverpflichtung einschließlich seiner vom Gericht bejahten Leistungsfähigkeit bekannt gewesen und er gleichwohl der Verpflichtung nicht nachgekommen sei. Eine vorsätzliche Verletzung der Unterhaltspflicht liege nicht schon dann vor, wenn der Pflichtige das Bestehen einer Unterhaltspflicht für möglich halte. An einem bedingten Vorsatz fehle es, wenn der Pflichtige bei Zweifeln über seine Unterhaltspflicht zunächst lediglich deshalb keinen Unterhalt leiste, weil er eine gerichtliche Entscheidung abwarten möchte. Nur wenn der anwaltlich beratene Pflichtige zu dem sicheren Schluss kommen müsse, dass eine Unterhaltspflicht seinerseits in einer bestimmten Höhe unabweisbar sei, handelte er bei deren (weiterer) Nichterfüllung vorsätzlich. Durch die objektive Feststellung des Bestehens einer Unterhaltsverpflichtung werde der Vorsatz nicht indiziert; vielmehr bedürfe es regelmäßig weiterer, vom Gläubiger zu beweisender Indizien (z.B. einer Titulierung des Unterhaltsanspruchs), aus denen sich entnehmen lasse, dass sich der Schuldner seiner Unterhaltspflicht bewusst gewesen sei oder hätte sein müssen.

Der Trennungsunterhaltsanspruch der Antragsgegnerin sei mit Beschl. v. 19.12.2014 für die Vergangenheit tituliert worden und jedenfalls zu diesem Zeitpunkt hätte der Antragsteller den Bedarf sowie die Bedürftigkeit der Antragsgegnerin und seine eigene vom Gericht bejahte Leistungsfähigkeit gekannt. Aufgrund der Titulierung hätte die Unterhaltspflicht des Antragstellers für die Vergangenheit festgestanden. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Antragsteller keine Zweifel mehr an seiner Verpflichtung hegen können, sondern hätte nach der rechtskräftigen Titulierung zu dem Schluss kommen müssen, dass die Unterhaltspflicht unabweisbar sei. Auch seien die Ansprüche aufgrund der tatsächlichen Leistungsfähigkeit des Antragstellers und nicht lediglich aufgrund fiktiven Einkommens festgestellt worden.

Die Vermutung für das Vorliegen des bedingten Vorsatzes aufgrund der objektiven Feststellung des Bestehens einer Unterhaltsverpflichtung und ihrer Titulierung habe der Antragsteller nach Auffassung des Senats nicht zu erschüttern vermocht. Der Antragsteller habe lediglich pauschal, dass er zu weiteren Unterhaltszahlungen nicht in der Lage gewesen sei. Dabei habe er noch nicht einmal vorgetragen, zu welchem Zeitpunkt – vor oder nach der Titulierung – er meine, nicht zur Zahlung von Trennungsunterhalt verpflichtet oder nicht (mehr) leistungsfähig gewesen zu sein. Aufgrund der Feststellungen in dem Beschl. v. 19.12.2014 sei er jedenfalls bis zum Ende seiner Unterhaltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin (30.6.2013) bei einem durchschnittlichen für Unterhaltszwecke zur Verfügung stehenden Jahreseinkommen in Höhe von 75.891,01 EUR leistungsfähig gewesen. Soweit der Antragsteller sich pauschal darauf berufe, die Antragsgegnerin habe seine Einkommensgrundlage aufgrund der Pfändungen zerstört, habe er diese Pfändungen selbst verursacht, indem er bereits ab Herbst 2010 nicht die im Vergleich vom 16.4.2010 übernommene Verpflichtung zur Zahlung von Mindestkindesunterhalt an die Antragsgegnerin (vollständig und pünktlich) erfüllte. Die Pfändungen seien bereits vor Erlass des Beschlusses vom 19.12.2014 erfolgt und eine dadurch eingetretene Leistungsunfähigkeit hätte der Antragsteller in dem Verfahren vortragen können und müssen; nun sei durch den Beschl. v. 19.12.2014 rechtskräftig festgestellt, dass er jedenfalls bis Juni 2013 leistungsfähig zur Zahlung des Trennungsunterhalts war.

