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I. Kl und das anwaltliche Berufsgeheimnis

Dr. Wolfram Viefhuesweitere Aufsicht führender Richter am Amtsgericht a.D., Gelsenkirchen

In NJW-aktuell 25/2025 hat Rechtsanwalt Stefan Hessel. LL.M., Salary Partner und Head of Digital Business bei der Kanzlei reuscnlaw in Saarbrücken sowie Mitglied des Vorstands des Deutschen EDV-Gerichtstags e.V., sehr wichtige Überlegungen über den Einsatz von KI und das anwaltliche Berufsgeheimnis veröffentlicht, die wegen ihrer großen Praxisrelevanz hier unseren Leserinnen und Lesern in verkürzter Form mitgeteilt werden.

Rechtsanwälte sind dazu verpflichtet, ihre Tätigkeit persönlich auszuführen. Auch bei Verwendung von KI-Systemen bleibe die rechtliche Beratung eine zentrale Aufgabe, die eigenverantwortlich, unabhängig und im Sinne des Mandanten zu leisten ist. Die von der KI gelieferten Ergebnisse seien daher gründlich zu überprüfen und dürfen nicht an die Stelle der anwaltlichen Entscheidungsverantwortung treten.

Hessel weist weiter deutlich auf die durch Straf- und Berufsrecht besonders geschützten vertraulichen Mandanteninformationenhin und besonders darauf, dass dieser Schutz die allgemeinen Anforderungen des Datenschutzrechts weit übersteigt.

Allerdings dürften Berufsgeheimnisträger Kl verwenden, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, also berufsrechtliche Anforderungen eingehalten werden. Hier nennt Hessel vor allem die Norm des § 43a II BRAO, der die Verpflichtung des Rechtsanwalts regelt, über alles, was ihm im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit bekannt geworden ist, Stillschweigen zu bewahren. Allerdings existiere für die Nutzung von Cloud-Diensten oder Kl-Systemen eine spezielle Regelung in § 43e BRAO. Auch der strafrechtliche Schutz des Mandatsgeheimnisses gemäß § 203 StGB beinhalte eine entsprechende Einschränkung. Hessel macht deutlich, dass ein Rechtsanwalt Dritten Zugang zu vertraulichen Informationen gewähren darf, wenn dies notwendig ist, um die Dienstleistung in Anspruch nehmen zu können. So könne es notwendig sein, vertrauliche Informationen offenzulegen, etwa bei der Analyse großer Datenmengen im Rahmen von Due-Diligence-Prüfungen, Massenverfahren oder in Situationen, in denen die KI mit den vertraulichen Daten arbeiten soll. In solchen Fällen sei eine Anonymisierung der Mandanteninformationen insbesondere unter Berücksichtigung potenzieller mittelbarer Identifizierbarkeit – weder praktikabel noch erforderlich. Entsprechend – so Hessel – lassen sich auch die Hinweise der Bundesrechtsanwaltskammer (BRAK) für den Einsatz von KI in Kanzleien von Ende 2024 verstehen. Dort heißt es im Kontext von § 43e BRAO, dass Daten „falls möglich“ anonymisiert oder verschlüsselt werden müssen.

Für die Frage der praktischen Realisierung weist Hessel darauf hin, dass bei der Stützung des Kl‑Einsatzes auf § 43e BRAO außerdem eine Berufsgeheimnisträgervereinbarung notwendig sei, die viele Anbieter bereits anbieten. Weitgehend Einigkeit herrsche auch darüber, dass unter den Bedingungen des § 43e BRAO auch die Verwendung von Cloud-Diensten erlaubt ist. Wenn der Anbieter vertraglich zur Verschwiegenheit verpflichtet wurde, sei nicht klar, warum KI-Systeme grundsätzlich ein höheres Risiko für das Mandatsgeheimnis darstellen sollten als andere cloudbasierte IT-Dienstleistungen, die bereits heute Teil des Kanzleialltags sind.

Bemerkenswert sei weiter, dass die BRAK in ihren Hinweisen auch die Frage aufgeworfen habe, ob das Berufsrecht nicht nur eine Erlaubnis, sondern auch eine Verpflichtung zum Einsatz von Kl mit sich bringt. Danach sei es besonders bei standardisierten Massenverfahren möglich, dass aus der Kanzleiorganisationspflicht gemäß § 5 BORA – der Pflicht, „die für die Berufsausübung erforderlichen sachlichen, personellen und organisatorischen Voraussetzungen“ bereitzustellen – die Nutzung von Legal-Tech- oder Kl-Tools resultiert. Dadurch werde empfohlen, nur zur Steigerung der Effizienz digitale Werkzeuge einzusetzen, sondern es sei in bestimmten Fällen auch berufsethisch notwendig.

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