Im Anschluss an die Rechtsprechung in der E-Broschüre Ausgabe 1/2025 (Rn 51 ff.) stellen wir Ihnen nun zwei Entscheidungen vor, bei denen das „gute alte“ Faxgerät eine wesentliche Rolle spielt:
VGH München, Beschl. v. 22.8.2024 – 22 ZB 23.1411
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (abgelehnt):
anwaltliche Sorgfaltspflichten bei Übersendung fristgebundener Schriftsätze per beA, zeitliche Reserve bei Übermittlung kurz vor Mitternacht, Vorhalten einer Möglichkeit zur Übermittlung nach allgemeinen Vorschriften
Am 7.8.2023 beantragte die Klägerin die Zulassung der Berufung. Die Zulassungsbegründung erreichte den VGH jedoch erst am 8.9.2023 um 0:48 Uhr. Den Antrag auf Wiedereinsetzung begründete der Bevollmächtigte der Klägerin wie folgt:
„Er habe am 7.9.2023 um 23:40 Uhr mit der Übertragung des Begründungsschriftsatzes begonnen. Ihm sei zunächst angezeigt worden, dass die Übertragung durchgeführt werde. Er sei davon ausgegangen, dass die Übertragung ggf. wegen einer Überlastung des Systems längere Zeit in Anspruch nehme, habe jedoch keine Mitteilung erhalten, dass die Übertragung möglicherweise nicht rechtzeitig vor 24 Uhr abgeschlossen werden könne. Da er sich kurz nach 24 Uhr nicht sicher gewesen sei, ob die Übertragung gelungen sei, habe er dann versucht, den Übertragungsvorgang abzubrechen. Eine Ersatzzustellung per Telefax sei ihm in dem Zeitpunkt nicht möglich gewesen, da er sich im Homeoffice befunden und dort kein entsprechendes Gerät zur Verfügung gehabt habe. Er habe sich dann entschieden, den Rechner auszuschalten und neu zu starten. Das Ausschalten sei jedoch eine Zeitlang nicht möglich gewesen; erst um 0.40 Uhr habe er den Rechner wieder in Betrieb nehmen und schließlich die Zulassungsbegründung versenden können. Dieses Geschehen werde „anwaltlich und an Eides statt“ versichert.“
Der VGH geht davon aus, dass der Bevollmächtigte die Frist schuldhaft versäumt hat:
Sorgfaltspflichten im ERV entsprechen denen bei Verwendung von Telefax
„Für die Übersendung mittels Telefax gilt nach ständiger Rechtsprechung, dass der Nutzer mit der Wahl eines anerkannten Übermittlungsmediums, der ordnungsgemäßen Nutzung eines funktionsfähigen Sendegeräts und der korrekten Eingabe der Empfängernummer das seinerseits zur Fristwahrung Erforderliche getan hat, wenn er so rechtzeitig mit der Übermittlung beginnt, dass unter normalen Umständen mit ihrem Abschluss am Tag des Fristablaufs bis 24 Uhr zu rechnen gewesen ist.
Dabei hat der Verfahrensbeteiligte beispielsweise den Aufwand zu kalkulieren, der zeitlich und organisatorisch erforderlich ist, um den rechtzeitigen Eingang seiner Prozesserklärung in der vorgeschriebenen Form zu ermöglichen. Zudem muss der Versender Verzögerungen einkalkulieren, mit denen üblicherweise zu rechnen ist, wozu schwankende Übertragungsgeschwindigkeiten oder – bei der Übermittlung mittels Telefax – die Belegung des Telefaxempfangsgeräts bei Gericht durch andere eingehende Sendungen gehören. Gerade in den Abend- und Nachtstunden muss damit gerechnet werden, dass wegen drohenden Fristablaufs weitere Beschwerdeführer versuchen, Schriftstücke fristwahrend zu übermitteln.
Bei der elektronischen Übersendung mittels des beA gelten vergleichbare Sorgfaltspflichten, denn auch im elektronischen Rechtsverkehr muss mit einer nicht jederzeit reibungslosen Übermittlung gerechnet werden und können z.B. Schwankungen bei der Internetverbindung oder eine hohe Belastung des Servers kurz vor Mitternacht etwa wegen einer großen Anzahl eingehender Nachrichten oder wegen der Durchführung von Software-Updates zu Verzögerungen führen, die einzukalkulieren sind. Das BVerwG hat offengelassen, ob der für die Übermittlung per Telefax nach der Rechtsprechung geltende Sicherheitszuschlag in der Größenordnung von 20 Minuten – zusätzlich zu der zu erwartenden Übermittlungsdauer der zu faxenden Schriftsätze samt Anlagen – auch für den elektronischen Rechtsverkehr zu fordern ist.“
Rechtsanwälte müssen bei technischer Unmöglichkeit rechtzeitig das Dokument nach den allgemeinen Vorschriften übermitteln
„Von einem Rechtsanwalt ist zu erwarten, dass er diese Möglichkeit kennt und zur Fristwahrung nutzt. Für die Anwendbarkeit des § 55d Satz 3 VwGO ist es dabei unerheblich, ob die Gründe für die technische Unmöglichkeit – solange es sich um eine technische Unmöglichkeit, also nicht eine persönliche Unmöglichkeit wie etwa fehlende Kenntnisse bei der Bedienung der Software handelt – in der Sphäre des Gerichts oder des Einreichenden liegen. Vorliegend hat der Bevollmächtigte der Klägerin – bei Wahrunterstellung seines Vortrags – nicht diejenige Sorgfalt angewandt, die für einen gewissenhaften Prozessbevollmächtigten geboten ist. Selbst wenn es zuträfe, dass er am 7.9.2023 um 23:40 Uhr mit der Übermittlung begonnen hätte, diese aber bis 24 Uhr aus technischen Gründen nicht hätte abschließen können, muss ihm Folgendes entgegengehalten werden:
Entweder hätte er, um mehr zeitliche Reserve zu haben, früher mit der Übertragung beginnen müssen oder jedenfalls für den Fall, dass die Übertragung innerhalb der knappen von ihm vorgesehenen Zeit aus technischen Gründen unmöglich sein würde, die Möglichkeit vorhalten müssen, bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 55d Satz 3 VwGO zeitgerecht eine Übermittlung nach allgemeinen Vorschriften, insbesondere per Telefax, vorzunehmen.“
■Anmerkung:
Der VGH geht davon aus, dass die anwaltliche Sorgfalt es gebietet und der Bevollmächtigte dafür hätte sorgen müssen, dass ihm zur Übermittlung ein Telefax zur Verfügung steht. Er verweist allerdings auch auf die unterschiedliche Rechtsprechung der Obergerichte, wonach es grundsätzlich nicht zu verlangen sei, dass ein Rechtsanwalt innerhalb kürzester Zeit eine andere als die gewählte Zugangsart sicherstelle. In dem vorliegenden Fall geht der VGH davon aus, dass der Bevollmächtigte eine Übermittlung bis 24 Uhr „etwa per Telefax hätte sicherstellen müssen“.