Eine Veränderung seiner Leistungsfähigkeit nach Erlass des Beschlusses vom 19.12.2014 Frage der Antragsteller nicht substantiiert und nachvollziehbar vor. Es fehle jeder Vortrag, aus welchem Grund er nicht unmittelbar nach Erlass des Unterhaltstitels die Forderungen erfüllt habe. Der Antragsteller habe sein Einkommen für 2012 bis 2014 und auch in der Folgezeit nicht umfassend und substantiiert mitgeteilt.

Dem Antragsteller sei seine Pflicht zur Zahlung von Trennungsunterhalt auch spätestens ab 02/2013 bewusst gewesen.

Nach Aufforderung zur Zahlung von Trennungsunterhalt in 04/2009 habe der Antragsteller grundsätzlich die gegen ihn geltend gemachten Forderungen gekannt. Trotz des von ihm zu diesem Zeitpunkt erhobenen Verwirkungseinwands gemäß § 1579 Nr. 7 BGB habe ihm sein damaliger Rechtsanwalt erklärt, dass die Höhe des Anspruchs zu klären sei. Damit habe dem Antragsteller bereits zu diesem Zeitpunkt bewusst sein müssen, dass der Trennungsunterhaltsanspruch nicht vollständig ?????im Falle?????. Darüber hinaus sei der Antragsteller nach durchgeführter Beweisaufnahme durch das erkennende Gericht mit Beschluss darauf hingewiesen worden, dass die Voraussetzungen einer Verwirkung nicht bewiesen seien. Zu diesem Zeitpunkt hätte der Antragsteller von seiner Unterhaltspflicht dem Grunde nach ausgehen müssen.

Hinsichtlich des von dem Antragsteller erhobenen Verwirkungseinwands gemäß § 1579 Nr. 2 BGB habe das Familiengericht mit Beschluss nach durchgeführter Beweisaufnahme darauf hingewiesen, dass dieser aktuell nicht gegeben sei. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte dem Antragsteller bewusst sein müssen, dass seine Unterhaltspflicht gegenüber der Antragsgegnerin ernsthaft in Betracht komme. Dabei sei noch unberücksichtigt geblieben, dass die Rechtsansicht des Antragstellers, das Zusammenleben mit einem neuen Partner führe unmittelbar zu einer Verwirkung des vollständigen Unterhaltsanspruchs, unhaltbar sei. Weiter sei unberücksichtigt geblieben, dass der Antragsteller seine Verpflichtung zur Erteilung einer Auskunft über sein Einkommen zur Berechnung von Kindes- und Trennungsunterhalt im April 2010 anerkannt und damit zu erkennen gegeben habe, dass auch nach seiner Auffassung ein Unterhaltsanspruch nicht vollständig und bereits dem Grunde nach ausgeschlossen sei, sondern ernsthaft in Betracht komme.

Spätestens Anfang 2013 hätte der Antragsteller Rücklagen für die auflaufenden Unterhaltsrückstände aus dem laufenden Einkommen bilden oder den ihm zugeflossenen Erlös aus dem Verkauf der gemeinsamen Immobilie in Höhe von 17.418 EUR verwenden müssen.