Praxishinweis:
Gegen diesen Beschluss ist kein Rechtsmittel gegeben (3 152 Abs. 1 VwGO). In Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ist die Rechtsprechung oftmals sehr restriktiv. Anderer Auffassung ist das BAG, wie die nachfolgende Entscheidung zeigt.
BAG, Urt. v. 12.11.2024 – 9 AZR 13/24
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (gewährt):
Die zulässige Revision des Klägers ist begründet. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
In diesem Verfahren ging es inhaltlich um verdeckte Arbeitnehmerüberlassung.
Das Urteil des LAG wurde dem Kläger am 12.12.2023 zugestellt. Dieser hat am 12.2.2024 beim BAG Revision eingelegt. Aufgrund einer technischen Störung des EGVP vom 10. bis 13.2.2024 war ein Empfang u.a. bei den Bundesgerichten nicht möglich. Der Bevollmächtigte des Klägers versuchte am 12.2.2024 zwischen 23:37 und 23:58 Uhr fünfmal vergeblich, die Revisionsbegründung per beA von seinem häuslichen Arbeitsplatz aus einzureichen. Das Sendeprotokoll wies aus: „Die Nachricht konnte nicht an den Intermediär des Empfängers übermittelt werden“. Der Klägervertreter verfügte an seinem häuslichen Arbeitsplatz über kein Faxgerät. Er hat die Revisionsbegründung deshalb am 13.2.2024 eingereicht und am 12.3.2024 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt.
Das BAG geht davon aus, dass die Gerichte den Beteiligten den Zugang zu den Instanzen nicht „in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren“ dürfen. Und zitiert das BVerfG – 1 BvR 2327/07 vom 26.2.2008: „Daher dürfen die Anforderungen daran, was der Betroffene veranlasst haben muss, um Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu erlangen, nicht überspannt werden.“
Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung seien erfüllt. Der Bevollmächtigte habe die Übermittlung per beA rechtzeitig eingeleitet, so dass die Revisionsbegründung fristgerecht beim BAG hätte eingehen können. Es sei dem Bevollmächtigten nicht anzulasten, am 12.2.2024 keine Ersatzeinreichung vorgenommen zu haben. Diese wäre zwar zulässig gewesen, die elfseitige Revisionsbegründungsschrift hätte jedoch aufgrund nicht mehr ausreichender Zeit nach dem letzten Übermittlungsversuch per beA um 23:58 Uhr nicht mehr fristgerecht übermittelt werden.
Und dann: „Im Übrigen neigt der Senat zu der Auffassung, dass Rechtsanwälte nach der verpflichtenden Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs kein Faxgerät zum Zwecke der Übersendung von Schriftsätzen an das Gericht vorhalten müssen. Seit dem 1. 1. 2022 sind Rechtsanwälte zur Übermittlung eines elektronischen Dokuments verpflichtet; eine Einreichung als Schriftstück oder Telefax ist seither grundsätzlich nicht mehr wirksam. Da der elektronische Rechtsverkehr die bisherigen Übermittlungswege ersetzen soll, kann nicht verlangt werden, Letztere weiterhin zu gewährleisten.“
■Anmerkung:
Das BAG weist mit dieser Entscheidung den Weg. Das Fax ist eine aussterbende Spezies, das auch im gewöhnlichen Geschäftsverkehr kaum noch Anwendung findet.
Praxishinweis:
Beide Fälle bezogen sich auf das Arbeiten aus dem Home-Office, wo in der Regel ohnehin kaum ein Fax vorhanden sein dürfte. Alternative zu einem Faxgerät wäre ggf. ein Faxprogramm, das direkt über den Laptop bedient werden kann. Zumindest Verwaltungsrechtler sollten ggf. eine solche Zusatzlösung in Betracht ziehen.
AGH NRW, Beschl. v. 5.9.2024 – 2 AGH 1/24
Ein Rechtsanwalt, der einen Termin bei Gericht verpasst, weil er die Fahrtzeit von seiner Kanzlei zum Gericht zu knapp kalkuliert, seinen Anwaltsausweis nicht bei sich führt und sich dann auch noch auf dem Weg zum Gerichtssaal verläuft, hat die Anreise zum Termin unzulänglich geplant. Das Versäumen des Termins ist dann nicht unverschuldet (Leitsatz Burhoff).
Auch bei dieser Entscheidung war das Fax im Spiel, allerdings geht der AGH NRW davon aus, dass der Wiedereinsetzungsantrag „in jedem Fall nicht begründet ist, daher könne es dahinstehen, ob der per Telefax gestellte Wiedereinsetzungsantrag zulässig ist“.
Gleichwohl empfehlen wir interessierten Strafrechtlern die Lektüre der Begründung des Beschlusses im Hinblick auf die zwingende Nutzung von beA „getreu der Regel „soll heißt muss, wenn kann“ – grundsätzlich ein „Sollen“ im Sinne eines „Müssen“ zu verstehen ist…“
Zum Sachverhalt (der eher an eine Satire erinnert):
„Eine Rechtsanwältin, die weiß, um 13.00 Uhr in Hamm (Westf.) zu einem Termin erscheinen zu müssen, handelt sorgfaltswidrig, wenn sie erst 75 Minuten zuvor mit dem Pkw von C. aus zu diesem Termin aufbricht. Für eine Autofahrt von 75 Kilometern zwischen Kanzlei und Gerichtsgebäude nur 75 Minuten Fahrtzeit einzuplanen, setzt für ein rechtzeitiges Erreichen des Zielortes schon rein rechnerisch eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 60 km/h voraus. Innerstädtisch ist diese Geschwindigkeit nicht gestattet; dortige Verzögerungen müssten also außerorts vollständig kompensiert werden, was an einem Freitagmittag – quer durch das gerichtsbekannt aktuell zusätzlich von Baustellen durchzogene Ruhrgebiet – von vornherein ausgeschlossen erscheint.“
Rechtsanwältin hatte kein funktionierendes Mobiltelefon – Urteil von 2004 geht davon aus, dass es auf Rastplätzen/Tankstellen noch öffentliche Fernsprechmöglichkeiten gibt
„Eine solche Planung der Anfahrzeit ist namentlich dann unzureichend, wenn die Rechtsanwältin – wie der Antragstellerin nach eigenem Vortrag schon bei Fahrtantritt positiv bekannt war – nicht über ein funktionsfähiges Mobiltelefon verfügt, mit dem sie eine etwaige unvorhersehbare Verzögerung an das Gericht mitteilen könnte. Zu den zumutbaren Maßnahmen für den Rechtsanwalt zählt im Übrigen auch, notfalls eine Tankstelle oder ein Rastplatz anzufahren, um das Gericht von dort aus über eine drohende verspätete Ankunft telefonisch zu unterrichten (vgl. OLG Celle, Urt. v. 24.6.2004, 11 U 57/04, NJW 2004, 2534).“
Zeit für Parken und Fußweg in den Saal sind zu berücksichtigen
„Eine solche potenzielle Verzögerung für das Erreichen des Gerichtssaales lag zudem auch in dem Umstand, dass die bloße Anfahrt an das Gerichtsgebäude mit einem Zutritt zu dem Gerichtssaal notwendig nicht identisch ist. Für das Parken des eigenen Pkw und für den Fußweg von dem Parkplatz in den Saal hätte eine sorgfältige Planung weitere Zeiträume berücksichtigen müssen.“
Rechtsanwältin hatte ihren Anwaltsausweis nicht dabei und verlief sich darüber hinaus noch im Gerichtsgebäude
„Zu weiteren, mehrminütigen Verzögerungen im Eingangsgereich zum Gerichtsgebäude an einer Gerichtspforte kommt es infolge Personenprüfung für Rechtsanwälte gerichtsbekannt überdies nur dann, wenn sie ihren Anwaltsausweis nicht präsentieren können. Das Mitführen des Rechtsanwaltsausweises ist eine Sorgfaltspflicht, die auch dem hindernisfreien und mithin rechtzeitigen Zugang zu dem Gerichtssaal zu dienen bestimmt ist. Weiß ein Rechtsanwalt, dass er seinen Rechtsanwaltsausweis nicht bei sich führt, hat er dies bei seiner Anreiseplanung zeitlich einzukalkulieren. Führt er seinen Ausweis unwissentlich nicht bei sich, hat er sich vorhalten zu lassen, insoweit nicht ordnungsgerecht für den Zutritt zu Gericht vorbereitet gewesen zu sein.
Das gilt namentlich dann, wenn der Rechtsanwalt nicht einmal hoffen kann, Bediensteten in der Sicherheitsschleuse von Person bekannt zu sein. Genau hiervon war im vorliegenden Fall aber für die Antragstellerin auszugehen, die nach eigenem Vortrag im Anschluss an das Betreten des Gerichtsgebäudes zunächst noch fußläufig in einen unzutreffenden Gebäudetrakt ging, bis sie den Saal schlussendlich mit knapp dreiviertelstündiger Verspätung gegenüber der Ladungszeit erreichte. Nur der Ortsunkundige verläuft sich in einem Gerichtsgebäude. Ortsunkundige sind bei Gericht aber denknotwendig nicht erwartbar von Person bekannt. Folglich schied für die Antragstellerin auch a priori aus, eine ausweislos zügige Zugangsabwicklung in das Gerichtsgebäude erhoffen zu können. Dass sie allerdings auch ihr persönlich unbekannte Justizmitarbeiter in der Sicherheitsschleuse hätte fragen können, wie sie den angezielten Saal schnellstens würde erreichen können, liegt zusätzlich auf der Hand. Nach allem kann dahinstehen, ob die Antragstellerin mithin tatsächlich bereits – wie sie versichert – um 11.45 Uhr zu ihrer Anreise aufgebrochen ist oder ob sie die später noch an das Gericht und ihren Pflichtverteidiger faxschriftlich versandten Schriftsätze in C. selbsthändig verschickt haben könnte.“
■Anmerkung:
So viele Fettnäpfchen auf einmal, das wäre eine Vorlage für Werner Koczwara, den Erfinder des juristischen Kabaretts (https://www.gutes-kabarett.de/), der mit Programmen wie „Am 8. Tag schuf Gott den Rechtsanwalt“ und „Warum war Jesus nicht rechtsschutzversichert?“ Stilblüten aus Gesetzen und Rechtsprechung verarbeitet.