Neben Vorsatz des Schuldners sei Pflichtwidrigkeit bei dem Unterlassen der Unterhaltszahlung erforderlich. Darunter sei zu verstehen, dass das Bestehen einer gesetzlichen Unterhaltspflicht allein nicht genüge. Vielmehr müsse zudem Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten und Leistungsfähigkeit des Schuldners gegeben sein. Abhängig von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen müsse dazu festgestellt werden, ob dieser ohne Beeinträchtigung seines eigenen Bedarfs dazu in der Lage sei, den geforderten Unterhalt zu leisten und der Unterhaltsberechtigte im maßgeblichen Zeitraum außerstande gewesen sei, seinen Bedarf durch eigene Einkünfte zu decken. An die Leistungsfähigkeit von Schuldnern, die wegen ihres wirtschaftlichen Scheiterns später ein Restschuldbefreiungsverfahren durchführen, dürften keine hohen Anforderungen gestellt werden. § 302 Nr. 1 Var. 2 InsO, die als Ausnahmevorschrift eng auszulegen sei, lasse daher insbesondere solche Unterhaltsforderungen von der Restschuldbefreiung unberührt, die der Schuldner in vorwerfbarer Weise trotz wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit nicht befriedigt habe, weil er aus eigennützigen Motiven seine Finanzmittel anderweitig verwendet habe.

Nach dem Beschl. v. 19.12.2014 war die Antragsgegnerin für den titulierten Trennungsunterhalt bedürftig und der Antragsteller – neben dem titulierten Kindesunterhalt – leistungsfähig. Damit habe er den Unterhalt pflichtwidrig nicht geleistet.

Der Anspruch der Antragsgegnerin auf Eintragung des Unterhaltsanspruchs als eine Verbindlichkeit aus rückständigem gesetzlichem Unterhalt, der vorsätzlich und pflichtwidrig nicht gewährt wurde, sei nicht verjährt.

Auch wenn der BGH festgestellt habe, dass es sich bei dem Unterhaltsanspruch und deliktischen Anspruch aus einer vorsätzlichen Verletzung der Unterhaltspflicht um zwei verschiedene Streitgegenstände, die unterschiedlichen Verjährungsfristen unterliegen könnten, handele, sei der Anspruch der Antragsgegnerin nicht verjährt. Denn die Entscheidung des BGH sei zu der Rechtslage vor Änderung des § 301 Nr. 1 InsO zum 1.7.2014 ergangen und auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar. Nach § 302 Nr. 1 InsO in der bis zum 30.6.2014 geltenden Fassung sei Voraussetzung der Eintragung nach § 302 Nr. 1 InsO ein Anspruch aus einer vorsätzlich begangenen unerlaubten Handlung gewesen; dieser deliktische Anspruch habe der entsprechenden Verjährung unterliegen. Nach der nun geltenden Fassung des § 302 Nr. 1 InsO komme es hingegen darauf an, ob der Antragsgegnerin Ansprüche aus rückständigem gesetzlichem Unterhalt zustünden, den der Schuldner vorsätzlich pflichtwidrig nicht gewährt habe. Die Erfüllung eines Straftatbestandes sei nicht mehr Voraussetzung. § 302 Nr. 1, 2. Alt. InsO sei damit nicht als deliktisch oder deliktsähnlich zu qualifizieren. Wenn § 302 Nr. 1, 2. Alt. InsO aber nicht deliktisch oder deliktsähnlich zu qualifizieren sei, dann sei die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, wonach der Anspruch aus vorsätzlicher Verletzung der Unterhaltspflicht einen anderen Streitgegenstand habe als ein gesetzlicher Unterhaltsanspruch mit der Folge, dass jeder Anspruch möglicherweise unterschiedlichen Verjährungsfristen unterliege, nicht einschlägig.

Der Unterhaltsanspruch der Antragsgegnerin sei aufgrund der Titulierung mit Beschl. v. 19.12.2014 nicht verjährt.

III. Der Praxistipp

Tatsächlich passiert es in der Praxis immer wieder, dass nach – auch jahrelangem Prozessieren – eine positive Entscheidung für die Mandantschaft ergeht, diese sich jedoch nicht realisieren lässt, da der Unterhaltsschuldner Insolvenzantrag stellt.

Die vorliegende Entscheidung des OLG Hamm bietet dem Praktiker in diesem Zusammenhang wertvolle Hinweise darauf, wie mit einer titulierten Forderung im Zuge der Anmeldung zur Insolvenztabelle umgegangen werden muss, nicht zuletzt um Haftungsansprüche des Mandanten zu vermeiden.

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