Praxishinweis:
Erstellen Sie eine Checkliste für die Wahrnehmung auswärtiger Termine.
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Ist Ihnen der Gerichtsort bekannt oder sind Sie zum ersten Mal bei diesem Gericht?
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Ist der Akku des Mobiltelefons geladen und haben Sie ggf. ein Ladekabel dabei?
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Wo befindet sich Ihr Anwaltsausweis? Ist dieser noch gültig?
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Planen Sie bei der Nutzung öffentlicher Verkehrsmittel Verspätungen ein.
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Bei der Anreise mit dem Pkw gehört die Parkplatzsuche (haben Sie ggf. notwendiges Münzgeld parat?) zur Anreisezeit. Aber auch hohe Verkehrsaufkommen und Staus sind im „worst case“ zu berücksichtigen; ebenfalls die Tageszeit.
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Wo befindet sich der Sitzungssaal? (Gerade bei fremden Gerichten ist das Auffinden oftmals nicht einfach).
BVerwG, Beschl. v. 16.9.2024 – 6 B 6.24
Keine Wiedereinsetzung:
Die Unterzeichnung eines Schriftsatzes als prozessrechtlich allein dem Prozessbevollmächtigten vorbehaltene Handlung bietet Anlass zur Kontrolle eines vom Kanzleipersonal hergestellten Dokuments und löst für den Rechtsanwalt eine entsprechende Verpflichtung aus: Was man unterschreibt, sollte man vorher gelesen haben.
Es ging um eine Bachelorarbeit im Studiengang Wirtschaftsrecht. Bereits 2018 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er die Bachelorarbeit nicht fristgerecht abgegeben und das Modul „Bachelorthesis“ nicht bestanden habe. Seinen Widerspruch, den er per Mail mit einem als PDF-Datei angehängten Schreiben erhoben hatte, wies die Beklagte zurück.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage durch Prozessurteil abgewiesen, denn das Vorverfahren sei mangels form- und fristgerechter Erhebung des Widerspruchs nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden. Der VGH hat die Berufung auf Antrag des Klägers zugelassen. Der mit einer Belehrung über das zugelassene Rechtsmittel versehene Beschluss wurde der Prozessbevollmächtigten des Klägers unter Mitteilung des Aktenzeichens des Berufungsverfahrens am 5.6.2023 zugestellt.
Am 27.6.2023 reichte die Bevollmächtigte unter dem Aktenzeichen des Berufungszulassungsverfahrens einen Schriftsatz vom Tag zuvor ein. Unterhalb des Rubrums findet sich der Vermerk „hier: Begründung Berufungszulassungsantrag“ und unmittelbar im Anschluss daran: „… wird der Berufungszulassungsantrag des Klägers vom 23.5.2022 wie folgt begründet …“. Die Ausführungen enden vor der Unterschrift mit dem Satz: „Dem Antrag auf Zulassung der Berufung ist nach Vorstehendem wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils stattzugeben.“
Drei Monate später
Am 31.10.2023 teilte die Prozessbevollmächtigte mit, dass am 26.6.2023 offensichtlich der falsche Schriftsatz übersandt worden sei. Sie begründete die Berufung und stellte vorsorglich einen Antrag auf Wiedereinsetzung. Dazu trug sie vor, das Sekretariat nach Billigung der von ihr entworfenen Berufungsbegründung seitens des Mandanten angewiesen zu haben, den Schriftsatz zur Unterschrift fertig zu machen.
Der Schriftsatz wurde von Hand unterzeichnet und eingescannt
Den sodann von ihrer zuverlässigen und regelmäßig kontrollierten Sekretärin vorgelegten Schriftsatz habe sie auf die korrekte Adressierung und die Rechtsangelegenheit hin geprüft und unterzeichnet. Danach sei der Schriftsatz – wie üblich – vom Sekretariat eingescannt und zum Versand vorbereitet worden. Sie selbst habe den mit „Berufungsbegründung“ bezeichneten und im Ordner „Berufung“ eingestellten Schriftsatz versandt und den Empfänger sowie die Versanddaten kontrolliert. Nach erfolgreichem Versand sei sie davon ausgegangen, alles Erforderliche getan zu haben.
Prozessbevollmächtigte hat weder bei der Unterschrift noch beim Versand den Fehler bemerkt
Nach Anhörung der Beteiligten hat der VGH die Berufung mit Beschl. v. 31.1.2024 verworfen. Der Kläger habe die Frist zur Begründung der Berufung versäumt. Der erneut mit Schriftsatz vom 26.6.2023 eingereichte Zulassungsantrag lasse nicht erkennen, aus welchen Gründen der Kläger die Berufung in der Sache für begründet halte. Die Bezugnahme auf sein Vorbringen im Zulassungsverfahren reiche im vorliegenden Fall nicht aus, da sich daraus nicht ergebe, weshalb das erstinstanzliche Urteil geändert werden müsse. Dem Kläger sei wegen Verschuldens seiner Prozessbevollmächtigten auch keine Wiedereinsetzung in die Berufungsbegründungsfrist zu gewähren. Dieser sei der Schriftsatz sowohl zur Unterschrift als auch zum Versand vorgelegt worden, ohne dass ihr der Fehler aufgefallen sei.
Grundsätzlich bedeutsame Frage
„…, ob ein Prozessbevollmächtigter auch dann auf die korrekte Ausführung der einer zuverlässigen Kanzleikraft schriftlich erteilten und hinreichend bestimmten Einzelanweisung vertrauen darf, wenn er im Nachgang hierzu den Vorgang zur Unterschrift vorgelegt bekommt“
Diese Frage rechtfertige nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, denn sie sei bereits höchstrichterlich entschieden. Eine im Vorfeld erteilte, den Inhalt einer Rechtsmittelschrift betreffenden Weisung entbinde den Rechtsanwalt regelmäßig nicht von seiner Pflicht, das ihm in der Folge vorgelegte Arbeitsergebnis vor Unterzeichnung sorgfältig auf die richtige und vollständige Umsetzung seiner Vorgaben zu überprüfen.
Was man unterschreibt, sollte man vorher gelesen haben.
Es liege auf der Hand und bedürfe keiner weiteren Klärung, dass die Unterzeichnung eines Schriftsatzes als prozessrechtlich allein dem Prozessbevollmächtigten vorbehaltene Handlung Anlass zur Kontrolle eines vom Kanzleipersonal hergestellten Dokuments biete und für den Rechtsanwalt eine entsprechende Verpflichtung auslöst: Was man unterschreibt, sollte man vorher gelesen haben.
Eine Umdeutung des Schriftsatzes kommt nicht in Betracht – Erneuter Antrag auf Zulassung anstelle Berufungsbegründung
Zwar habe die Prozessbevollmächtigte nach Zulassung der Berufung innerhalb der Begründungsfrist beim VGH am 27.6.2023 einen gesonderten Schriftsatz eingereicht. Dabei handelte es sich jedoch nicht um die erforderliche Berufungsbegründung. Denn diesen Schriftsatz habe sie – entgegen ihrem Beschwerdevorbringen – nicht explizit als Berufungsbegründung bezeichnet. Nur das elektronisch übermittelte Dokument trug ausweislich der elektronischen Gerichtsakte den Namen „1_Berufungsbegründung.pdf“. Der unter dem Aktenzeichen des Berufungszulassungsverfahrens übersandte Schriftsatz selbst war unterhalb des Rubrums mit „hier: Begründung Berufungszulassungsantrag“ überschrieben und wurde wie folgt eingeleitet: „… wird der Berufungszulassungsantrag des Klägers vom 23.5.2022 wie folgt begründet: …“. Die Ausführungen mündeten in die zusammenfassende Schlussfolgerung: „Dem Antrag auf Zulassung der Berufung ist nach Vorstehendem wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils stattzugeben.“ Dieser Auslegungsbefund führe zu dem Ergebnis, dass die Klägerseite mit diesem Schriftsatz ihren – angesichts der bereits zugelassenen Berufung – nicht (mehr) statthaften Antrag auf Zulassung der Berufung begründet habe.
Eine Umdeutung dieses Schriftsatzes in eine Berufungsbegründung komme nicht in Betracht. Denn jedenfalls nach Ablauf der Begründungsfrist könne die Begründung eines Berufungszulassungsantrags nicht mehr in eine Berufungsbegründung umgedeutet werden; diese Rechtsmittel seien auf unterschiedliche Ziele gerichtet und wegen des Stufenverhältnisses nicht austauschbar.
■Anmerkung:
Die vielzitierte „immer zuverlässige, nie Fehler machende Mitarbeiterin“ hilft im Wiedereinsetzungsfall nicht weiter. Der Rechtsanwalt selbst muss bei der Signatur prüfen, ob das Dokument inhaltlich dem entspricht, was versandt werden soll.
Praxishinweis:
Immer wieder rächt es sich, wenn man das zu übersendende Dokument nur anhand des Dateinamens überprüft. Arbeiten Sie mit Checklisten und überprüfen (öffnen) Sie jede Nachricht vor dem Signieren und prüfen, ob die beigefügten Anhänge auch inhaltlich dem entsprechen, was eingereicht werden soll. Legen Sie klare Regeln für das Benennen von Dateinamen fest.
AGH Berlin, Beschl. v. 18.9.2024 – II AGH 14/23
§ 32d Satz 2 StPO ist gemäß § 116 Absatz 1 Satz 2 BRAO für das anwaltsgerichtliche Verfahren sinngemäß anzuwenden (entgegen AGH Hamm Urt. v. 21.4.2023 – 2 AGH 10/22 –). Tritt ein Rechtsanwalt als Betroffener eines anwaltsgerichtlichen Verfahrens in eigener Angelegenheit auf, hat er die für Rechtsanwälte geltenden zwingenden Formvorschriften einzuhalten.
Verweis und Geldbuße von 3.000 Euro
Das Anwaltsgericht Berlin hat mit Urt. v. 5.7.2023 gegen den Rechtsanwalt wegen schuldhaften Verstoßes gegen die Pflicht, seinen Beruf gewissenhaft auszuüben und sich innerhalb des Berufs der Achtung und des Vertrauens, welche die Stellung des Rechtsanwalts erfordert, würdig zu erweisen, insbesondere, als Inhaber des beA die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten, die anwaltsgerichtlichen Maßnahmen eines Verweises sowie einer Geldbuße in Höhe von 3.000 EUR verhängt.
Nochmals wird das Fax bemüht
Dagegen hat der Rechtsanwalt mit per Fax übermitteltem Schriftsatz vom 9.5.2023 Berufung eingelegt.
„Die Berufung ist gemäß § 322 Absatz 1 StPO als unzulässig zu verwerfen. Denn sie entspricht nicht den Formerfordernissen des § 32d Satz 2 StPO in Verbindung mit § 116 Absatz 1 Satz 2 BRAO.“
Seit 1.1.2022 müssen Verteidiger und Rechtsanwälte die Berufung als elektronisches Dokument übermitteln
„Insoweit handelt es sich um eine Form- und Wirksamkeitsvoraussetzung der jeweiligen Prozesshandlung, welche bei Nichteinhaltung deren Unwirksamkeit zur Folge hat. Diesen Anforderungen entspricht die am 9.5.2023 per Fax übermittelte Berufungsschrift nicht. Die Voraussetzungen eines Ausnahmefalls nach § 32d Satz 3 StPO sind weder dargetan noch sonst ersichtlich. Ohnehin stellt eine Verzögerung bei der Einrichtung des beA regelmäßig keine vorübergehende technische Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung dar.“
Rechtsanwalt in eigener Sache muss auch die Formvorschriften einhalten
„Dem steht nicht entgegen, dass der angeschuldigte Rechtsanwalt zugleich Betroffener des anwaltsgerichtlichen Verfahrens, mithin nicht für einen Dritten, sondern in eigener Angelegenheit aufgetreten ist. § 32d StPO gilt für Verteidiger und Rechtsanwälte. Als Rechtsanwalt ist er Betroffener des anwaltsgerichtlichen Verfahrens. Ist er gerade als Rechtsanwalt Beteiligter des Verfahrens, muss er auch die für Rechtsanwälte geltenden zwingenden Formvorschriften einhalten.“
Rechtsanwalt hätte einen anderen Rechtsanwalt beauftragen können
„Der Umstand, dass der angeschuldigte Rechtsanwalt keinen Zugang zum beA hatte, ist – abgesehen davon, dass ein Rechtsanwalt ohnehin grundsätzlich für das Vorhalten der entsprechenden einsatzbereiten technischen Infrastruktur zu sorgen hat, schon deshalb unerheblich, weil der Rechtsanwalt, wollte er die Nutzung gerade des beA unbedingt vermeiden, seine Erklärung auch als elektronisches Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur (§ 32a Absatz 3 1. Alt. StPO) oder auf einem anderen sicheren Übermittlungsweg (§ 32a Absatz 4 StPO) hätte übermitteln können. Darüber hinaus hätte er einen anderen Rechtsanwalt beauftragen können, was ohne weiteres zumutbar gewesen ist.“
■Anmerkung:
Immer wieder versuchen Rechtsanwälte, die beA-Pflicht zu ignorieren. Sämtliche Bemühungen, das beA „zu Fall zu bringen“, sind gescheitert. Rechtsanwälte werden mit dem elektronischen Rechtsverkehr und den damit einhergehenden Regelungen leben müssen – so lange sie eine Zulassung als Rechtsanwalt haben.
Praxishinweis:
Wer als Rechtsanwalt zugelassen ist, muss beA „kennen und können“. Die beA-Anwaltskarte darf nicht aus der Hand gegeben werden (§ 26 RAVPV). Es gibt Möglichkeiten, beA zu delegieren. Die qualifizierte elektronische Signatur (qeS) ersetzt die Unterschrift im Rechtsverkehr. Sie darf nur durch den Rechtsanwalt selbst angebracht werden.
Hamburgisches Anwaltsgericht, Urt. v. 2.12.2024 – II 13/24 EV 111/23
Verweis und Geldbuße von 2.000 EUR wegen Verletzung der Berufspflicht
Die Hamburgische Rechtsanwaltskammer informiert im Kammerreport vom 6.2.25:
„Das Hamburgische Anwaltsgericht hat im Dezember 2024 einem Kollegen einen Verweis erteilt und ihn zur Zahlung einer Geldbuße in Höhe von 2.000 EUR verurteilt, weil der Kollege seine Berufspflicht, als Inhaber des beA die für dessen Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen (31a Abs. 6 BRAO), verletzt habe.
Zur Überzeugung des Gerichts hatte der Angeschuldigte seit 2023 bis Dezember 2024 sein beA in dem Status „vorbereitet aktiv“ belassen, sich also nicht erstregistriert. Deshalb bemerkte er ein vom Hanseatischen Oberlandesgericht zugestelltes elektronisches Empfangsbekenntnis nicht.
Dass er zwischenzeitlich „erste Schritte“ wie die Beschaffung eines Lesegeräts und einer beA-Karte unternommen hatte, genügte dem Gericht nicht. Das Gericht ließ es auch nicht als Entschuldigung gelten, dass der Angeschuldigte in einer schwierigen familiären Situation war und gesundheitliche Probleme hatte; auch dass er sich mit der Einrichtung des beA in technischer Hinsicht schwertat, half ihm nicht.
Zu seinen Lasten hatte das Gericht auch berücksichtigt, dass der Rechtsanwalt seit der ersten Anhörung durch die Rechtsanwaltskammer eineinhalb Jahre hat verstreichen lassen, ohne sein beA zur Einhaltung der passiven Nutzungspflicht einzurichten, wobei er sich auch durch die Zustellung der Anschuldigungsschrift und des Eröffnungsbeschlusses sowie der Terminsladung zur Hauptverhandlung nicht veranlasst gesehen hat, sich nachhaltig um die Erstregistrierung zu kümmern.“
■Anmerkung:
Die Hamburgische RAK appelliert eindringlich an alle Mitglieder, sich am beA erstzuregistrieren und Posteingänge im beA zu überwachen und zur Kenntnis zu nehmen. Die Generalstaatsanwaltschaft wird sich möglicher Verstöße vermehrt annehmen.
Praxishinweis:
Nicht nur die passive Nutzungspflicht (Eingänge zur Kenntnis nehmen) ist erforderlich, auch die Umsetzung der aktiven Nutzungspflicht (Versand aus beA) ist seit 1.1.2022 zwingend.
AGH NRW, Urt. v. 14.2.2025 – 1 AGH 43/24
Klage gegen die Pflicht zur Nutzung eines beA
Der 1950 geborene Kläger ist seit 1983 als Rechtsanwalt zugelassen. Er wendet sich im vorliegenden Verfahren gegen die Pflicht zur Nutzung eines beA. Er hat sein beA noch nicht erstregistriert, obwohl seit 2018 die Pflicht dazu besteht. Der Kläger wurde aufgefordert, bis zum 30.4.2023 die erforderlichen Voraussetzungen für die Nutzung des beA zu schaffen.
„Lassen Sie mich bitte damit in Ruhe“
Nachdem der Kläger auf die Fristsetzung zum 30.4.2023 nicht reagierte, wies die Beklagte ihn erneut auf den Sachverhalt hin und bat um Stellungnahme gem. § 56 I 1 BRAO bis zum 24.5.2023. Hierauf erklärte der Kläger, er befinde sich im 73. Lebensjahr und seit langer Zeit im Ruhestand. Er wisse „beim besten Willen nicht, was ich mit einem elektronischen Anwaltspostfach anfangen sollte. Also lassen Sie mich bitte damit in Ruhe“.
Zulassung zurückgeben
Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 19.7.2023 mit, dass er weiterhin als Rechtsanwalt zugelassen sei und daher allen berufsrechtlichen Pflichten unterliege. Ggf. müsse er seine Zulassung zurückgeben. Der Kläger erwiderte darauf, dass er wisse, dass er noch als Rechtsanwalt zugelassen sei. „Für Rechtssuchende bin ich nicht mehr erreichbar. ICH WILL AUCH NICHT MEHR ERREICHBAR SEIN!“. Gegen die Einleitung eines Aufsichtsverfahrens lege er den zulässigen Rechtsbehelf ein.
Klage in Papierform eingereicht
Mit in Papierform beim Anwaltsgerichtshof eingegangener Klage vom 12.11.2024 begehrt der Kläger die Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, sich für ein beA erstzuregistrieren und die für die Nutzung eines beA erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Zur Begründung meint er, es gebe kein Gesetz für eine solche Pflicht und er sei nicht verpflichtet, einen sicheren Übermittlungsweg einzuhalten. Ein beA sei nicht zwingend, „DE-Mail auch gegeben“.
Die Beklagte beantragte Klageabweisung:
„Die Klage des Klägers sei bereits nicht elektronisch und damit nicht ordnungsgemäß eingereicht. In der Sache sei der Kläger entgegen seiner Auffassung gem. § 31a VI BRAO verpflichtet, das beA zu nutzen, die zur Nutzung erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten und Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen.“
„Der Vorsitzende des Senats hat den Kläger mit der Ladungsverfügung darauf hingewiesen, dass im Hinblick auf § 55a VwGO Bedenken gegen die Zulässigkeit der Klage bestünden, und hinsichtlich der Pflicht zur Einrichtung eines beA auf § 31a BRAO verwiesen.“
Kläger schickt nun ein Fax
„Der Kläger hat darauf mit Faxschreiben vom 13.1.2025 erwidert, er könne den Einwand bzgl. der Zulässigkeit der Klage – „wenn nun das Verfahren ordnungsgemäß abläuft“ – nicht nachvollziehen, nachdem die Klage angenommen, in den Geschäftsgang gegeben, zugestellt und Termin anberaumt worden und die Beklagte erwidert habe, es sei denn, das Gericht begreife den Formalismus (der elektronischen Einreichung) als Selbstzweck. Wie der BGH im Zusammenhang mit dem Dateiformat von Eingaben entschieden habe, komme es darauf nicht mehr an, wenn die Datei – wie im vorliegenden Fall – vom Gericht jedenfalls lesbar sei. Der Kläger hätte die Klage auch per DE-Mail als sicheren Übermittlungsweg einreichen können; allerdings verfüge der Anwaltsgerichtshof über keine DE-Mail-Adresse, sodass er selbst die Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs behindere. Letztlich sei es widersinnig, von jemandem die Nutzung eines beA zu verlangen, der sich genau gegen die „Oktroyierung desselben“ wende.“
Kläger hat Klageschrift über das beA von Rechtsanwalt A übersenden lassen
„Zuletzt hat der Kläger seine als pdf-Datei eingescannte Klageschrift am 10.2.2025 von Rechtsanwalt A aus dessen beA an den Senat übersenden lassen. In dem beigefügten Anschreiben hat Rechtsanwalt A klargestellt, nicht zu einer Prozessvertretung bevollmächtigt zu sein.“
Entscheidungsgründe:
„Die Klage des Klägers ist bereits unzulässig. Als Rechtsanwalt hätte er die vorliegende Klage gem. § 112c BRAO i.V.m. § 55a VwGO als elektronisches Dokument einreichen müssen. Er hat seine Klage jedoch nur in Papierform eingereicht. Die Klage wird auch nicht dadurch zulässig, dass der Kläger seine – als pdf-Datei eingescannte – Klageschrift am 10.2.2025 durch Rechtsanwalt A über dessen beA hat übersenden lassen. Rechtsanwalt A bittet in seinem mit übermittelten Anschreiben vom 10.2.2025 ausdrücklich um Beachtung, dass er „nicht zu einer Prozessvertretung bevollmächtigt“ sei (sic). Für den Kläger bestimmte Schriftstücke könnten jedoch via beA zur Weiterleitung an sein Postfach übermittelt werden.
Auch damit ist die Klage nicht wirksam als elektronisches Dokument i.S.d. § 55a VwGO übermittelt worden. Kein zulässiges elektronisches Dokument ist ein solches, das nach Unterschrift eingescannt und als Bilddatei (z.B. im PDF-Format) weder mit qualifizierter elektronischer Signatur noch auf sicherem Übermittlungsweg übermittelt wird.
Weder das Anschreiben von Rechtsanwalt A noch die beigefügte Klageschrift des Klägers sind qualifiziert elektronisch signiert. Das prozessuale Schriftformerfordernis nach § 55a VwGO wäre daher nur erfüllt, wenn die Klageschrift auf einem sicheren Übertragungsweg übersandt worden wäre.
Auch das ist aber nicht der Fall. Denn ein nicht qualifiziert elektronisch signiertes Dokument wird nur dann auf einem sicheren Übermittlungsweg aus einem beA im Sinne des § 55a III 1 Alt. 2, IV Nr. 2 VwGO eingereicht, wenn die den Schriftsatz verantwortende Person das Dokument selbst versendet. Es genügt nicht, dass eine andere Person – wie hier Rechtsanwalt A – die Versendung vornimmt.
Denn das beA ist personenbezogen; ein Versand aus ihm durch Dritte ist ohne qualifizierte elektronische Signatur unwirksam. Andernfalls wären unautorisierte Übermittlungen und Manipulationen des Textes nicht ausgeschlossen, weil der Inhaber eines beA auch anderen Personen eine Zugangsberechtigung einräumen darf und einfache Signaturen auch von solchen Personen angebracht werden können.
Das Erfordernis der persönlichen Übermittlung durch die verantwortende Person ist somit kein Selbstzweck, sondern soll wie bei der handschriftlichen Unterzeichnung die Identifizierung des Urhebers einer Verfahrenshandlung ermöglichen und dessen unbedingten Willen zum Ausdruck bringen, die volle Verantwortung für den Inhalt des Schriftsatzes zu übernehmen und diesen bei Gericht einzureichen.
Die Übermittlung der Klageschrift des Klägers aus dem beA eines Dritten genügt daher nicht der gebotenen elektronischen Form. Mit dem Hinweis in seinem Anschreiben, nicht zur Prozessvertretung des Klägers bevollmächtigt zu sein, hat Rechtsanwalt A auch gerade klargestellt, dass er den Inhalt der beigefügten Klageschrift des Klägers nicht verantwortet.
Wird die elektronische Form des § 55d S. 1 VwGO nicht beachtet, ohne dass die Voraussetzungen des § 55d S. 3 und 4 VwGO erfüllt sind, führt dies zur Unwirksamkeit der in Papierform eingereichten Erklärungen und zur Unzulässigkeit damit erhobener Rechtsmittel.
Gem. § 55d S. 3, 4 VwGO bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften allein dann zulässig, wenn die Einreichung eines elektronischen Dokuments aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist. Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen.
Eine solche vorübergehende Unmöglichkeit hat der Kläger nicht dargelegt oder glaubhaft gemacht; sie ist auch im Übrigen nicht ersichtlich, weil sie darauf zurückzuführen ist, dass der Kläger bis heute sein beA nicht erstregistriert und nutzbar gemacht hat und/oder seine Klage nicht auf dem von ihm selbst angesprochenen sicheren Übermittlungsweg per DE-Mail elektronisch übersandt hat.
Soweit der Kläger zuletzt darauf verweist, er habe seine Klage nicht per DE-Mail einreichen können, weil der Anwaltsgerichtshof über keine DE-Mail-Adresse verfüge, hat er dies nicht glaubhaft gemacht.
Schließlich kann der Kläger auch nichts Günstiges für sich daraus herleiten, dass der Senat das vorliegende Verfahren – trotz Formunzulässigkeit der Klage – tatsächlich betreibt. Denn das Gericht hat offensichtlich auch über unzulässige Rechtsmittel zu entscheiden und kann diese nicht im Hinblick auf die Unzulässigkeit ignorieren.
Die Klage wäre aber auch in der Sache unbegründet.
Der Kläger ist nach § 31a I 1, VI BRAO dazu verpflichtet, die für die Nutzung des für ihn als zugelassenen Rechtsanwalt eingerichteten beA alle erforderlichen technischen Einrichtungen vorzuhalten sowie Zustellungen und den Zugang von Mitteilungen über das beA zur Kenntnis zu nehmen
Hierfür gibt es auch keine gesetzliche oder sonstige Ausnahme. Insoweit hat die Beklagte den Kläger bereits zutreffend darauf hingewiesen, dass er – wenn er die Pflichten eines zugelassenen Rechtsanwalts nicht (mehr) erfüllen will – seine Zulassung zurückgeben kann und muss.
■Anmerkung:
Wer auch im Ruhestand seine Anwaltszulassung behalten möchte, kommt nicht umhin, sich mit beA zu befassen.
Praxishinweis:
Ggf. droht dem beA-Verweigerer jetzt auch noch ein Verfahren mit einer Geldbuße.
Fazit
Das beA lässt sich – guten Willen vorausgesetzt – auch für ältere Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte durchaus handhaben. Ansonsten ist nur die Rückgabe der Zulassung, auch wenn das schwerfällt, der Weg, wie man das beA „los“ wird.
In der nächsten E-Broschüre informieren wir Sie über weitere Rechtsprechung.